Kapitel XVIII.
Ue saltationibus et choreis
oder
Vom Springen und Tanzen

[86] Zu der Musik gehört auch das Springen und die Kunst zu tanzen, welches sonderlich den jungen Mägdlein und Liebhabern angenehm ist und von ihnen mit sonderbarem Fleiss gelernet, und oft mehr als die halbe Nacht ohne Ersättigung zugebracht, auch mit solchem Fleiss in acht genommen wird, dass sie nach der Leier, Trommel oder Pfeife mit ganz sonderlichen Kräften und. Gebärden rumspringen, und nichts als närrische, auch der Unsinnigkeit nicht ungleiche Possen mit eingebildeter Klugheit verrichten; und wenn diesen nicht der Klang der Pfeife das rechte Mass gäbe, auch wie man saget, eine Eitelkeit der andern hülfe, so wäre ja auf der Welt nichts Lächerlichers und Ungereimters als das Springen. Es ist eine Ergötzlichkeit der Faulheit, ein Gehilfe aller Laster, eine Anreizung der Wollust, ein Feind der Keuschheit und in Summa eine Sache nicht lobenswert.

Da hat oft ein ehrlich Weib, wie Petrarca spricht, ihre sonst lang erhaltene Ehre verloren, und oft ein unglückliches Jüngferlein was gelernt, welches besser gewest wäre, dass sie es nicht gewusst hätte. Da sind[86] viel Weibspersonen um ihren guten Namen und Estime kommen, viel sind ihrer unzüchtig nach Hause gangen, wenig aber züchtiger und frömmer, sondern betastet und befühlet. Nächst diesen haben sich doch griechische Skribenten gefunden, die dafürgehalten, dass, gleichwie sonst mehr schädliche Sachen, also wäre auch der Ursprung des Tanzens von dem höchsten Himmel mit Erschaffung der Welt an Tag kommen, und zwar nach dem Muster der kreisenden Sterne. Etliche aber sagen, es wäre eine Erfindung der Weltgespenster, und dass der Gott Bacchus durch diese Kunst die Thyrrhener, Indianer und Lydier, sonst ein streitbar Volk, überwunden hätte. Also, dass endlich auch aus dieser Kunst ein religiös Werk und von Corybanten in Phrygia, von den Cureten in Creta durch die Göttin Rhea geboten worden, und in Delo, wenn sie ihr Heiligtum haben abgewartet, so haben sie dabei gesprungen, die indischen Brahmanen auch morgens und abends gegen die Sonne sich gewendet und ihren Gott tanzend geehret.

Bei den Ägyptiern und Thraciern, auch Skythen ist das Tanzen unter die heiligen Zeremonien gerechnet worden, und solches ist von dem Orpheo oder Museo, den besten Tänzern, hergekommen. Es waren auch bei den Römern Priester, Salii genennet, die haben dem Gott Mars zu Ehren Tänze angestellet. Die Lazedämonier als die Vornehmsten unter den Griechen, als sie vom Castor und Pollux tanzen gelernet, haben alles mit Tanzen verrichtet. In Thessalien ist das Tanzen in solchem Wert gehalten worden, dass die Vornehmsten mit dem Namen Vorspringer sind tituliert worden; auch Sokrates selbsten, welcher von dem Oraculo für den Weisesten ist gehalten worden, sich nicht geschämt, als er in reiferem Alter, diese Kunst zu lernen, und hat sie dergestalt rausgestrichen, dass er sie unter die ernsthaften Disziplinen gezählet und dafürgehalten, dass diese als ein trefflich Werk mit Erschaffung der Welt am Tag kommen wäre.[87]

Aber was ist es Wunder, dass die Griechen also philosophieret haben, indem auch, dass Ehebruch, Hurerei, Totschlag und andere böse Taten mehr von den Göttern kommen wären, sie dafürgehalten haben. Viele haben vom Springen Bücher geschrieben, darinnen alle Arten, Spezies und Namen, was sie für Autores gehabt, zu finden, dahero ich anjetzo nicht für notwendig erachtet, viel Dicentes davon zu machen. Die alten Römer, welche wegen ihrer Weisheit in grossem Ansehen gewesen, haben alle das Tanzen verworfen, und ist von keiner ehrbaren Matrone, wenn sie getanzet hat, etwas gehalten worden.

Dahero hat es Sallustius der Semproniae verübelt, dass sie mehr als sonst einer ehrbaren Person zukäme, gesungen und gesprungen. Ja auch Gabinio dem Bürgermeister und dem Marco Caelio ist es für eine Schande gehalten worden, dass er allzusehr in der Springkunst ist erfahren gewesen; der M. Cato hats dem Murena, dass er in Asia getanzet, für übel ausgedeutet, und dass er unrecht getan, will Cicero also am Tag geben. Niemand, spricht er, tanzt nüchtern, er müsste dann nicht wohl bei Sinnen sein; und ist dieses Springen nichts anders, als aller Schmausereien und Gelagen, auch ungebührlicher Scherzreden und garstiger Wollüste nächster Gefährte, dahero folget, dass das Tanzen aller Laster letztes Tun und Wesen sei, und ist nicht leicht zu sagen, was hieraus das Sehen und Hören für Böses schöpfet, und was für schandbare Reden und Taten daraus entstehen. Es wird gesprungen mit garstigen Gebärden und wunderlichem Geräusche der Füsse nach dem süssen Takt, nach leichtfertigen Liedern und schändlichen Reimen, die jungen Mägdlein werden betastet, und ehrbare Matronen mit unzüchtigen Händen, mit Küssen und hurischen Umfangen begriffen, und was sonst die Natur verborgen und die Ehrbarkeit bedeckte, das wird durch diese Leichtfertigkeit aufgedeckt, oder durch dieses Spieles Decke mit einer Leichtfertigkeit überzogen. Dieses ist fürwahr kein Exertitium, das vom Himmel[88] herkommen, sondern es ist von bösen Geistern und zur Verachtung des Höchsten erdacht worden. Als das israelitische Volk in der Wüsten sich ein Kalb aufgerichtet und ein Opfer gebracht hat, so haben sie angefangen zu essen und zu trinken, und sind hernach aufgestanden zu spielen, zu singen und um den Kreis herum zu tanzen. Und das mag vom Tanzen für diesmal genug sein.[89]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 86-90.
Lizenz:
Kategorien: