Schrätzer (Acerina Schraetser)

[41] Eine zweite, in der Lebensweise mit dem Kaulbarsch übereinstimmende, jedoch auf das Donaugebiet beschränkte Art, der Schrätzer, Schrätzen, Schrätzel, Schratz, Schratzl (Acerina Schraetser und Schraitser, Perca Schraetser, Gymnocephalus Schraetser, Holocentrus Schraizer), unterscheidet sich durch seinen langgestreckten Leib, die verlängerte Schnauze und die fast die ganze Länge des Rückens einnehmende Flosse wie durch die citrongelbe Grundfarbe der Seiten, längs derer drei bis vier schwärzliche Linien verlaufen. In der Rückenflosse zählt man achtzehn bis neunzehn harte, stachelige, zwölf bis dreizehn weiche, in der Brustflosse dreizehn bis vierzehn, in der Bauchflosse einen und fünf, in der Afterflosse zwei und sechs bis sieben, in der Schwanzflosse siebzehn Strahlen. In der Größe übertrifft der Schrätzer oder Schratzen seinen Verwandten um ein beträchtliches. Das Gewicht kann zweihundertundfunfzig Gramm betragen.

Der Kaulbarsch verbreitet sich über Mittel-, West-und Nordeuropa, kommt auch, und zwar überaus häufig, in Sibirien vor. In Deutschland fehlt er keinem größeren Flusse oder süßen Gewässer überhaupt; nur den Oberrhein bewohnt er nicht, weil ihm der Rheinfall stromaufwärts eine Grenze setzt; auch in anderen Alpengewässern ist er selten. Seine Lebensweise ähnelt der des Flußbarsches. Er zieht klare, tiefe Seen den fließenden, seichteren Gewässern vor, besucht aber letztere während der Laichzeit im April und Mai und wandert dann gewöhnlich truppweise, während er sich sonst mehr einzeln hält. In den Flüssen und Bächen verweilt er bis gegen den Herbst hin; zum Aufenthalte im Winter aber wählt er sich tiefere Gewässer und kehrt deshalb [41] gewöhnlich wieder zu seinen Seen zurück. Seine Nahrung besteht aus kleinen Fischen, Würmern und Kerfen; nach der Angabe eines erfahrenen Fischers, welche Heckel und Kner zu der ihrigen machen, frißt er übrigens auch Gras und Ried. Der Laich wird auf Steinen abgesetzt.

Den Fang betreibt man mit einer durch Regenwürmer geköderten Angel und mit feinmaschigen Netzen, in der Regel während des Sommers, in gewissen Seen jedoch umgekehrt vorzugsweise im Winter. So erzählt Klein, daß man einmal im Frischen Haff bei Danzig unter dem Eise ungemein viele Kaulbarsche und kleine Lachse gefangen und siebenhundertundachtzig Tonnen mit ihnen angefüllt habe. Die Eigenthümlichkeit des Kaulbarsches, durch lautes Geräusch sich herbeilocken zu lassen, wird, laut Beerbohm, von den Fischern des Kurischen Haffs zu seinem Fange verwerthet, indem man zuerst eine gewisse Anzahl von Stecknetzen in verschiedener Richtung aussteckt und sodann in der Nähe der Netze mittels einer langen, bis auf den Grund herabreichenden Stange, an welcher an einem Gestelle mehrere eiserne Ringe befestigt sind, möglichst starkes Geräusch verursacht. Auf dieses hin sollen die Kaulbarsche in so großer Menge herbeikommen, daß zuweilen fast in jeder Masche der Netze einer von ihnen gefangen wird. In Neuvorpommern und auf Rügen ist der Fisch, welcher vielfach auch als Köder benutzt wird, infolge schonungsloser Nachstellung fast verschwunden, auch in anderen Theilen Deutschlands recht selten geworden; überaus häufig dagegen lebt er noch gegenwärtig in den Strömen Westsibiriens. Das Fleisch steht nicht hoch im Preise, da das Kilogramm zuweilen nur zehn Pfennige und höchstens eine Mark werthet, wird jedoch geschätzt, weil es für ebenso schmackhaft wie gesund gilt.

Der Kaulbarsch empfiehlt sich für die Teichwirtschaft. Seine Vermehrung ist zwar nicht sehr bedeutend und sein Wachsthum langsam; seine Genügsamkeit, Unschädlichkeit und Zählebigkeit machen ihn trotzdem für die Zucht in hohem Grade geeignet.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 41-42.
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