Kapitel CII.
Ad encomium asini digressio
oder
Ein Zusatz vom Lobe des Esels

[181] Damit nicht etwa einer kaluinnieren oder spöttisch darüber sein möchte, dass ich die Apostel Esel genannt, so will ich die Geheimnisse eines Esels, jedoch von unserm Vorsatz nicht ganz abgesondert, ein wenig betrachten und an den Tag geben. Denn die hebräischen Lehrer sagen, dass ein Esel ein rechtes Vorbild sei einer trefflichen Stärke und Kraft, auch von sonderbarer Geduld und Langmütigkeit; dessen Art oder Influxus komme her von Sephiroth, in hebräischer Sprache chochma, das ist Weisheit heisset; denn der, welcher die Weisheit studieret, muss notwendig eines Esels Art an sich haben. Denn ein Esel lebet mit geringer Kost und ist mit schlechtem Futter zufrieden; er verträget Hunger, Arbeit, Stösse, er wird verachtet, hat überall einen Anstoss; sein Geist stehet ihm nicht hoch, er weiss unterm Salat und unterm Disteln keinen Unterscheid, ist unschuldig und rein in seinem Herzen, hat keine Galle und fänget mit keinem Tier keinen Krieg an; er nimmt seine Last gar willig auf seinen Buckel, und[181] seine Belohnung besteht darin, dass er keine Ungeziefer und Läuse hat, selten krank wird und länger als ein ander Vieh lebet.

Viel notwendige Arbeit, spricht der Columella, verrichtet der Esel: er egget und pflüget und ziehet einen starken Wagen fort; jetzt ist es seine ordentliche Arbeit, dass er den Müllern diene und das Mehl nach der Mühle ab- und zubringe; das Feld kann ihn nicht entbehren; er weiss auch den Hausrat ein und aus der Stadt auf seinem Rücken artlich zu tragen. Was auch nur hierüber der Esel für ein nützlich Tier mit Weissagen und Prognostizieren sei, das bezeuget Valerius de C. Mario; der hatte im Süden und Norden gesieget, wurde dann für des ganzen Vaterlandes Feind erklärt, und vom Sylla verfolget; da ist er der Gefahr durch Rat und Führung eines Esels entkommen, und hat solches Glück alleine seinem Esel zugeschrieben. So hat ja auch Gott selbsten im alten Testament den Esel so geehret, dass, wie er befohlen hat, alle erste Geburt zum Opfer zu töten, so hat er alleine des Esels und des Menschen verschonet; nämlich also, dass der Mensch durch ein gewisses Pretium wurde losgekaufet, der Esel aber für ein Schaf ausgetauschet. Dieser ist, wie Christus selbst gewollt, ein Zeuge seiner Geburt gewesen; auf einem Esel ist er aus den Händen des Herodis gerettet worden, und der Esel selbsten ist auch durch das Anrühren des Leibes Christi konsekrieret und mit dem Zeichen des Kreuzes signieret worden. Denn als Christus zu Erlösung des menschlichen Geschlechtes triumphierend in Jerusalem eingeritten, da hat ihn, wie es die Evangelisten bezeugen, ein Esel getragen, welches uns mit einem grossen Geheimnisse durch den Zachariam zuvor ist gesaget worden. Auch lieset man, dass der Erzvater Abraham auf einem Esel geritten habe; dahero ist bei dem Volk das alte Sprichwort gewesen: Asinum portare mysteria. Der Esel trage die Geheimnisse. So will ich euch nun, ihr trefflichen Meister der[182] Wissenschaften, ja auch ihr kumanische Esel und vornehmste Meister, erinnert haben, dass, wofern ihr nicht mit Sack und Pack der menschlichen Wissenschaften die Löwenhaut (ich meine nicht die von dem Löwen des Stammes Juda, sondern dessen, der herumgehet als ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlucke) abziehet und eine Eselshaut an euch nehmet, so werdet ihr die göttliche Weisheit und Geheimnisse zu tragen recht ungeschickt und nichts nütze sein. Der Apulejus wäre zu den Geheimnissen der Isidis nicht zugelassen worden, wann er nicht zuvor von einem Philosopho wäre zu einem Esel verwandelt worden.

Wir lesen von Wundertaten unterschiedener Tiere, nämlich, dass ein Elefant hat griechisch geschrieben und dass derselbe des Aristophanis, eines Grammatici, Rivale gewesen und ein Mädchen geliebet habe, wie solches aus dem Plutarcho zu sehen; wie auch, dass ein Drache sich in ein schön Mädchen verliebet habe, und wann sie gerufen, so ist er zu ihr geflogen kommen. Und bei dem Plinio lesen wir, dass eine Schlange ordentlich und täglich zu Tische bei einen gekommen, und als sie wahrgenommen, dass ein Kind des Wirtes von einer ihrer jungen Schlangen getötet war, hat sie ihrem Wirt zu Gefallen ihr Junges umgebracht und ist aus Schamhaftigkeit nicht wieder in sein Haus kommen. Es wird von einem Leoparden oder Panthertier erzählet, dass dasselbe einem Menschen zur Danksagung, weil er einstmals seine Jungen aus einer Gruben errettet, in der Wildnis das Leben geschenkt habe. So ist ja auch Cyrus von einer Hündin und Romulus und Remus, die Erbauer der Stadt Rom, von einer Wölfin ernähret worden; was haben die Meerschweine für Wunder getan, und die Löwen wegen empfangener Guttat für Danksagung erstattet? Ich will hier nicht berühren wie der daunische Bär und der tarentinische Ochse von dem Pythagora ist zahm gemachet worden, und andere dergleichen[183] Wunder mehr; was aber alle Wunderwerke übertrifft und worüber man sich recht wundern muss, das ist, dass der Ammonius Alexandrinus, einer der weisesten Philosophen zu seiner Zeit, Präzeptor des Origenis und Porphyrii, der hat einen Esel zu seinem Discipul gehabt. So lesen wir ja auch in den biblischen Historien, das einsmal der Esel einen prophetischen Geist gehabt habe; denn als Baalam, ein Prophet und verständiger Mann, ausgegangen, das israelitische Volk zu verfluchen, so hat er den Engel Gottes nicht gesehen, aber der Esel hat ihn gesehen und angeredet. Also, sage ich, siehet oftmals ein simpler und einfältiger Mensch dasjenige, was einer, der mit vielen Wissenschaften verderbt und ein grosser Schulen-Lehrer sein will, nicht siehet.

Hat nicht Samson mit einem Esels-Kinnbacken die Philister geschlagen und den Herrn dürstend gebeten, welcher ihm einen Backzahn in des Esels Kinnbacken aufgetan, daraus das Wasser gegangen ist, wodurch er seine Lebensgeister und Kräfte wieder erquicket hat? Hat nicht Christus durch den Mund seiner Esel der einfältigen Idioten, nämlich seiner Apostel und Discipul, alle Weltweisen der Heiden und der Jüden Schriftgelehrten geschlagen und überwunden und aller Menschen Weisheit zunichte gemacht, indem er uns aus dem Kinnbacken dieser seiner Esel das Wasser des Lebens und der ewigen Weisheit vorgesetzet hat?

So lesen wir auch in den Kirchenhistorien und Geschichten der Heiligen, dass Gott den Tieren viel Wohltaten habe widerfahren lassen; wir lesen aber gleichwohl, dass nicht ein Tier von den Toten ist auferwecket worden, als nur allein derjenige Esel, welchen Germanus, ein englischer Bischof, wieder zum Leben bracht hat. Durch dieses sonderbare Wunder ist gewiesen worden, dass der Esel nach diesem Leben etwas an der Unsterblichkeit partizipiere. Aus diesem allen nun, was jetzo ist gesaget worden,[184] erhellet ja klarer als die Sonne, dass kein Tier der göttlichen Sachen so fähig sei als der Esel. Und in dieses Tier müsset ihr verwandelt werden, wann ihr die göttlichen Geheimnisse tragen wollt. So ein Name war übrigens den römischen Christen vor Zeiten ihr Proprium, dass sie zum Spotte nach den Eseln genennet worden, und Christi heiliges Bild selbsten haben sie mit Eselsohren pflegen abzumalen, wie uns dessen Tertullianus Zeugnis gibet. Derowegen haben unsere Bischöfe und Äbte nicht Ursache, dass sie böse werden, oder sich's für eine Schande halten, wann sie bei diesen elefantischen Riesengelehrten Esel genennet werden, noch muss das christliche Volk sich verwundern, wann unter ihren Kirchenvorstehern und Priestern die gelehrtesten nur in geringen Ehren gehalten werden; denn ogleich die Esel den Nachtigallen keinen schönen Gesang fürsingen, und umgekehret noch aus ihrem unannehmlichen Geschrei kein schöner Lobesgesang gehöret wird, wie man pfleget im Sprichwort zu reden, so werden gleichwohl aus den Knochen der Esel, wann das Mark herausgenommen ist, die besten Flöten gemachet, welche, wann darauf geblasen wird den anmutigsten Vogelgesang und den lieblichsten Leyer- und Zitherklang weit übertreffen; und also übertreffen auch diese heilige und simple Idioten mit ihrem Eselgeschrei die waschhaftigsten und klügesten Sophisten.

Wir lesen, dass etliche heidnische Philosophi zu dem Antonio ihn zu besuchen und mit ihm zu diskutieren gekommen sind, welche aber nach einer kurzen Rede von ihm sind ihres Irrtums überführet und mit Schimpf und Schande wieder abgefertiget worden. Wir lesen auch, dass ein einfältiger Mensch, und der nichts studieret gehabt, einen klugen und gelehrten[185] Ketzer mit wenig Worten überwunden und zum Glauben bekehret hat, welchen die gelehrtesten Leute und Bischöfe, so auf dem Concilio Nicaeno sind versammlet gewesen, mit ihren langen und weitläuftigen Disputen nicht haben bezwingen können; nachdem er aber hernachmals von seinen guten Freunden ist gefraget worden, warum er denn sich von diesem elenden Idioten hätte überwinden lassen, da er doch so viel gelehrten Bischöfen genug zu tun und zu schaffen gemachet hätte, so hat er geantworet: für Worte hätte er den Bischöfen leicht wieder Worte geben können; diesem Idioten aber, der da nicht mit menschlicher Weisheit, sondern aus dem Geiste geredet hätte, dem hätte er unmöglich widerstehen können.[186]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 2, S. 181-187.
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