Häringshai (Lamna cornubia)

[373] »Dieses ist auch ein sehr grosser fisch, also dz er zu zeiten von zweyen pferden hart auff einem wagen gezogen mag werden, die mittelmessigen kommen auf tausend pfund, hat einen gantz breiten kopff vnd rücken, welches Plinium verursacht hat, daß er jn vnter die Flachfisch gezehlet hat, wirt bedeckt mit einer rauchen Haut gleich einer Feilen, vnter welcher etwas feißte ist, hat ein gar weiten schlauch, scharpffe, harte, dreyeckichte Zän zu beyden seiten als ein sage, welcher sechs ordnungen sind, die eusserste ordnung krümmt sich ausser dem maul, die ander ist aufrecht, die dritte, vierte, fünfte, sechste gegen den schlauch hinein gekrümpt, hat ein vberauß weiten schlauch, maul, halß vnd magen, hat grosser runde augen« usw. Mit diesen Worten beschreibt Geßner sehr richtig den Häringshai (Lamna cornubia, Squalus cornubicus, nasus, monensis, selanonus, lamia und Pennantii, Isurus cornubicus, Carcharinus lamia, Selanonius Walkeri), Vertreter der Sippe der Nasenhaie (Lamna) und einer Familie (Lamnidae), welche wir Walhaie nennen, weil sie in der Gestalt sowohl wie in ihrem Wesen an gewisse Delfine erinnern. Treffender noch würde man Walhaie, von denen man gegen zehn Arten beschrieben hat, mit Tunfischen vergleichen; diesen, ihrer bevorzugten Beute, kommen sie in den äußeren Umrissen ihres Leibes und bis zu einem gewissen Grade auch in der Stellung der Flossen sehr nahe. Sie haben zwei stachellose Rückenflossen, eine Afterflosse, große Spritzlöcher, weite, vor den Brustflossen gelegene Kiemenspalten, eine lange, vorgestreckte Schnauze, ein ungeheueres Maul und zungenförmige, ungesägte, zuweilen mit Nebenspitzen versehene Zähne mit verzweigten Markröhren, welche im Inneren des Zahnes Netze bilden.

Der Häringshai erreicht eine bedeutende Größe, drei bis vier Meter nämlich, vielleicht noch mehr, und wächst sehr rasch; wenigstens nimmt dies Couch an, weil er fand, daß bei bereits sehr großen erst die zweite Zahnreihe in Thätigkeit gekommen war. Die Haut ist glatt, ihre Färbung ein gleichmäßiges Grauschwarz, welches auf der Unterseite, wie gewöhnlich, in Weiß übergeht; am Vordertheile der Schnauze bis gegen die Augen hin verläuft ein aus Punktflecken gebildetes Band; hinter den Augen stehen dunklere Punkte und vor den Nasenlöchern dreieckige dunkle Flecke; die Augen haben eine dunkelblaue Regenbogenhaut.

Auch dieser Hai herbergt vorzugsweise im Mittelländischen Meere und kommt nur gelegentlich, obschon keineswegs selten, bis zu den südlichen Küsten Englands herauf. Nach den Versicherungen der Beobachter gehört er zu den geselligsten, lebhaftesten und gefräßigsten Haien überhaupt. Bei den englischen Fischern heißt er »Tümmlerhai« oder »Delfinshund«, weil er, wie diese Wale zu kleinen Trupps vereinigt, seine Beute verfolgt und, von ferne gesehen, unter solchen Umständen sehr an die Tümmler erinnert. Mit wüthender Gier fällt er alle Fische an, welche er erreichen kann; Couch fand die Ueberreste von Knorpelfischen, Tintenfischen und Meerhechten in seinem Magen. Barron sah ihn Tune und ihre Verwandten, überhaupt große Makrelen verfolgen, Risso einen Schwertfisch zerreißen, welcher so groß war wie der Mörder selbst. Die Paarungszeit fällt in den August und steigert den Muth und die Raubgier des Fisches noch beträchtlich. Daß er mit Menschen ebensowenig Umstände macht wie andere seiner Familienverwandten, läßt sich erwarten; deshalb braucht man jedoch noch keineswegs anzunehmen, daß nun gerade er es gewesen sein soll, »so Jonam den Propheten verschluckt, vnd am dritten tag widerumb an das gestad herauß geworfen hat«.

[373] Das Fleisch des Häringshaies soll besser sein als das seiner Verwandten und, im Mittelmeere wenigstens, wirklich geschätzt werden. Möglich, daß er diejenige Art ist, deren schon die alten Römer als in Rom beliebten Nahrungsfisches gedenken. Rondelet spricht sich weitläufig darüber aus, und Geßner gibt das von ihm gesagte in seiner Weise: »Ein fressig, Fleischfressig, Menschenfressig thier ist dieser Fisch, welchs die tägliche erfahrung bezeugt, hat ein weiß fleisch, nit sehr hart, auch nit eines so gar scheußlichen geruchs oder geschmacks, auß der vrsach wirdt es mehr gepriesen, dann aller ander Meerhunden fleisch, es ist auch nit darumb ein abscheuhen von solchem fisch zu haben, daß er Menschen frißt, dann auch etliche andere kleinere fisch, so zu der speiß in hoher Würde gehalten werden, halten nach dem Menschenfleisch«. Daß auch die Quacksalberei der Alten sich gewisser Theile dieses Haies bemächtigt, wird nicht Wunder nehmen. Die Goldschmiede faßten die Zähne des Nasenhaies unter dem Namen Schlangenzungen in Silber, und die Mütter hingen sie ihren Kindern um den Hals, weil sie das Zahnen erleichtern und die Krämpfe vertreiben sollten. Auch fertigte man aus ihnen ein Zahnpulver, von welchem man bestimmt annahm, daß es die Zähne ganz weiß erhalte.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 373-374.
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