Polnische Kochenille (Porphyrophora polonica)

[579] Schon lange vor Einführung der amerikanischen Kochenille kannte man in Europa die polnische Kochenille, das Johannisblut (Porphyrophora polonica), ebenfalls eine Schildlaus, welche um Johannis gesammelt wurde, darum eben und wegen ihrer rothen Körperfarbe letzteren Namen bekam. Sie lebt an der Wurzel einiger allgemein verbreiteter, Sandboden liebender Pflänzchen, besonders des Knäuels (Scleranthus perennis), des Bruchkrautes (Herniaria glabra), Glaskrautes (Parietaria) und anderer mehr, und findet sich bei Dresden, in der Mark Brandenburg, in Mecklenburg, Pommern, Schweden, Preußen, Polen, Rußland, Ungarn und anderwärts. Das rothe Männchen hat neungliederige, schnurförmige Fühler, körnige Augen, einfache Krallen, am Vorderrande bis über die Mitte haarige Flügel, kurze Schwinger hinter denselben und endet in einen langen Fadenschopf. Dem halbkugeligen Weibchen von 2,25 bis 3,37 Millimeter Länge kommen kurze, achtgliederige Fühler und gleichfalls nur eine Kralle an jedem Fuße zu, aber breite Vorderbeine. Beide Geschlechter werden im Larvenstande von einer dünnen, kugeligen Hauthülle umschlossen, in welcher sie unbeweglich, den Schnabel in die Wurzel der Futterpflanze eingebohrt, festsitzen. Nach vierzehn Tagen reißt die Haut, die kleinere männliche vor der weiblichen, und aus [579] letzterer kommt das reife Weibchen hervor; aus der anderen das Männchen noch als Larve. Diese umgibt sich alsbald mit einer wolligen Masse, wird in derselben zu einer ruhenden Puppe und diese entläßt erst vierzehn Tage später das eben beschriebene Wesen. Ehe man die bedeutend bessere und billigere echte Kochenille kannte, bildeten die polnischen, in den slawischen Ländern von den Weibern und Kindern der Leibeigenen gesammelten Scharlachkörner einen nicht unbedeutenden Handelsartikel und sollen einem polnischen Könige nur an Abgaben für den Zoll sechstausend Gulden eingetragen haben; aus Podolien allein sollen jährlich eintausend Pfund, jedes zu einem Werthe von acht bis zehn polnischen Gulden, ausgeführt worden sein.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 579-580.
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