Kapitel LXXXVII.
De veterinaria
oder
Von der Vieharzneikunst

[100] Es ist noch eine andere Praxis und Übung bei der Medizin, welche man die Vieharzneikunst nennet, und zu Heilung der Krankheiten von unvernünftigen Tieren angewendet wird; und diese ist sehr nutzbar und gewisser als andere von dem Chirone Centauro, wie man saget, erstlich erfunden und hernachmals von dem Columella, Catone, Varrone, Pelagonio und Vegetio, allerseits berühmten Scriptoribus, ferner aufgehellet worden.

Solche aber zu exerzieren, halten die mit Ringen besteckten und stolz hertrabenden Medici sich für eine Schande; sie verachten dieselbe nicht so sehr, als dass sie ihrer ganz unwissend sind; auch sind sie so delikat und zärtlich, dass sie gleich wie der Wiedehopf oder Dreckhahn (wie er genennet wird) mit nichts anders als mit Menschenkot sich delektieren; dahero wann einer von ihnen für einen Esel oder Ochsen Arznei begehren wollte, so würde er anstatt der gesuchten Hilfe bald einen Injurienprozess an den Hals bekommen, gleich als wann sie nicht, wie den Menschen, auch den Tieren (sonderlich welche den Menschen grossen Nutzen schaffen) zu helfen schuldig wären.[100]

Derowegen hat Alphonsus, König in Aragonien, zweien der erfahrensten Ärzte eine stattliche Besoldung gemachet, die Pferde und Hunde zu kurieren, und hat befohlen, dass sie ja fleissig nachforschen sollten, wie die einzelnen Krankheiten unvernünftiger Tiere wohl kurieret werden könnten; was sie auch getan, und haben ein Buch, welches zu diesen Sachen sehr nutzbar ist, herausgehen lassen. Dieses hat gleichfalls auch zu unsern Zeiten getan Johannes Ruellus zu Paris, ein Mann in Sprachen sehr erfahren und der vornehmste Physikus allda, welcher von den Krankheiten der Pferde und wie sie zu kurieren, aus denen gelehrtesten Autoribus ein gross Volumen übersetzet, welches denen, die diese Kunst exerzieren, mit grossem Nutzen des gemeinen Wesens noch heutiges Tages zugute kommet.[101]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 2, S. 100-102.
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