X, 124. [950.] Varuna's Herrschaft ist an Indra übergegangen.

[401] Der Rangstreit zwischen Varuna und Indra, den uns Lied 338 vor Augen stellte, ist hier nach Art der spätern indischen Anschauung ganz zu Gunsten des Indra entschieden, und Varuna, ursprünglich der Vater aller Welt, der lebendige, höchste Gott, der Asure (Vers 3), ist hier zu einer dienenden, ja fast dämonischen Gottheit herabgesunken, die dem Vritra fast gleichgesetzt erscheint. Agni, der in V. 1 von den Sängern aus seinem Dunkel, hervorgerufen wird, erklärt V. 2-4, dass er den Varuna verlassen und sich dem Dienste des Indra zugewandt habe. Indra selbst bezeugt (V. 5) dem Varuna seine eigene Oberherrschaft und fordert den Soma (V. 6) auf, mit ihm, den Vritra, der hier als eng mit Varuna verbunden erscheint, zu schlagen. In V. 7 und 8 schildert der Dichter den Erfolg dieses Kampfes. V. 9 scheint später angehängt.


1. Komm, Agni, her zu diesem unserm Opfer,

fünf Bahnen hat's, drei Räder, sieben Fäden;[401]

Dass du uns führest und das Opfer fahrest,

zu lang' schon hast im Dunkel du gelegen.

2. »Als Gott vom Nichtgott tief verborgen wandernd

komm jetzt ich nach Unsterblichkeit verlangend;

Wenn unhold ich den holden nun verlasse,

geh von der eignen ich zur fremden Freundschaft.

3. Hinschauend nach dem Gast der andern Sippe

hab viele Stätten ich des Rechts durchwandert,

Lebwohl sag' ich dem Vater, dem Asuren,

zum Opfer geh' ich von dem Opferlosen.

4. Verlebt hab' ich bei jenem viele Jahre,

den Indra wählend geb' ich auf den Vater;

Es weichen Agni, Varuna und Soma;

es kehrt die Macht sich um, das merk' ich kommend.«

5. »Auch die Asuren sind der Macht entkleidet;

auch du musst Freundschaft, Varuna, mir hegen;

Unrecht vom Recht, o König, unterscheidend

komm her in meines Reiches Oberherrschaft.

6. Hier ist der Himmel, hier allein das Schöne,

hier helles Licht und hier der weite Luftraum,

Komm Soma her, wir wollen Vritra schlagen,

und dich, den Trank, mit Opfertränken ehren.«

7. Klug schloss der Kluge Lichtglanz an den Himmel an

und Varuna liess frei die Ströme ohne Macht,

Und Frieden machend tragen diese Ströme nun

des Indra Farbe, Frauen gleich, die glänzenden.

8. Sie folgen nun der höchsten Macht des Indra,

er wohnt in ihnen, die in Wonne tanzen,

Wie Unterthanen sich den König wählend

entflohen sie mit Abscheu von dem Vritra.

(9. siehe Anhang.)

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1877, [Nachdruck 1990], Teil 2, S. 401-402.
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