Barsch (Perca fluviatilis)

[34] Der Barsch, auch Fluß- oder Buntbarsch, Baarsch, Bars, Baars, Bärsch, Barsching, Barsig, Barsich, Bärschling, Bürschling, Bersching, Birsing, Bürstling, Berster, Bärster, Bärstel, Bärstling, Parscher, Parschke, Pirsche, Pirschling, Krätzer, Rauhegel, Schratz, Schratzen, Anbeiß, Warschinger, Rechling, in der Jugend hier und da aber Zängel, Heuerling, Rührling und Egli genannt (Perca fluviatilis und vulgaris), vertritt die gleichnamige, über die Alte und Neue Welt verbreitete Sippe (Perca) und kennzeichnet sich durch zwei mehr oder weniger einander genäherte, auch wohl durch eine niedere Haut verbundene Rückenflossen, den gezähnelten Vordeckel und gedornten Hauptdeckel der Kiemen sowie die vielen kleinen, dicht stehenden, sogenannten Bürstenzähne, welche das Maul besetzen. Sein gedrungener Leib ist seitlich zusammengedrückt und auf messinggelbem oder grünlichem, an den Seiten ins Goldgelbe, auf dem Bauche ins Weißliche spielendem, auf dem Rücken dunkelndem Grunde mit fünf bis neun Querbinden gezeichnet, welche von der Rückenseite gegen den Bauch herablaufen, ungleich an Länge und Stärke sind und oft auch nur durch schwärzliche verwaschene Flecke angedeutet werden. Die erste Rückenflosse ist bläulich rothgrau und zeigt zwischen den zwei letzten Strahlen einen dunkleren Augenfleck; die zweite Rückenflosse sieht grünlichgelb aus; die Brustflossen sind gelbroth, die Bauch- und Afterflosse mennig- oder zinnoberroth. Man zählt in der ersten Rückenflosse dreizehn bis funfzehn, in der zweiten dreizehn bis vierzehn, in jeder Brustflosse vierzehn, in jeder Bauchflosse fünf, in der Afterflosse acht bis neun, in der Schwanzflosse siebzehn Strahlen. Männchen und Weibchen lassen sich mit Bestimmtheit nicht unterscheiden, ersteres scheint jedoch im Verhältnis zur Länge etwas höher zu sein als letzteres. Die Länge übersteigt bei uns selten fünfundzwanzig Centimeter, das Gewicht ein Kilogramm; doch kommen in gewissen Seen Stücke von anderthalb bis zwei Kilogramm Gewicht vor, so im Zellersee im Linzgau und, nach Yarrell, in mehreren Gewässern Englands, woselbst noch schwerere gefangen worden sein sollen, laut Penant, einstmals sogar einer von vier Kilogramm Gewicht.

Das Verbreitungsgebiet des Flußbarsches dehnt sich über ganz Europa und einen großen Theil von Nordasien aus. Laut Yarrell soll er in Schottland selten sein und auf den Orkney- und Shetlandinseln gänzlich fehlen; auf der Skandinavischen Halbinsel dagegen bewohnt er alle süßen Gewässer, auch solche, welche viel nördlicher liegen als gedachte Inseln. In Deutschland kommt er, mit Ausnahme der höher gelegenen Gebirgswässer und einzelner Gegenden der Tiefebene, in allen geeigneten Flüssen und Seen vor, tritt gewöhnlich auch häufig auf; in den Alpen meidet er fast nur die mehr als tausend Meter über dem Meere gelegenen Gewässer. Seen mit klarem Wasser bilden seinen Lieblingsaufenthalt, und in ihnen gedeiht er am besten; doch fehlt er auch Flüssen oder tiefen Bächen oder Teichen, Brackwässern und selbst schwachsalzigen Meeren, wie der Ostsee, nicht, scheint sich im Gegentheile hier sehr wohl zu befinden, zeichnet sich wenigstens in der Regel durch bedeutende Größe und fettes, schmackhafteres Fleisch vor anderen seinesgleichen, welche im süßen Wasser gefischt wurden, vortheilhaft aus.

In den Flüssen bevorzugt er die Uferseiten und die Stellen mit geringerem Strome der Mitte und dem lebhaften Strome, in den Seen die oberen Schichten des Wassers, ist jedoch ebensowohl fähig, in größere Tiefen hinabzusteigen, und wird aus solchen nicht selten heraufgefischt, läßt auch an untrüglichen Merkmalen erkennen, daß er hier längere Zeit zugebracht. »Es ist«, sagt schon Geßner, »die sag der Fischer vmb den Genffersee, daß die Eglin winterszeit, so sie in ein Garn [34] gezogen, ein rotes bläterlin zum Maul außhencken, welches sie mit gewalt bezwingt, oben in dem Wasser empor zu schwimmen, vermeynen es geschehe jnen von Zorn.« Siebold hat die Wahrnehmung jener Fischer bestätigt. »An allen solchen aus großen Tiefen des Bodensees bei dem Kilchenfang mit heraufgezogenen Barschen«, berichtet er, »sah ich die Rachenhöhle mit einem sonderbaren, einer geschwollenen Zunge ähnlichen Körper ausgefüllt, welcher bei einigen sich sogar aus dem Munde hervordrängte. Bei näherer Untersuchung überzeugte ich mich, daß dieser pralle, kegelförmige Körper der nach außen umgestülpte Magen dieser Raubfische war.


Zander (Lucioperca Sandra) und Barsch (Perca fluviatilis). 1/4 natürl. Größe.
Zander (Lucioperca Sandra) und Barsch (Perca fluviatilis). 1/4 natürl. Größe.

Durch Oeffnen der Leibeshöhle überzeugte ich mich ferner, daß die Wandungen der Schwimmblase durch die beim Heraufziehen der Barsche aus einer Tiefe von dreißig bis vierzig Klaftern stark ausgedehnte Luft von innen nach außen zu stark gespannt und zuletzt geborsten waren, wodurch die in die Bauchhöhle ausgetretene Luft Gelegenheit fand, den Magensack nach der Mundhöhle hinaus umzustülpen.«

Gewöhnlich findet man den Barsch zu kleinen Trupps vereinigt, welche gesellig mit einander schwimmen und, wie es scheint, auch gemeinschaftlich rauben. In den oberen Wasserschichten schwimmt er sehr schnell, jedoch nur stoßweise, hält plötzlich an und verweilt geraume Zeit auf einer und derselben Stelle, um von dieser aus von neuem dahinzuschießen. In Höhlungen des [35] Ufers, unter überhängenden Steinen und an ähnlichen Versteckplätzen sieht man ihn zuweilen mehrere Minuten lang offenbar auf der Lauer liegen, da er, gestört, gern zu demselben Platze zurückkehrt. Naht sich ein Schwarm kleinerer Fischchen, so stürzt er sich mit Blitzesschnelle auf sie zu und bemächtigt sich ihrer, entweder im ersten Anlaufe oder nach längerer Verfolgung. »Die in zahlreichen Scharen unter der Oberfläche des Wassers ruhig dahinschwimmenden Lauben (Alburnus lucidus)«, sagt Siebold, »werden oft durch solche Ueberfälle des Barsches in Schrecken und Verwirrung gesetzt, wobei manche dem gierigen Rachen des Räubers durch einen Luftsprung zu entweichen suchen. Aber die Raubgier des Barsches wird auch zuweilen bestraft, indem derselbe bei dem zu hastigen Verschlingen der Beute das Unglück hat, den erhaschten Fisch von dem weit geöffneten Rachen aus in eine der seitlichen Kiemenspalten hineinzudrängen, in welcher derselbe stecken bleibt und mit dem Räuber zugleich stirbt.« Ebenso geschieht es, laut Bloch, daß er, unvorsichtig genug, einen Stichling überfällt, und daß dieser ihn durch seine aufgerichteten Rückenstacheln tödtlich verwundet. In derselben Weise, durch Aufrichtung seiner Stacheln nämlich, soll er selbst gegen die Angriffe des Hechtes sich zu schützen suchen und diesen gefräßigsten aller unserer Süßwasserfische dadurch ebenfalls entweder vom Angriffe abbringen, oder an Leib und Leben gefährden. Außer von kleineren Fischen nährt sich der Barsch von allen anderen Wasserthieren, welche er bezwingen zu können glaubt, in der Jugend von Würmern und Kerbthierlarven, später von Krebsen und Lurchen, zuletzt sogar von kleinen Säugethieren, Wasserratten z.B. Seine Raublust und Freßgier ist so groß, daß sie ihm den Namen »Anbeiß« verschafft hat, weil er nach jedem Köder schnappt, auch nicht durch den vor seinen Augen geschehenden Fang seiner Kameraden gewitzigt wird. Gefangene und in ein Wasserbecken gebrachte Barsche nehmen schon wenige Tage später Würmer aus der Hand ihres Pflegers und werden bald bis zu einem gewissen Grade zahm.

Im dritten Jahre seines Alters wird der Barsch fortpflanzungsfähig. Er hat dann ungefähr funfzehn Centimeter an Länge erreicht. Seine Laichzeit, welche je nach der Lage des Wohngewässers, dessen Wärmehaltigkeit und ebenso nach der herrschenden Witterung einigermaßen schwanken kann, fällt in der Regel in die Monate März, April und Mai; einzelne laichen vielleicht auch schon im Februar, andere noch im Juni oder Juli. Die Roggener suchen sich zum Laichen harte Gegenstände, Steine, Holzstücke oder auch Rohr aus, um an ihnen den Laich auszupressen und die Eier an gedachten Gegenständen anzuhängen. Der Laich geht in Schnüren ab, welche netzartig unter einander verklebt und oft einen bis zwei Meter lang sind. Die Eier haben die Größe von Mohnsamen; trotzdem wiegt der Roggen größerer Weibchen von einem Kilogramm Gewicht zweihundert Gramm und darüber, und die Anzahl der Eier beträgt dann gegen dreimalhunderttausend. Harmers will schon von einem halbpfündigen Fische zweimalhunderttausend Stück gezählt oder berechnet haben. Wasservögel und Fische fressen viele von ihnen; auch sind übereinstimmenden Angaben aufmerksamer Beobachter zufolge in manchen Gegenden die Milchner in auffallender Minderzahl vorhanden; es kann also nur ein verhältnismäßig geringer Theil der Eier befruchtet werden. Hierin sind die Gründe zu suchen, daß der Barsch sich nicht in ungleich größerer Menge vermehrt, als es wirklich der Fall.

Außer dem Hechte hat der Barsch noch im Fischotter, dem Fischadler, in Reihern und Störchen, auch wohl in Lachsen und anderen Raubfischen gefährliche Feinde. Kaum weniger verderblich wird ihm ein kleines Krustenthier, eine sogenannte Fischlaus, welche sich in dem zarten Gewebe seiner Kiemen einnistet und diese schließlich zerstört. Außerdem hat man sieben verschiedene Arten von Eingeweidewürmern in ihm gefunden.

Alle angehenden Angler haben an dem Barsche ihre wahre Freude, weil er es ist, welcher auch ihre Ungeschicktheit oft mit Erfolg krönt. Da, wo er häufig vorkommt, kann man mit der Angel guten Fang thun; in beträchtlicherer Anzahl erbeutet man ihn mit einem nach ihm benannten Netze oder größeren Garne. Weil er außerhalb des Wassers längere Zeit ausdauert, läßt er sich weit versenden, falls er nur unterwegs von Zeit zu Zeit einmal eingetaucht wird; auch hält er sich Tage [36] und Wochen im engen Fischkasten, gehört also zu den für die Fischer handlichsten Arten seiner Klasse. Das Kilogramm seines schmackhaften Fleisches findet zu vierzig Pfennigen bis zwei Mark willige Käufer. Die jüngeren Fische, welche zum Essen nicht geschätzt werden, lassen sich anderweitig verwenden, da man aus der Haut einen der Hausenblase ähnlichen, sehr haltbaren Leim bereiten und die Schuppen zu weiblichen Arbeiten verwenden kann; die älteren dagegen gelten auch in unserer Zeit als sehr wohlschmeckend, obgleich wir Ausonius wohl kaum beistimmen, welcher singt:


»Dein will ich gedenken, o Barsch, du Freude der Tafel,

Unter den Flußerzeugeten du Seefischen vergleichbar.

Einzig des Wettstreits fähig mit röthlichen Barben des Meeres.«


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 34-37.
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