Kapitel XLVI.
De theurgia
oder
Von göttlicher Reinigungs-Befleissigung

[167] Diese, die Theurgia, halten die meisten vor unverboten und zulässlich, als wenn sie durch gute Engel und durch das Wort Gottes regieret würde, da doch zum öftern unter dem Namen Gottes und der heiligen Engel leichtfertige Teufelsbetrügereien vorgehen. Denn wir wollen uns nicht allein durch natürliche Kräfte sondern auch durch gewisse Gebräuche und Zeremonien himmlische Tugenden zuwegebringen, von welchen uns die alten Magi viel Reguln gegeben und grosse Bücher hinterlassen haben. Aber der grösste Teil aller Zeremonien besteht in Erhaltung der Reinigkeit, fürnehmlich zwar des Gemütes, hernach aber auch des Leibes und was zu demselben gehöret, auch was um ihn rum ist, das ist die Haut, die Kleidung, die Wohnung, die Geräte, die Opfer und andere Sachen mehr, deren Reinigkeit zur Betrachtung göttlicher Sachen disponieret; solches wird in der Bibel gar oft erfordert nach den Worten Esaia: Lavamini et mundi estote, et auferte malum cogitationum vestrarum. Waschet euch, reiniget euch, tut euer böses Wesen[167] von meinen Augen. Die Unreinigkeit aber, welche zum öftern die Luft und den Menschen infizieret, die zerstreuet die reinen Einflüsse himmlischer und göttlicher Sachen und vertreibet Gottes reine Geister. Aber auch die unreinen Geister und deren betrügerische Kraft, dieweil sie geehret und für Götter angebetet sein wollen, die forschen unterweilen auch nach dieser Reinigkeit. Derowegen muss man fürwahr hier recht vorsichtig sein, und haben wir von solchen Cautelen in unsern Büchern de Occulta Philosophia viel gesaget. Aber von dieser Theurgia oder Reinigkeit oder wie sie genennet wird Divinorum Magia hat der Porphyrius viel Disputierens gemachet, schleusst aber endlich also: durch diese Theurgische Konsekrationen und Weihungen kann man zwar die Seele des Menschen geschickt machen, dass sie meinet, durch den Geist der Engel Gott zu schauen, aber die Wiederkehrung zu Gott wird durch diese Kunst niemand zuwegebringen.

Aus dieser Schule kömmt auch die Kunst oder Ars Almadel, Ars Notoria, Ars Paulina, Ars Revelationum und andere abergläubische Künste mehr, welche um soviel schädlicher sind, weil sie den Unerfahrenen heilig und seltsam vorkommen.[168]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 167-169.
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