Gebser, Dr. phil. Anna

[247] *Gebser, Dr. phil. Anna, Berlin W., Kurfürstenstrasse 148, geboren 1863 zu Heichelheim bei Weimar, erhielt ihre Schulbildung zuerst durch Privatunterricht, dann auf dem Sophienstift in Weimar. Der Vater kaufte später das Rittergut Bergern bei Berka an der Ilm. Die Familie siedelte, als Anna Gebser erwachsen war, nach Sondershausen über und dort beteiligte sich A. G. während einiger Jahre lebhaft an dem gesellschaftlichen Leben der kleinen Stadt, beschäftigte sich daneben mit der gründlichen Lektüre verschiedener litterarischer und wissenschaftlicher Werke. Besonders durch das Eingehen auf die Dramen Shakespeares und geschichtliche Darstellungen, hauptsächlich die römische Geschichte Mommsens, sah A. G. ein, dass ihr Wissen ein sehr lückenhaftes sei; sie trat deshalb in das Fürstliche Lehrerinnenseminar zu Sondershausen ein und legte später ihr Examen dort ab. Sie bereitete sich dann privatim auf das Abiturientenexamen vor, versuchte aber vergeblich, nachdem sie ihre diesbezüglichen Studien beendet hatte, das Abiturium in Deutschland abzulegen. Da A. G. ihrer häuslichen Pflichten wegen das Vaterhaus nicht auf längere Zeit verlassen konnte, ging sie nach Leipzig, wohin auch die Familie übersiedelte. In Leipzig wurde A. G. als ordentliche Hörerin an der Universität zugelassen und studierte während 6 Semester Geschichte als Hauptfach, daneben Philosophie, römische und deutsche Litteratur, Pädagogik etc. Während 3 Semester beteiligte sie sich an den Übungen des Kgl. historischen Seminars der Universität. Zwei Semester studierte sie dann noch in Bern, wurde aber durch Krankheit, wegen der sie einen Winter in Italien zubringen musste, an der Ablegung des[247] Examens verhindert. Langwierige Krankheit des Vaters rief sie nach Hause; nach dem Tode des Vaters sah sich A. G. genötigt, Lehrerin zu werden. Sie verbrachte erst einen Winter in Genua, dann ein Jahr in einer englischen Pension in Hannover, zwei Jahre in Berleburg in Westfalen. Zuletzt war sie an einer höheren Mädchenschule in Berlin thätig und legte dann das Vorsteherinexamen in Berlin ab. Es war ihr nun möglich, ihre früheren Studien wieder aufzunehmen und es gelang ihr, auf Grund der schon in Leipzig begonnenen Dissertation: Der Einfluss der Kaiserin Kunigunde auf die Regierung Heinrichs II. in Heidelberg, ihr Doktorexamen zu machen. Sie ist somit neben Fräulein Dr. Käte Windscheid und Gräfin Linden die dritte Deutsche, welche das Doktorexamen in Deutschland ablegen durfte. Nach dem Examen wandte sich A. G. sofort der Schriftstellerei zu und lieferte Beiträge über die Frauenfrage für verschiedene Wochenschriften und Tageszeitungen. Seit Gründung des Vereins für Verbesserung der Frauenkleidung in Berlin gehört A. G. dem Vorstande als Schriftführerin an und tritt in Wort und Schrift für eine verbesserte Kleidung ein. Vom 15. Oktober dieses Jahres an giebt sie eine Frauenkorrespondenz heraus.

Quelle:
Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 1. Berlin, 1898., S. 247-248.
Lizenz:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika