Sägefisch (Pristis antiquorum)

[381] Die innige Verwandtschaft, welche zwischen den Haifischen und Rochen besteht, beweist nicht bloß der Meerengel, welchen man einen Haifisch in Rochengestalt nennen könnte, sondern auch der Sägefisch (Pristis antiquorum, serra, granulosa und canaliculata, Pristibatis antiquorum), [381] ein Roche in Haifischgestalt und Vertreter einer gleichnamigen, nur fünf bekannte Arten umfassenden Sippe (Pristis) und Familie (Pristidae). Den verlängerten, vorne abgeplatteten Leib, die lange Schnauze und die Stellung der Flossen hat dieser Roche mit den Haifischen gemein, während er seine Verwandtschaft mit den Rochen durch das breite, quer unter der Schnauze liegende Maul und das aus Pflasterzähnen bestehende Gebiß bekundet. Ihm eigenthümlich ist die Verlängerung der Oberschnauze, welche in ein langes, schmales, seitlich mit eingekeilten Zähnen bewehrtes Blatt, die Säge, ausgezogen ist und gleichsam die Schnauzenknorpel anderer Quermäuler in ihrer höchsten Vollendung darstellt. Zwei kleine, durch einen Kolben verschließbare Athemlöcher stehen hinter den Augen; die Afterflosse fehlt. Die Länge schwankt zwischen vier bis fünf Meter, wovon die Säge ungefähr den dritten Theil wegnimmt; die Färbung der rauhen Haut ist ein ziemlich gleichmäßiges Braungrau, welches auf der Unterseite lichter wird.

Der Sägefisch hat eine sehr weite Verbreitung: man will ihn fast in allen Meeren beider Halbkugeln, vom Gleicher an bis gegen die Pole hin, gefunden haben. Besonders zahlreich tritt er im Mittelländischen Meere auf.

Ueber die Lebensweise sind wir noch heutigen Tages nur dürftig unterrichtet; denn die vielen Geschichten, welche von der Wildheit und Blutgier des Sägefisches erzählt werden, müssen mit Vorsicht aufgenommen werden. Er soll einer der wüthendsten Feinde der Wale sein, sie von unten angreifen, mit seiner gewaltigen Waffe ihnen den Bauch aufreißen und zerschneiden, unter fürchterlichen Schlägen und Toben im Wasser stundenlang kämpfen und die Walstatt erst verlassen, wenn er den Feind erlegt oder im Kampfe seine Waffe verloren. Die Walfischfänger sollen einem derartigen Schauspiele von fern zusehen und ruhig warten, bis der Kampf vorüber; denn der Sägefisch soll nur die Zunge seines Feindes fressen und das übrige liegen lassen. So berichtet Martens, der schon mehrfach genannte Hamburger Bürgermeister, von dessen reger Einbildungskraft uns die Geschichte des Härings überzeugt hat. Die Stellung des Maules und das Gebiß deuten weit eher als auf derartige Kämpfe darauf hin, daß der Sägefisch nach Art anderer Rochen nahe am Boden lebt und hier auf kleine Fische, Krebse, Weichthiere und dergleichen jagt. Möglich, daß er manchmal mit dem Schwertfische verwechselt wurde, von welchem man, wie oben bemerkt, mit größerem Rechte ähnliche Dinge erzählt; möglich auch, daß er wirklich in blinder Wuth seine Säge in den Leib größerer Wale oder in den Rumpf von Fischen rennt.

Wie die meisten Ordnungsverwandten bringt auch der Sägefisch ausgetragene Junge zur Welt. Nach Bennetts Beobachtungen entwickelt sich bei diesen, noch ehe sie die Eihülle im Mutterleibe sprengen, die Säge sammt den Zähnen, erhält jedoch erst geraume Zeit nach der Geburt Härte und Schärfe. Bis dahin ernährt den jungen Fisch der ihm anhängende große Dottersack.

Das Fleisch ist hart und unschmackhaft, wird daher auch nur im Nothfalle gegessen. Die Haut findet dieselbe Verwendung wie die der Haie. Der Säge soll man Heilkräfte zuschreiben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 381-382.
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