Kapitel XXIX.
De metallaria
oder
Von der Bergwerkswissenschaft

[113] Dieser Baukunst ist auch unterworfen die metallische Bergwerkswissenschaft, eine Kunst, die nicht wenig Nachsinnens bedarf. Denn durch diese muss man erkennen lernen, wo eines jedweden Ortes Adern liegen, wo sie hingehen und wo sie aufhören und zu besteigen sind. Von dieser hat bei den Alten Strabo Lampsacenus ein Buch geschrieben, welches er »Von den metallischen Maschinen« titulieret hat. Aber wie aus den Ungeheuern mineralischen Steinen und fliessendem Feuer das Erz gekocht, und wenn es sie miteinander vermenget, dann von einander unterschieden wird, so haben wir doch sonst keine oder gar wenige, die uns diese Kunst bisher recht gelernt haben; vielleicht, weil es eine servilische und Handwerkskunst ist, so wird sie von den Gelehrten und subtilen Gemütern verachtet.

Aber, als ich vor etlichen Jahren von Ihro Kaiserl. Majestät über etliche Bergwerke gesetzet wurde, habe ich allen Sachen, so viel ich gekunnt, nachgegrübelt und hernach angefangen, ein sonderlich Buch davon zu schreiben, welches ich auch noch diese Stunde unter[113] Händen habe und noch kontinuierlich vermehre, der Hoffnung lebend, dass ich nichts, was zu des Erzes Erfindung, zur Erkenntnis der Adern und Bauung der Berge, oder was sonst bisher dieser Kunst wegen unbekannt gewesen, diene, unterlassen will. Von dieser Kunst rühret all der Menschen Reichtum her, dessen Geiz die Menschen so eingenommen hat, dass sie lebendig fast zur Höllen fahren und auf den Trümmern der Natur in den Sitzen der teuflischen Geister den Reichtum suchen, wie der Poet Ovidius saget:


Itum est in viscera terrae,

Quasque recondiderat, Stygiisque admoverat umbris,

Effodiuntur opes, irritamenta malorum.

Jamque nocens ferrum, ferroque nocentius aurum

Prodierat, cujus dira Cupidine tandem

Omne nefas, fugere pudor, verumque fidesque;

In quorum subiere locum fraudesque dolique

Insidiaeque et vis et amor sceleratus habendi.


Das ist: Man hat die Erde durchsucht, und die irdischen Güter und Reichtümer, so fast unter der Höllen verborgen liegen und eine Anreizung zu allem Bösen sind, ausgegraben. Dadurch das schädliche Eisen und das noch schädlichere Gold am Tag gekommen, welches die Menschen mit einer so verfluchten Begierde entzündet, dass sie alles Recht, Ehrbarkeit, Treu und Aufrichtigkeit verjaget, an deren Stelle lauter List und Betrug, Hinterstellungen und böse Begierden sich eingeschlichen. Auch wie ein anderer Poet saget:


Auro pulsa fides, auro venalia jura.


Das ist: Durch das leidige Gold Ist alle Treue und Glauben verjaget, und das Recht und Billigkeit dadurch feil gemachet worden. Derowegen hat der ein recht schändlich Stück erfunden, der am ersten die Goldgruben und die andern Erzadern erfunden hat, und, wie Plinius sagt, haben sie uns die Erde desto schädlicher gemachet, dass sie nicht weniger für verwegen[114] zu achten seien, als die, die Perlen aus der Tiefe des Meeres hervorsuchen. Es ist eine Erfindung, welche vielen, jedoch worüber die Historienschreiber nicht einig sind, zugeteilet wird. Meistenfalls wird dafürgehalten, dass erstlich das Blei in den Cassiterischen Insuln, so gegen Celtiberiam liegen, erfunden sei; das Erz aber in Zypern, das Eisen in der Insul Kreta, und das Gold und Silber bei dem Pangaeo, einem Berge in Thrazien, endlich aber ist hiermit die ganze Welt infizieret worden.

Die Skythen allein, wie Solinus uns berichtet, haben die Benutzung des Goldes und Silbers verdammet; damit haben sie sich in Ewigkeit von dem öffentlichen Geiz wollen abtun. Von dem Überfluss des Goldes ist bei den Römern ein alt Verbot rausgangen, durch welches, wie Plinius sagt, ist verboten worden, dass in dem Vercellischen Gebiete von einem Goldgrubenpächter nicht über fünf Leute sollen gehalten werden.

Aber wollte Gott, dass die Menschen mit solchem Fleiss nach dem Himmlischen trachteten, mit welchem sie die Eingeweide der Erde durchgrübeln und sich Reichtum dadurch zu erlangen gedenken, welcher doch niemand so glückselig machen könnte, dass ihm nicht oftermals die Mühe, so er darauf verwendet hätte, gereuen sollte.[115]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 113-116.
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