Papageitaube (Treron Waalia)

[625] Die Papageitaube oder Waalie (Treron Waalia, abyssinica oder habessinica, Columba Waalia, abyssinica und humeralis, Vinago und Phalacrotreron abyssinica) ist gedrungen gebaut, langflügelig und kurzschwänzig, ihr Schnabel kurz, kräftig, sein Obertheil hakig übergebogen, seine Wurzelgegend nackt, der Lauf verhältnismäßig kurz, größtentheils befiedert, der Fuß selbst sehr breitsohlig und kurzzehig, der Fittig spitzig, in ihm die zweite Schwinge die längste, der Schwanz gerade abgeschnitten. Das Gefieder ist prachtvoll gefärbt, auf der Oberseite blaß olivengrün, auf der Unterseite hellgelb; Kopf, Hals und Brust sind aschgraulichgrün, die Schultern weinröthlich, die Flügeldecken schwärzlich, breit hellgelb gesäumt, die Schwingen schwärzlich, lichter gesäumt, die Steuerfedern aschgrau, unten von der Wurzel bis zur Mitte schwarz, von der Mitte bis zur Spitze silbergrau. Um den Augapfel zieht sich ein schmaler, königsblauer Ring; die übrige Iris ist purpurroth, ein nackter Ring ums Auge bläulich grauroth, der Schnabel an der Wurzel weiß, bläulich schimmernd, an der Spitze dagegen blaßroth, die Wachshaut schmutzig korallroth, der Fuß dunkel orangegelb. Die Länge beträgt einunddreißig, die Breite fünfundfunfzig, die Fittiglänge siebzehn, die Schwanzlänge elf Centimeter. Das gleichgefärbte Weibchen unterscheidet sich durch geringere Größe.

Die Papageitaube verbreitet sich über ganz Mittelafrika, von der Küste des Indischen und Rothen Meeres bis zu den westafrikanischen Inseln und vom sechzehnten Grade nördlicher Breite [625] bis zum Sambesi.


Papageitaube (Treron Waalia). 5/8 natürl. Größe.
Papageitaube (Treron Waalia). 5/8 natürl. Größe.

Temminck sagt, wohl Bruce's Angaben benutzend, daß sie in Habesch die Niederungen bewohne und während der Hitze des Tages auf den höchsten Bäumen sitze, ohne sich zu rühren, bei Annäherung der Regenzeit aber in großen Zügen und bewunderungswürdiger Höhe nach Südafrika wandere; ich halte sie für keinen Wandervogel, und auch alle neueren Beobachter scheinen mit mir derselben Ansicht zu sein. Nach meinen Erfahrungen bevölkert sie in kleinen Familien die tieferen Gebirgsthäler und die unmittelbar am Gebirge liegenden Niederungen der Samchara, in denen die Pracht der Wendekreisländer zur Geltung gekommen ist. Heuglin fand sie in Habesch bis zu dreitausend Meter unbedingter Höhe, aber auch im südlichen Sennâr, am Weißen Flusse und in Kordofân auf. Hochbewipfelte Mimosen, welche der Christusdorn schützend umsteht und der Cissus mit seinen vierseitigen Ranken durchflicht, bilden in der Samchara ihren bevorzugten Aufenthalt, während in den Gebirgsthälern die prachtvollen Tamarinden, Kigelien, mit ihrem dichten Gelaube, und endlich die schattigen Wipfel der gewaltigen Sykomoren zu noch geeigneteren Wohnsitzen werden. Da, wo drei oder vier dieser Bäume zusammenstehen, wird man die Papageitaube schwerlich vermissen, ja einzelne Sykomoren werden zum Versammlungsorte am Morgen und Abend und zum schattigen Ruheplatze in der Hitze des Mittags. Hier und da trifft man auch unsere Vögel paarweise, gewöhnlich aber schlagen sie sich zu Familien oder kleinen Flügen von acht bis zwanzig Stücken zusammen; zahlreichere habe ich nicht gesehen. Im Fluge selbst halten sich die einzelnen Paare in trauter Gesellschaft. Dicht aneinander geschmiegt sitzen die zärtlichen Gatten, und derjenige, welcher ruhig beobachtet, kann gar nicht in Zweifel bleiben, welche zwei [626] im Fluge miteinander sich vereinigt haben. Die Papageitaube scheint in ihrer Zärtlichkeit die übrigen Verwandten noch zu überbieten und besondere Zeichen ihrer Gattenliebe an den Tag zu legen, wie ich solche wenigstens bei anderen Tauben noch nicht beobachtet habe. Das Aneinanderschmiegen, das Schnäbeln, das freudige, ich möchte sagen, aufjauchzende Emporsteigendes Männchens, das Klatschen mit den Flügeln und das darauf folgende sanfte Hinabschweben zur Gattin, wie es der Tauben Art ist, bethätigt auch sie; außerdem aber breitet sie noch mit unbeschreiblicher Zierlichkeit und Anmuth die aufgehobenen Flügel über den Gegenstand ihrer Liebe und versucht, um dem Gatten zu gefallen, Künste und Gewohnheiten nachzuahmen, welche sonst nur bei den Papageien beobachtet werden. Leider fiel unser Aufenthalt nicht in die allgemeine Brutzeit, und somit hatte ich nicht Gelegenheit, das Betragen dieser Tauben während der Paarung zu beobachten; aber ich sah doch genug, um eine Berechtigung für die eben ausgesprochene Ansicht zu erlangen.

Unsere Taube hat in der That große Aehnlichkeit mit Papageien. Schon die Färbung ihres Gefieders, das prächtige Grün und das lebendige Gelb, erinnern an diese. Dazu kommen aber noch das eigenartige Herumklettern in den Bäumen und die sonderbaren Stellungen, welche sie annimmt. Selbst der kundige Jäger wird im Anfange nicht selten getäuscht: er glaubt wirklich, einen Papagei vor sich zu haben. Als besondere Eigenthümlichkeit erwähne ich noch, daß sich die Papageitaube zuweilen fast wie ein schlafender Ziegenmelker platt auf die Aeste niederlegt. Der Flug ist sehr rasch und reißend, aber hart und von einem laut pfeifenden Geräusche begleitet, welches sich von dem Fluggeräusche jeder anderen Taube unterscheidet. Nur die Stimme hat, wie angegeben, wenig anmuthiges, sondern eher etwas heulendes. Girrende oder rucksende Töne habe ich nicht vernommen.

In dem Magen der erlegten fand ich Beeren der verschiedensten Art, und Eingeborene im Lande sagten mir, daß man den Tauben nur da begegne, wo es beerentragende Bäume und Sträucher gibt. Wie Heuglin richtig angibt, sind es hauptsächlich die herrlich belaubten, fruchtreichen wilden Feigenbäume, auf denen sie ihre Nahrung sucht. Auf solchen Bäumen siedelt sie sich sozusagen dauernd an und verräth ihre Anwesenheit durch die am Boden liegenden oder beständig herabfallenden Fruchthülsen auch dann, wenn das dichte Laub sie dem Auge verbirgt. Zur Zeit der Feigenreife ist oft das ganze Gesicht mit dem gelben Safte dieser Früchte bekleistert, und ebenso nimmt das Fett eine gelbe Färbung an. Mit dieser Nahrung steht im Einklange, daß unsere Taube nicht auf die Erde herabkommt; ich meinestheils habe sie wenigstens nur in Baumwipfeln gesehen.

Levaillant sagt, daß die Papageitaube in Baumhöhlen auf einem erhöhten Haufen von Moos und trockenen Blättern niste, und daß das Weibchen vier gilblichweiße Eier lege. Ich kann die Angabe freilich nicht durch eigene Beobachtung widerlegen, halte sie aber doch für irrig. Wenn unsere Taube wirklich in Baumhöhlungen nistet, trägt sie sicherlich keinen Moos- und Blätterhaufen ein, und ebensowenig legt sie vier, anstatt zwei Eier.

Die Jagd ist nur dann einfach und ergiebig, wenn man einen jener Lieblingsbäume aufgefunden hat und unter ihm sich anstellt. Der Vogel ist scheu oder wenigstens vorsichtig und läßt den Jäger nicht leicht ankommen.

Ob man alt gefangene Tauben dieser Art an Ersatzfutter gewöhnen kann oder nicht, vermag ich nicht zu verbürgen, bezweifle es jedoch nicht. Levaillant erzählt, daß er vier Junge aus einem Neste genommen und mit Früchten ernährt habe, daß dieselben aber zu Grunde gingen, als die Früchte fehlten, da sie jedes andere Futter verschmähten. Auch diese Angaben beruhen jedenfalls auf Erfindung, wie schon die angegebene Anzahl der Jungen beweist. Andersartige Fruchttauben, welche ich pflegte, fraßen gekochten Reis und aufgequellte Rosinen, dauerten jedoch nie länger als einige Monate im Käfige aus.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 625-627.
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