[468] Nehmen die Quallen unser ästhetisches Interesse in Anspruch und beschäftigen die verschlungenen Wege ihrer Entwickelung den ernsteren Forscher, so ist das Heer der Polypen, in den Grundzügen des Baues jenen eng angereiht, die Phantasie weit mächtiger zu erregen geeignet und uns in Staunen zu versetzen über die ungeheuere Macht des Kleinen, wo es den Wahlspruch verkörpert: Viribus unitis – Mit vereinten Kräften!

Eine liebliche Augenweide, kommen und gehen die Quallen mit den Wellen und Strömungen. Nach kurzem, wohl selten über ein Jahr währendem Leben lösen sie sich zum allgemeinen Kreislaufe der Atome wieder auf, dem Auge keine andere Spur hinterlassend, als die zahlreiche heranwachsende Brut. Auch unter den Polypen finden wir Sippen, deren Generationen hinschwinden, gleich jenen. Aber um so zahlreicher sind die anderen, welche sich von den ersten Zeiten ihres Auftretens durch alle Perioden der Bildung der Erdrinde hindurch Denkmäler aufgebaut haben, gegen die alle von Menschenhand zusammengetragenen Pyramiden in nichts verschwinden. Ihre Bauten machen einen großen Theil des Festlandes aus. Indem ihre Lebensthätigkeit von den gewaltigen, im Erdinneren sich entwickelnden Kräften beeinflußt wird, die sich uns als Hebungen und Senkungen an der Oberfläche bemerklich machen, steigen Riffe und Koralleninseln hier empor, dort tauchen sie unter. Wo die Korallenthiere, diese wichtigsten Mitglieder der Polypenklasse, sich ansiedeln, folgt eine Reihe von Wirkungen, welche fast alles an Großartigkeit des Aufbaues und Schaffens hinter sich lassen, was sonst von thierischem Leben verursacht wird. Verschwindend klein in den Anfängen, nur dem Mikroskope sich erschließend, wird die Niederlassung bald der Anziehungspunkt unendlich mannigfaltigen Lebens, bis der Mensch von dem neugeschaffenen Boden Besitz nimmt.

So greift das Leben der Polypen in das Völkerleben ein, das Unbewußte in das Bewußtsein; Grund genug, um diese Thiere einer eingehenden Untersuchung und Schilderung zu unterziehen.

Fast zwei Jahrtausende hat es bedurft, ehe man sich von der Zusammengehörigkeit der eigentlichen Korallenthiere mit den großen, schon dem Aristoteles und seinen Zeitgenossen als Thiere bekannten Seeanemonen oder Actinien überzeugte. Griechen und Römer sahen, wie uns Ovid berichtet, in den Korallenthieren Blumen, welche im Augenblicke, wo man sie aus dem Wasser nimmt, versteinern, seit Perseus das Haupt der getödteten Gorgo Medusa, deren Anblick in Stein verwandelte, auf ihnen gelagert. In seinen »Verwandlungen« heißt es:


Sic et Curalium, quo primum contigit auras

Tempore, durescit: mollis fuit herba sub undis.


So auch wird die Koralle, sobald sie die Lüfte berühret,

Plötzlich zu Stein, ein weiches Gewächs noch eben im Wasser.


Wie wenig sich die Ansicht, daß man es mit Seepflanzen, auch steinernen Bäumen (Lithodendra), zu thun habe, bis 1630 geändert, geht aus einer Reisebeschreibung aus jenem Jahre von Monconny hervor. Die bezügliche Stelle ist von Ehrenberg in seiner bekannten [468] grundlegenden Arbeit über die Natur und Bildung der Korallenbänke des Rothen Meeres (1832) mitgetheilt und lautet: »Nach der Mahlzeit fischten wir die Art von oben beschriebenen versteinerten Pilzlingen, Muscheln und allerhand Bäumchen in dem Rothen Meere, die man da an langen Orten in Menge findet, weil das Meer daselbst so seichte ist, daß man, als wie in einem Brunnen, alles, was auf dem Grunde liegt, ganz deutlich sehen kann. Und ist der Grund mit unzähligen solchen Kräutern und dergleichen von allerhand Farben angefüllt, die aber von ferne wie Purpur scheinen, wessentwegen ich auch erachte, daß das Meer den Namen des Rothen Meeres bekommen habe.

Ich war so curieux und stieg selber hinab auf eine Meile Weges weit an dem Strande und hatte ein paar Stunden lang das Vergnügen, eine große Menge von solchen Bäumchen, Schwämmen und Muscheln zusammenzulesen. Die Schwämme sind hart und an den Sand angewachsen, mit den Füßen habe ich keine fühlen können, so sehr ich mich auch bemühete, und die man auffischte, sind roth und hart. Damit sie aber weiß werden, legt man sie aus Ufer, da sie von den Wellen abgespült und von der Sonne getrocknet werden und sich also bleichen. Wenn diese Bäumchen noch unvollkommen oder noch nicht reif sind, so gleichen einige den feuchten Schwämmen, welche an den alten Bäumen wachsen, etliche aber den gekörnten Füßen einer Meerspinne, sind weich und so voll Wasser, daß man sie wie einen feuchten Schwamm ausdrücken kann; und da haben sie allerhand Farben: blau, violett, grau, braun, grün, weiß, welches wunderartig anzusehen«.

Ehrenberg meint, daß der alte Reisende nur die harten Korallen selbst beobachtet, dagegen die Nachricht von dem anfänglich weichen Zustande aus den Erzählungen der ihn begleitenden Araber aufgenommen habe. Ich möchte aber an ein Zusammenwerfen der Korallen mit wirklichen Seeschwämmen denken, die in bunter Menge zwischen den Korallen vorkommen und von denen sich viele gerade so ausdrücken lassen, wie es oben beschrieben ist. Nach zu Anfange des vorigen Jahrhunderts, im Jahre 1706, behauptete der Graf Marsigli, zur Bewunderung seiner Zeitgenossen, durch Beobachtung ermittelt zu haben, daß die Edelkoralle eine wirkliche Pflanze sei, welche einen Milchsaft in der Rinde führe, Blüten und Früchte trage. Um diese Behauptung bekannt zu machen, gab er 1725 das prachtvolle Kupferwerk heraus, welches den Titel führt: Histoire physique de la mer. Aber kurz zuvor, 1723, stellte der Arzt und Naturforscher André de Peyssonel an der berberischen Küste seine, für die Auffassung der Korallen epochemachenden Untersuchungen an, beobachtete in Aquarien und kam zur Ueberzeugung, daß die vermeintlichen Korallenblumen kleine Thierchen seien, von derselben Beschaffenheit wie die Actinien. Er wendete sich mit seiner Entdeckung an die berühmtesten Mitglieder der Pariser Akademie, wurde aber sehr kühl aufgenommen und Réaumur glaubte sogar, aus zarter Rücksicht den Namen Peyssonels verschweigen zu müssen. Derselbe verallgemeinerte auf einer Reise nach Guadeloupe seine Untersuchungen, und nachdem man seine Ansichten zuerst in England gut geheißen, machten sie sich auch nach und nach im Vaterlande geltend.

Am wichtigsten wurde aber das Interesse für unsere Thierchen geweckt, als die Forster, Vater und Sohn, mit Cook die Welt der Südseeinseln entdeckten, und der Antheil der Polypen an dem Aufbau derselben offenbar wurde. An die entzückenden Schilderungen der Eilande und des vermeintlichen paradiesischen Zustandes ihrer Bewohner reihte sich der Versuch, die Entstehung der Riffe und Inseln aus der Thätigkeit der Korallenthiere zu erklären. Wir werden weiter unten hierüber berichten. Aber man erfuhr wenig von den Einzelheiten, von den Gattungen und Arten, bis durch Ehrenbergs Untersuchungen der Korallenriffe des Rothen Meeres und ihrer Erbauer eine Grundlage für die Systematik der Blumenthiere (Anthozoa) gegeben wurde.

Obschon wir nochmals auf die Schilderung Haeckels über den Anblick der Korallenbänke des Rothen Meeres zurückkommen werden, so will ich doch schon hier Ehrenberg von dem Totaleindrucke erzählen lassen, den das Leben der Korallenbänke macht. Es ist ein Gesammtbild, welches zum Studium der Einzelheiten treibt, wenn wir uns damit auch einige Wiederholungen gestatten.

»Die Korallenthiere, von denen die bekannte, als Schmuck dienende edle Koralle nur Eine Form und der unbedeutendste Theil ist, sind nicht bloß für Naturbeschreibung und Naturgeschichte [469] im engeren Sinne merkwürdig, sie gehören zu den zahlreichsten, auffallendsten, unbekanntesten und am einflußreichsten erscheinenden Formen des organischen Lebens. Mit Schalthieren zusammengeschichtet bilden die durch sie erzeugten Kalkmassen bald hohe Gebirge, bald den Boden weit ausgedehnter Landstrecken, und ihre fossilen Ueberreste dienen dem aufmerksamen Geognosten als Anzeigen für Veränderungen und Bildungs-Epochen der verschiedenen Theile der Erdrinde. Aber nur in ihrer Auflösung, todt und fragmentisch sind diese Spuren der Korallenthiere, deren Einfluß man in der Oryktognosie (Gesteins- und Gebirgskunde) bewundert und zu wichtigen Resultaten benutzt. Weit angenehmer überraschend ist die Erscheinung ihrer Formen dem Reisenden, welcher die Küsten des Südmeeres berührt und dieselben in ihren Wohnsitzen lebendig und ebenfalls in einer über alles herrschenden Verbreitung erblickt. Dort wetteifern die blumenförmigen Thiere der pflanzenartigen Korallenstöcke mit den prächtigsten Farben unserer schönsten Blumen, und hinderte nicht der Lichtreflex des Wassers die Uebersicht einer größeren Fläche unterhalb des Meeresspiegels, so würde die Masse des Schönfarbigen, Lebendigen, blumenartig Geformten, welches den flachen Meeresboden bekleidet, ganz das Bild geben, das uns an unseren Wiesen und Fluren zu ihrer Blütezeit erfreut, ja, es würde den, welcher die asiatischen Kirgisensteppen sah, an die Tulpenflor erinnern, die, in unabsehbarer Weite sich erstreckend, unter den günstigen Umständen ein zaubervolles und feenhaftes Gegenstück unserer lieblichen kleinen Gärten bilden.

Ob nun aber gleich eine solche Uebersicht über die Wiesen der Thierpflanzen, welche man gewöhnlich Korallenbänke nennt, nicht in dem Grade zu erlangen ist, wie wir sie an den Gärten und Wiesen der Luftpflanzen bis in weite Ferne hin erreichen, so werden doch auch solche Reisende, welche nicht gerade als Naturforscher speciell sich an dem Baue und den Gesetzen der Formen der organischen Wesen und deren belehrender Zusammenstellung und Vergleichung erfreuen, durch den Reichthum des Formenwechsels und durch die bald metallisch glänzenden, bald zarten und lieblichen Farben dieser lebendigen Blumen überrascht und begeistert. Wie die Bilder des Kaleidoskopes gehen vor dem Auge des am seichten Meeresufer hingehenden oder auf seinem Schiffe über das Korallenriff bei eintretender Windstille langsam hingleitenden Bewohners des Festlandes diese Bevölkerungen ihm ganz neuer Fluren vorüber. Es sieht Sträucher und Bäumchen auf und um scheinbar abgerundete Felsblöcke versammelt, welche, selbst in blendende metallische Farben gehüllt, einen anderen Charakter, als den der Felsmasse verrathen.

Glücklicher und genußreicher als der Wanderer an der Küste, wo die ungleiche Meereshöhe nur krüppelhafte Produkte dieser Art kümmerlich gedeihen läßt, erkennt der auf nicht allzugroßem Fahrzeug Schiffende während der Windstille diese Bürger eines neuen, ihm unbekannten Reiches auf den üppigen Korallenbänken des tieferen Meeres. Tausendfach angeregt und brennend vor Wißbegierde, steigt er endlich in die Schaluppe und bemüht sich, an einer seichten Stelle sich einiger der schönsten dieser Formen zu bemeistern, um sie näher zu betrachten. Das ihm behülfliche Schiffsvolk oder er selbst steigt aus in das Wasser, aber mit ihrem Auftreten auf den Korallenboden verschwindet allmählich um sie her die schöne Farbenpracht, welche diesen Boden soeben schmückte. Der strauchartige, blendend rosenrothe Gegenstand, welcher die Aufmerksamkeit und Phantasie des Reisenden soeben am lebhaftesten erregte, wird als ein brauner, unscheinbarer Körper in die Höhe gebracht, und es findet sich, daß das kurz vorher für das Auge so liebliche, weiche, bunte Gebilde ein harter, rauher, mit braunem, dünnem Schleime überzogener Kalktuff ist. Man glaubt, sich geirrt zu haben und wiederholt die Bemühungen und Versuche mit gleichem Erfolge, bis man sich überzeugt, daß hier eine Verwandlung stattfindet, die der Reisende je nach seiner Geistesbildung für Wunder und Zauberei, oder für eine merkwürdige, eines mühevollen und sorgfältigen Nachforschens werthe Naturerscheinung hält.«

Wir wollen Ehrenbergs Schilderung, welche uns die Mißgriffe des Alterthums als sehr verzeihlich erscheinen läßt, nicht weiter wiedergeben. Hat sie uns doch, hoffen wir, genugsam angeregt. Also Blumenthiere wurden die Polypen von dem Berliner Naturforscher benannt. [470] Der Name begreift sich von selbst für jeden, der nur einmal einen lebenden Polypen mit entfaltetem Kelche gesehen oder eine leidliche Abbildung mit einer Blume verglichen hat. Ehrenberg unterschied sie von den Moosthieren (s.S. 175), hielt aber doch diese beiden Gruppen für nahe verwandt. Von da an haben unsere Kenntnisse über Anatomie und Leben der Polypen und der Korallenbauten bis heute stetig sich vermehrt. Einer der größten Fortschritte geschah durch Darwin, der nach seiner berühmten Weltumsegelung eine neue Theorie der Koralleninseln aufstellte, welche in allen wesentlichen Punkten durch den Amerikaner Dana1 bestätigt worden ist. Indem wir in den obigen Zeilen die Wichtigkeit der Polypen vornehmlich mit dem Hinweise auf ihre Hartgebilde betonten, wird es sich natürlich um das Verständnis derselben, das heißt der Polypenstöcke handeln. Dazu ist eine Einsicht in den allgemeinen Körperbau nothwendig.


Entwickelungs-Zustände von Monoxenia Darwinii. Vergrößert.
Entwickelungs-Zustände von Monoxenia Darwinii. Vergrößert.

Wir wollen nochmals den schon einmal gegangenen Weg einschlagen und den Polypen sich vor unseren Augen entwickeln lassen, mit Benutzung neuester Arbeiten der trefflichen Beobachter Haeckel und Lacaze-Duthiers. Der erstere schildert uns die Entwickelung eines von ihm in dem Hafen von Tor an der arabischen Küste entdeckten kleinen Polypen, der Monoxenia Darwinii. Das 3 Millimeter lange Thier erscheint als vollkommen strahlig gebaut, indem sein am oberen Ende des Leibescylinders gelegener Mund von acht gefiederten Fühlern umstanden ist. Es haftet vermittels einer beweglichen, dem Munde entgegengesetzten Scheibe, der Fußscheibe, auf seiner Unterlage, und daß es keine harten Skelettheile, keinen Stock besitzt, zeigt die geschwungene, veränderliche Oberfläche. Wie es innen beschaffen ist, wird sich an Quer- und Längsschnitten herausstellen.

Der Beginn der Entwickelung zeigt sich in dem Verschwinden des Kernes der Eizelle (A), der gleich darauf wieder erscheint (B), um nun in fortgesetzter Theilung sich und die Zelle zu vervielfältigen (C, D, E). Man nennt diesen in der ganzen Thierwelt verbreiteten Vorgang die Furchung, und zwar läuft dieselbe in unserem Falle so einfach und so regelmäßig ab, daß das Ende derselben eine von einer einzigen Zellschicht umschlossene Hohlkugel ist (G). Jede Zelle sendet eine längere Wimper oder Geißel aus (F), vermittels welcher die Larve sich dreht und in der Leibesflüssigkeit [471] ihrer Mutter schwimmt. Es folgt nun eine Einstülpung der einen Hälfte der Kugel in die andere (H), die Bildung der Gastrula (I, K).


Entwickelungs-Zustände der Monoxenia. Vergrößert.
Entwickelungs-Zustände der Monoxenia. Vergrößert.

Das Wort hat in den letzten Jahren in der Zoologie eine große Bedeutung erlangt, seit der ausgezeichnete russische Naturforscher Kowalewsky diese Einstülpung als eine gemeinsame Stufe in der Bildungsgeschichte verschiedener, systematisch weit auseinander liegender Thierklassen kennen lehrte und Haeckel, die Beobachtungen und Betrachtungen jenes verallgemeinernd, das Wort »Gastrula« oder Sacklarve erfand. Er hat in einer Reihe von Specialarbeiten und in seinen allbekannten populären Schriften seine »Gasträa-Theorie« dargelegt und vertheidigt, die sich darin zuspitzt, daß alle Thiere, in deren Entwickelung ein »Gastrula-Zustand« auftritt, von einer längst untergegangenen Urform »Gastraea«, als der gemeinsamen Stammutter, herrührten. Die gesammten Entwickelungserscheinungen des Thierreiches drängen zu dieser oder einer ähnlichen Annahme. Jedenfalls ist durch Haeckels, im Zusammenhange und zur Begründung der Abstammungslehre, vorgetragene Gasträa-Theorie ein äußerst wirksamer Anstoß gegeben worden.

Die Gastrula der Monoxenia ist von den einfachsten Verhältnissen. Die Einstülpung ist eine vollständige; die Larve stellt einen Sack dar, dessen Wandung (Durchschnitt in Figur 1) aus zwei Zellenschichten oder Keimblättern besteht, der äußeren oder Ektoderm und der inneren, dem Entoderm. Der Uebergang der flachen Schüssel H in den Sack mit enger Mündung ist ohne weiteres klar. Es wird uns auch mit einem Male ein Licht über die Strukturverhältnisse der Coelenteraten aufgesteckt, wenn wir hören, daß in allen Abtheilungen dieses formenreichen Stammes die spätere Entwickelung von dieser oder einer ganz ähnlichen Larve ausgeht, daß das komplicirteste Höhlensystem, der ganze sogenannte Gastrovaskular-Apparat sich durch Ausweitungen und Aussenkungen aus dem so einfachen Gastrulamagen entwickelt. Bei diesen Umwandlungen erhält sich das Entoderm durch Zellenvermehrung als eine ununterbrochene, den Magen und seine Anhänge auskleidende Schicht und gibt das Ektoderm die Bestandtheile der Haut her. Auch spaltet sich gleich nach dem Ansetzen der Larve der Polypen oder dem Weiterwachsen der jungen Qualle vom Ektoderm, mitunter wohl auch vom inneren Blatte, ein mittleres, das Mesoderm ab, welches, theils zur Muskulatur, theils zur Bildung des Binde- und Füllgewebes verwendet wird. Aus solchem besteht die Hauptmasse des Schirmes der Scheibenquallen, und in und aus ihm entstehen jene Verkalkungen, die wir unten als die einfachen und zusammengesetzten Stöcke der Polypen näher kennen lernen werden.

Aber wir kehren zur Monoxenia und Haeckels Abbildungen derselben zurück. Obgleich uns die Beobachtungen über den Uebergang ihrer Gastrulalarve in den fertigen Zustand nicht vorliegen, kann ein Zweifel über die Art der Umwandlung nicht aufkommen, da lückenlose Beobachtungsreihen von Kowalewsky, Lacaze-Duthiers und anderen über andere Arten vorliegen. Die Larve heftet sich mit dem der Mundöffnung entgegengesetzten Pole irgendwo an, die Wimpern [472] verschwinden und nachdem durch eine abermalige Einstülpung des Vorderrandes nach der Längsaxe (L, a o) ein Mund- und Schlundraum sich gebildet (p) und gegen den Magen (g) abgegrenzt hat, erheben sich im Umkreise um den Mund die acht hohlen Fühler als Aussackungen der Leibeshöhle oder unmittelbare Fortsetzungen des Magens. Gleich allen übrigen Korallen pflanzt sich die Monoxenia periodisch durch Eier fort, welche in den Magenscheidewänden und auf den freien Rändern derselben entstehen und natürlich durch den Mund entleert werden müssen, wenn nicht, wie in unserem Beispiel, die Entwickelung in der Magenhöhle der Mutter abläuft. In der Regel sind die Polypenpersonen streng männlichen oder weiblichen Geschlechtes. Die Individuen, welche einen Stock bilden, sind entweder alle männlich oder alle weiblich, oder es finden sich Männchen mit Weibchen untermischt. Seltener ist das Vorkommen hermaphroditischer Personen.

In dieser Einfachheit ist die Monoxenia der Typus eines regelmäßig strahligen Polypen, eines echten Strahlthieres, wie es die meisten Polypen sind. Haeckel hat die gleichwerthigen Theilstücke eines Strahlthierkörpers, die im Kreise um die Axe geordnet sind, Antimeren oder Gegenstücke genannt. Sie haben im Strahlthiere dieselbe Bedeutung, welche den einzelnen Ringen eines Wurmes oder Insektes als den Folgestücken oder Metameren zufällt. Die Einfachheit und leichtere Verständlichkeit der Monoxenia und ihresgleichen beruht großentheils auf der gleichzeitigen und gleichmäßigen Entwickelung ihrer Antimeren und der beschränkten Anzahl derselben.


Monoxenia Darwinii. Vergrößert. L Längsschnitt, links durch ein Magenfach, rechts durch eine Scheidewand; M Querschnitt durch die Linie m n; N Querschnitt durch die Linie s b t; O die achtlippige Mundöffnung mit der Basis der Arme; a b c o Hauptaxe, p Schlundhöhle, g Magenhöhle, k Magenfächer, w radiale Septa oder Scheidewände der Magenfächer, e Eierhaufen, u Magenschnüre, f Muskel- und Bindegewebemasse.
Monoxenia Darwinii. Vergrößert. L Längsschnitt, links durch ein Magenfach, rechts durch eine Scheidewand; M Querschnitt durch die Linie m n; N Querschnitt durch die Linie s b t; O die achtlippige Mundöffnung mit der Basis der Arme; a b c o Hauptaxe, p Schlundhöhle, g Magenhöhle, k Magenfächer, w radiale Septa oder Scheidewände der Magenfächer, e Eierhaufen, u Magenschnüre, f Muskel- und Bindegewebemasse.

In allen diesen Fällen pflegt die Mundöffnung vollkommen kreisförmig zu sein. Nicht wenige Polypen werden aber in die Quere gezogen, ja einige fast fächerförmig zusammengedrückt, wobei der Mund eine Querspalte bildet. Es zeigt sich dann, daß entweder schon die erste Anlage der Fühler eine ungleichmäßige war, oder daß nach regelmäßigem Beginne des Wachsthums gewisse Antimeren nebst den zugehörigen Fühlern zurückbleiben oder den übrigen vorauseilen. Das betrifft vorzugsweise die Polypen mit zahlreichen und in mehreren Kreisen die Mundöffnung umgebenden Fühlern.

So bekannt nun auch seit einigen Jahrzehnten, besonders durch die Aquarien, diejenigen Polypen geworden sind, welche gleich der Monoxenia keine harten Theile absondern, nämlich die Actinien, so werden doch die meisten Leser mit dem Worte Polyp oder Korallenthier die Vorstellung des entweder dem Einzelthiere oder der Kolonie angehörigen Stockes verbinden. Wir haben daher das Verhältnis dieses Skelettes zu den Weichthieren im allgemeinen zu besprechen, um uns bei der systematischen Uebersicht darauf berufen zu können, und wir werden, um uns dies Verhältnis klar zu machen, in derselben Weise verfahren, wie oben (S. 221), wo es sich um die Erklärung des Schneckengehäuses handelte. Vergleichen wir also den Polypenstock mit dem Schneckengehäuse und [473] dem Skelett der Wirbelthiere. Wir wissen schon, daß alle Verhärtungen oder Skelettbildungen des Po lypenkörpers dem mittleren Blatte angehören, und schon damit ist ein wichtiger Unterschied zwischen dem Polypenstock und der Muschelschale oder dem Schneckenhause gegeben. Die Schneckenschale ist eine Ausscheidung, welche den sonst weichen Körper zwar umhüllt, mit ihm aber nur in einem sehr beschränkten Zusammenhange steht und nicht eigentlich zu den lebendigen, das heißt organisirten, mit Blut und Nerven versehenen Theilen des Thieres gehört. Es ist in der That nur ein zum Schutze dienendes Haus, welches über der Haut liegt. Die festen Theile der Polypen bilden aber kein Haus in diesem Sinne, sondern sind ganz eigentliche Theile des Korallenthieres, sie sind wie die Knochen belebt, empfindlich, organisirt. Die Knochen der höheren Thiere hält niemand für bloße Ausscheidungen, die damit einen gewissen Gegensatz zum übrigen Körper bildeten. Man weiß vielmehr allgemein, daß die Knochen sehr empfindliche organische Bestandtheile des Körpers sind, daß in ihnen Adern und Nerven verlaufen. Ein Hauptkennzeichen, daß sie gleich den Muskeln oder Nerven nur eine besondere Gattung von sogenanntem Körpergewebe sind, besteht darin, daß sie gerade so wie jene wachsen. Die Knochen des Ochsen sind nicht dieselben wie die des Kalbes, ihr Stoff ist wiederholt ausgewechselt worden. Das Lebendigsein des Skelettes ist der »Stoffwechsel«, während das Schneckenhaus eine todte Absonderung bleibt, an der nur alljährlich neues Material auf- und abgelagert wird. Das Wort »Stoffwechsel« ist uns ein bekannter Klang. Jedes einzelne Organ befindet sich wohl, wenn in ihm der Stoffwechsel in Richtigkeit ist; Krankheit ist in den meisten Fällen gestörter Stoffwechsel. Wenn wir daher sagen, daß die untere Hälfte des Korallenthieres, auch wenn sie erhärtet oder zum Stocke wird, dennoch vollständig am Stoffwechsel theilnimmt, so ist damit die Natur dieser Bildung bezeichnet. So lange das Korallenthier lebt, ist sein Stock keine todte Ausscheidung, kein Haus, in welches es sich, gleich der Schnecke zurückzieht. Es ist vollkommen falsch, zu meinen, der Polyp bewohnte seinen Stock oder seine gekammerte Zelle; dagegen kann ich sagen: der untere Theil des Korallenthieres ist das Etui, in welches der obere Theil sich einzustülpen vermag. Am lebenden Korallenthiere ist also auch der Stock in fortwährender Auflösung und Wiederergänzung begriffen, und der Stock eines erwachsenen Polypen verhält sich zu dem seiner Jünglingsjahre, wie das Skelett des Ochsen zu dem des Kalbes.

Dennoch kommen wir bei diesem Vergleiche zu einem Punkte, wo er nicht mehr paßt. Sehr häufig, indem der Polyp nach oben hin wächst, stirbt sein verkalkter Fuß ab, ohne sich aufzulösen. Der Polyp haftet alsdann auf seiner Vergangenheit, sie ist sein Piedestal; er zieht sich gleichsam aus sich selbst in die Höhe und gipfelt auf den Schlacken seiner Jugend. Dabei ist er in der Regel im Stande, so mit der Vergangenheit abzuschließen, daß er sie mit einem soliden Schleier bedeckt. Indem nämlich die weichen Auskleidungen des gekammerten unteren Endes sich allesammt lockern und zu gleicher Zeit etwas heben, wird eine horizontale Scheidewand abgesondert. Es ist nun klar, daß bei den Korallen ein großer Theil des Materials, welches im Skelettstoffwechsel der höheren Thiere verloren geht, hier konservirt wird, als todte Vergangenheit in unmittelbarem Zusammenhange mit den noch belebten Harttheilen des Individuums bleibt und mit denselben den sogenannten Stock bildet.

Es ist bisher von den Korallenthieren nur die Rede gewesen als vollständig isolirte, für sich bestehende Individuen; fast alle Gattungen der Actinien und der Pilzkorallen gehören hierher. Bei den allermeisten Arten bleibt es aber nicht bei der Ausbildung der Einzelindividuen; vielmehr gibt das Einzelthier seine Individualität in geringerem oder höherem Grade auf, und es entstehen die zusammengesetzten Stöcke. Sie sind ein Resultat der Vermehrung durch Theilung oder Knospung. Alle Polypen legen wenigstens zu einer gewissen Zeit Eier. Die diesen Eiern entschlüpfenden jungen Wesen schwärmen eine kurze Periode frei im Meere umher, und es entfaltet sich nun erst der Bau, von dem bisher die Rede gewesen. Bei den meisten ist aber hiermit der Grund gelegt zu einer Kolonie, indem jene seßhaft gewordenen Individuen sich durch Theilung oder Knospenbildung vermehren. Wie die Theilung vor sich geht, ist aus dem Umriß der Caulastraea [474] furcata zu ersehen. Was jetzt als der einfache Stiel des gabeligen Stockes erscheint, war einst das Gründer-Individuum. An der Grenze des der Art eigenthümlichen Höhenwachsthums angekommen, zog sich der beim Einzelthier runde Mund in die Quere, das ganze Thier wurde breiter und eine allmählich auftretende Längsfurche zeigte an, daß auch im Inneren während des fortschreitenden Längenwachsthums tief eingreifende Veränderungen vor sich gingen. Gewöhnlich aber pflegt die Mundbewegung der beiden Theilsprößlinge den anderen Umbildungen vorauszueilen, wie wir das an dem linken Theile des Stockes der Caulastraea sehen, wo zwei Mundöffnungen von einem Tentakelkranze umgeben sind. Noch ist die Wirtschaft in der Hauptsache eine gemeinschaftliche; eine kurze Zeit, und die Zweieinigkeit hat sich, wie der rechte Theil des Bildes veranschaulicht, in eine Zweiheit aufgelöst. Unser Beispiel zeigt auch, welche Formenveränderungen durch geringe Unregelmäßigkeiten hervorgerufen werden können, die in letzter Linie immer von den zufälligen Abweichungen in der Ernährung der einzelnen Individuen abhängen. Die erste Theilung der Caulastraea war eine gleichmäßige Gabelung.


Umriß von Caulastraea furcata. Natürliche Größe.
Umriß von Caulastraea furcata. Natürliche Größe.

Die zweite Gabelung sollte eigentlich vier Thiere in gleicher Höhe bringen; statt dessen schreitet das eine Individuum später zur Theilung. So kommt es, daß kein Stock einem anderen derselben Art völlig gleicht.

Die Sonderung der Kelche und der ganzen Individuen ist bei dem von uns gewählten Beispiele eine so vollständige, daß die einzelnen Individuen ganz auseinander gerückt sind und jedes mit einer gesammten Lebensökonomie auf dem gemeinsamen abgestorbenen Stocke isolirt ist. Das ist aber nicht die Regel. Wir wollen das jedoch erst dann erklären, wenn wir uns über die Knospung verständigt haben. Beispiele dieser Vermehrungsweise haben uns schon verschiedene Thiergruppen, namentlich die Moos- und die Mantelthiere gegeben. Auch bei den Polypen tritt, wo eine Knospe sich erheben soll, ein erhöhter Stoffwechsel ein, es erhebt sich eine starke Anschwellung und die ganze Knospe ist in allen ihren Theilen eine Neubildung. Indem nun jede Gattung und Art ihre Besonderheiten der Knospung bewahrt, die Knospen bald oben am Kelche, bald in der Mitte, bald mehr nach unten sprossen, mehr oder weniger hervortreten, bald rings an dem Stamme, bald nur an einer Seite oder auch abwechselnd rechts und links, wird schon durch diesen Wechsel der Stellung eine außerordentliche Mannigfaltigkeit der Polypenstöcke hervorgebracht. Weit wichtiger aber für das Aussehen des zusammengesetzten Stockes ist die Form und Ausdehnung des einfachen Stockes, das heißt des Skelettes des Einzelthieres. Es kombiniren sich also mit jener rein äußerlichen Stellung der Knospen die vielen Möglichkeiten, unter denen an den Einzelindividuen der Stock erscheint. Und um eine noch größere Menge von Polypenstockformen hervorzubringen, kommt sowohl bei der Theilung als bei der Knospung die Abscheidung von Skelettmasse in Anschlag, welche zwischen den einzelnen Individuen abgelagert wird.

Wenn nämlich ein zusammengesetzter Polypenstock hervorwächst, so bleiben die an ihm befindlichen Individuen gewöhnlich in einem organischen Zusammenhange. Jedes kommunicirt mit allen seinen Nachbarn, jedes sorgt zwar zunächst und am meisten für sich, theilt aber durch ein von Polyp zu Polyp sich fortsetzendes, netzartiges Gefäßsystem von seinem Ueberflusse auch den entferntesten Stockgenossen mit. Und so leben die Mitglieder eines zusammengesetzten Stockes dem Principe nach in einem wohl eingerichteten Kommunismus. Die Vermittelung von Thier zu Thier geschieht nun in der Regel durch eine organisirte, das heißt, am Stoffwechsel theilnehmende Masse, mag dieselbe weich bleiben oder verkalken. Diese Zwischenmasse empfängt ihre Nährkanäle aus den nächsten Individuen und diese, den Lebenssaft leitenden Adern sichern dem zusammengesetzten Polypenstocke bis zu einem gewissen Grade ein einheitliches Wachsthum. Die Vielheit wird hierin [475] zur physiologischen Einheit. Was jeder Polyp ist und ißt, kommt unweigerlich der ganzen Gesellschaft zu gute, und aus dem Ueberschuß der Arbeit des Einzelnen werden gemeinschaftliche Anlagen bestritten. Zu diesen gehören die Stiele und Stämme, diejenigen Theile der zusammengesetzten Stöcke, auf denen keine Einzelthiere sich befinden, und deren Wachsthum und Größenzunahme uns unbegreiflich bliebe, wenn wir nicht die Nährkanäle auch in sie hineintreten sähen. Aber überall berühren sich Leben und Tod, wenigstens bei den massigen und bei den meisten baumförmigen Stöcken. Indem der Stock durch Knospung und Theilung sich ausdehnt, stirbt er inwendig ab. Die Nährkanäle, welche von neuer, von neuen Adern durchzogener Substanz bedeckt werden, versiechen, ihre nächste Umgebung kann nicht weiter am Stoffwechsel theilnehmen.

Wir sind nun im Stande die natürlichen Gruppen der Polypen uns vorzuführen.

Fußnoten

1 Corals and Coral Islands. London 1872.


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 468-476.
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