Blinde Bienenlaus (Braula coeca)

[485] Die verschiedenen besprochenen Sonderbarkeiten finden sich am auffallendsten bei der flügel-, schwinger-und augenlosen Bienenlaus (Braula coeca), welche auf der Honigbiene schmarotzt und mit der ersten Larvenform der Maiwurmkäfer (Meloë) nicht verwechselt werden darf. Ihr Kopf ist deutlich vom Bruststücke getrennt, senkrecht, dreieckig, mit feinen gelblichen Börstchen bedeckt, das Untergesicht von der Stirn durch eine dunklere, wenig erhabene Kante getrennt, in der Mitte mit einer schwachen Linie bezeichnet, unten tief ausgeschnitten. Hier liegt das hornige, halbmondförmige Kopfschild, beiderseits, etwas nach unten, die kurzen, kolbigen Taster und zwischen ihnen der kurze, häutige Rüssel: die von den Kinnladen röhrig eingeschlossene Oberlippe. Genau da, wo bei anderen Fliegen die Augen stehen, finden sich zwei große Gruben, in welche die dreigliederigen Fühler bis zum beinahe kugeligen, eine gefiederte Rückenborste tragenden Endgliede versenkt sind. Die drei Brustringe verschmelzen zu einem gemeinschaftlichen kurzen Mittelleibe, welcher vorn kaum breiter als der Kopf wird, nach hinten sich aber schwach erweitert und kein Schildchen unterscheiden läßt; an seiner Unterseite treten die Hüften näher zusammen, als bei den übrigen Pupiparen. Die Beine unterscheiden sich wenig von einander, auch nicht in der Länge, bestehen aus dicken Schenkeln, etwas gebogenen Schienen, fünf Fußgliedern, deren vier erste quer, das fünfte stark erweitert ist und an seinem Vorderrande etwa dreißig borstenartige Zähnchen trägt, welche sich zu einem Kamme aneinander reihen und eingeschlagen werden können; sie vertreten die Stelle der Klauen. Vor ihnen, also der Außenseite des letzten Fußgliedes angeheftet, sitzen noch zwei dünngestielte, kolbige Hauptläppchen mit Drüsenhärchen. Der Hinterleib endlich wölbt sich hoch eiförmig, gibt in der Mitte dem ganzen Thiere seine bedeutendste Breite und wird von fünf Ringen zusammengesetzt. Der Körper ist mit Ausschluß der honiggelben Fühler glänzend rothbraun, hart und 1,5 Millimeter lang.

Das eben beschriebene Thierchen lebt meist einzeln auf Honigbienen, Arbeitern, Drohnen, am liebsten jedoch, wie es scheint, auf der Königin, welche manchmal von größeren Mengen bewohnt wird und bald wieder aufs neue damit besetzt gewesen sein soll, nachdem man die alten entfernt hatte. Die Bienenlaus wählt das Rückenschild zu ihrem Tummel- und Weideplatze, wandert bisweilen auch bei der nahen Berührung, welcher die Bienen im Stocke ausgesetzt sind, von einer zur anderen über. Wenn sie sich mit dem Rüssel dort festgesogen, sitzt sie stundenlang auf einem Flecke, entfernt von ihrem Wirte stirbt sie nach einigen Stunden, und nur die jungen, eben aus der Puppe entschlüften Bienenläuse besitzen mehr Lebenszähigkeit, weil sich ihnen nicht immer gleich die Gelegenheit bietet, eine Biene zu besteigen. Da nämlich das Weibchen, welches in seinem doppelten Eierstocke nur vier Keime birgt, die von seiner Milchdrüse im Inneren gesättigte, reife Larve fallen läßt, diese mithin für gewöhnlich auf den Boden des Stockes, mitunter auch ins Freie gelangt: so muß der vollkommene Kerf die zufällige Annäherung einer Biene erwarten. Bei der Geburt ist die Larve weiß und weich, verhärtet aber und dunkelt nach kurzer Zeit, so daß man nachher ein elfgliederiges Tönnchen vor sich zu haben meint, wenn man es unter dem Mikroskope betrachtet. Ungefähr vierzehn Tage später hat die Fliege ihre Ausbildung erlangt. Man kennt bisher nur diese einzige Art, die in ganz Deutschland, Frankreich und Italien vorkommt, in Rußland, mit Ausnahme der Ostseeprovinzen, noch nicht beobachtet zu sein scheint.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 485.
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