5. Sippe: Pilzkorallen (Fungia)

[491] Wer Gelegenheit hat, in einer Sammlung sich mit den Polypen bekannt zu machen, halte sich für diese Gruppe zuerst an die großen, fast immer nur als Einzelthiere vorkommenden Pilzkorallen der Gattung Fungia. Er findet sie als flachere, oft kreisrunde, oft zungen- oder kuchenförmige Gebilde, die nicht selten dreißig Centimeter im Durchmesser erreichen.


Porites furcatus. A Stock in natürlicher Größe. B zwei vergrößerte Kelche.
Porites furcatus. A Stock in natürlicher Größe. B zwei vergrößerte Kelche.

Der Stock besteht aus dem Fußblatte und den senkrechten sehr zahlreichen Scheidewänden, wogegen der Theil, der bei den meisten Gattungen am stärksten entwickelt zu sein pflegt, die Mauer, gänzlich mangelt. Indem wir die Pilzkorallen als Einzelthiere bezeichnen, sagen wir damit, daß sie sich, wie die Actinien, nur durch Eier fortpflanzen, und daß, wenn ausnahmsweise, wie es scheint, Knospenbildung oder Theilung eintritt, dieser Vermehrungsproceß mit der Ablösung der Knospen endigt. Nun hat aber Professor Semper die sehr interessante Entdeckung gemacht, daß bei einigen Fungien ein Generationswechsel stattfindet, bei welchem es zur Bildung von zusammengesetzten Stöcken kommt. Er erläutert seine Abbildung eines der Art nach nicht näher zu bestimmenden Fungienstockes wie folgt: »Es ist ein verästelter Korallenstock, der an seinem unteren angeschliffenen Ende deutliche Korallenstruktur zeigt und am anderen Ende sich in fünf Zweige auflöst, von denen vier an ihrem Ende echte Fungien in verschiedenen Größen tragen, einer aber nicht. Die jungen Korallen selbst zeigen nichts bemerkenswerthes, wohl aber die Stiele, an denen sie ansitzen. Diese haben nämlich abwechselnd scharfkantige Anschwellungen und seichte Einschnürungen; ganz dasselbe bemerkt man auch an dem Stiele (a), welcher keine Fungia trägt. An der Oberfläche des letzteren sieht man aber deutlich, daß an ihm eine solche gesessen haben muß; der freie Rand seiner Septa ist wie vernarbt und ganz unregelmäßig gebildet. Vergleicht man nun den Umfang der Narbe mit jenen Anschwellungen der anderen (Stiele), so sieht man, daß sie ihnen genau entspricht, und ebenso ist ihr Abstand von dem nächsten unteren Ringe der gleiche, wie dort. Untersucht man ferner die eine älteste Fungia genauer an der Stelle ihres Stieles, wo dieser etwa den Umfang eines solchen Wachsthumsringes hat, so sieht man, daß hier (b) der Zusammenhang zwischen ihm und der eigentlichen Koralle bereits etwas gelockert ist. Wenn diese Resorption rings herum vor sich gegangen wäre, so würde wohl die Fungia von dem Stiele abgefallen sein.


Knospen bildende Pilzkoralle. Natürliche Größe.
Knospen bildende Pilzkoralle. Natürliche Größe.

Daß dies an einem Stiele geschehen sei, zeigte die Narbe an seinem freien Ende. Die mehrfachen Wachsthumsringe an demselben Stiele aber beweisen, daß ein jeder Ast im Stande ist, nach Erzeugung der ersten Fungia weiter zu wachsen – wobei zuerst eine Koncentration eines Stieles, dann wieder eine Ausbreitung erfolgt – und daß er nach einiger Zeit in gleicher Weise eine zweite, dritte oder vierte Generation hervorzubringen vermag«.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 491.
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