Asilus cyanurus

[460] Die asilusartigen Raubfliegen endlich unterscheiden sich von den vorigen durch die Endborste des dritten Fühlergliedes. Die Fliegenkenner, wie ein Wiedemann, Macquart und Löw, [460] haben die vielen Hunderte von Arten, welche sich auf der Erde vertheilen, nach der Gestalt des Hinterleibes und dem Flügelgeäder, ob drei Unterrandzellen, nur zwei vorhanden, oder ob die zweite mit Aderanhang versehen oder ohne solchen ist, und nach ähnlichen, noch feineren Merkmalen in zahlreiche Gattungen geschieden. Die Raubfliegen im engeren Sinne (Asilus) haben mit den laphriaartigen die geschlossene Randzelle gemein, zeichnen sich aber aus durch zwei Unterrandzellen (Zelle 8 im Tipulidenflügel S. 442), indem sich die dritte Längsader gabelt, während die zweite keinen Aderanhang hat; ferner durch die nackte Fühlerborste oder, wie man sagen könnte, den »borstenartigen Griffel«, dessen erstes Glied viel kürzer als das zweite ist, und durch den Mangel der Enddornen an den Mittelschienen, während sonst die Beine an Stacheln und Haaren eher Ueberfluß haben. Es sind einige hundert Arten aus allen Welttheilen bekannt, von denen auf Europa allein an hundert kommen, fast alle von schlichtem, braungrauem Gewande. Am kenntlichsten macht sich durch ihre graugelbe Färbung die in ganz Europa bis tief nach Asien hinein verbreitete hornissenartige Raubfliege (Asilus crabroniformis); an Kopf, Schulterbeulen, einigen Rückenstriemen, den Beinen abwärts von den Schenkeln und den letzten Hinterleibsringen geht die Grundfarbe in reineres Gelb über, und an der Wurzel des Hinterleibes weicht sie einem braunen Sammetschwarz; auch die rostgelblichen Flügel haben an der Spitze und am Hinterrande einige dunklere Fleckchen. Die Art erscheint gegen andere arm an Haaren. Man trifft die in ihrer Länge zwischen 15 bis 24 Millimeter schwankende Art nicht selten an, wenn man an einem Stoppelfelde vorübergeht. Wenige Schritte vor unseren Füßen summt sie mit starkem Geräusche unerwartet in jähem Fluge auf, flach über den Boden hin und sucht Schutz vor etwaigen Angriffen an einer Stoppel mitten im Felde. Gegen Abend ruht sie gern an Baumstämmen. Ich traf einst eine an einem vereinzelten Weidenbüschchen eines Wiesenrandes an, die Krallen nahe bei einander, die Beine steif, die Spitze des Hinterleibes eingezogen und die Flügel platt auf den Rücken gelegt, hing sie da, eher einem todten als einem lebenden Wesen gleichend. Ich faßte sie, um mich zu überzeugen, ob noch Leben darin sei. Sofort drang aus der Leibesspitze, den Seiten und den Fußgelenken eine milchige, ekelhafte Flüssigkeit in feinen Tröpfchen heraus, was mich unwillkürlich veranlaßte, die unangenehm werdende Fliege, welche sich im übrigen kaum regte, in das Gras zu schleudern, was sie theilnahmlos über sich ergehen ließ. Ohne Gezappel und bissiges Wesen hatte sich der offenbar schlafende Räuber auf diese Weise seines Ruhestörers entledigt. Ueberall auf Buschwerk, auf Wegen, an sandigen Hängen oder Baumstämmen lungern die Arten nach Beute umher, haschen in sprungartigem Fluge nach ihr oder schmausen bereits, dieselbe zwischen den Vorderbeinen haltend. Von der Gefräßigkeit und Spinnennatur dieser Fliegen zeugt die Bemerkung: »das Weibchen hat nach der Begattung das Männchen getödtet und ausgesogen«, welche unter einem Pärchen von Asilus cyanurus in von Heydens Sammlung nach Jänicke's Mittheilung zu lesen ist.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 460-461.
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