Überlegenheit des Brahman über die Götter.

[148] Kena-Upanishad 3–4.


14. Es geschah, dass das Brahman für die Götter den Sieg [über die Dämonen] erfocht. Die Götter aber brüsteten sich ob[148] dieses Sieges des Brahman; denn sie dachten: »Unser ist dieser Sieg, unser ist dieser Ruhm.«

15. Als das Brahman bemerkte, dass sie das taten, machte es sich ihnen offenbar; sie aber erkannten es nicht und sprachen: »Was ist das für ein Wunderding?«

16. Und sie sprachen zu Agni: »Erforsche doch, o Wesenkenner, was das für ein Wunderding ist!« – »So sei es!« sprach er.

17. Und er stürzte auf dasselbe los. Da redete das Brahman ihn an und sprach: »Wer bist du?« – »Ich bin der Agni«, sprach er, »ich bin der Kenner der Wesen.« –

18. »Wenn du der bist, welches ist deine Kunst?« – »Ich vermag, dieses alles zu verbrennen, was hier auf Erden ist.« –

19. Da legte ihm das Brahman einen Strohhalm vor und sprach: »So verbrenne dieses!« – Er stürmte darauf los mit allem Ungestüme, aber er vermochte nicht, ihn zu verbrennen. Da kehrte er zurück und sprach: »Ich habe es nicht zu erforschen vermocht, was das für ein Wunderding ist.«

20. Da sprachen sie zu Vâyu (dem Gott des Windes): »Erforsche doch, o Vâyu, was das für ein Wunderding ist!« – »So sei es!« sprach er.

21. Und er stürzte auf dasselbe los. Da redete das Brahman ihn an und sprach: »Wer bist du?« – »Ich bin der Vâyu«, sprach er,[149] »ich bin der Mâtariçvan (der in der Mutter, d.i. dem Luftraume, Schwellende, Ça k.).« –

22. »Wenn du der bist, welches ist deine Kunst?« – »Ich vermag dieses alles fortzureissen, was hier auf Erden ist.« –

23. Da legte ihm das Brahman einen Strohhalm vor und sprach: »So reisse dieses fort!« – Er stürmte darauf los mit allem Ungestüme, aber er vermochte nicht, es fortzureissen. Da kehrte er zurück und sprach: »Ich habe es nicht zu erforschen vermocht, was das für ein Wunderding ist.«

24. Da sprachen sie zu Indra: »Erforsche doch, o Mächtiger, was das für ein Wunderding ist!« – »So sei es!« sprach er. Und er stürzte auf dasselbe los. Da verbarg es sich vor ihm.

25. Er aber begegnete an demselbigen Orte einem Weibe, die war sehr schön, der Umâ, Tochter des Himavant [der Gemahlin des Çiva, hier nach Ça k, als Personifikation des Wissens auftretend]. Zu der sprach er: »Was ist das für ein Wunderding?« –

26. »Das ist das Brahman«, sprach sie, »das Brahman, welches jenen Sieg erfocht, ob des ihr euch brüstet!« – Da erst erkannte er, dass es das Brahman war.

27. Darum, fürwahr, sind diese Götter gleichsam erhaben über die andern Götter, nämlich Agni, Vâyu und Indra. Denn sie hatten das Brahman am nächsten berührt, sie[150] [und unter ihnen wieder Indra] hatten es zuerst erkannt, dass es das Brahman war.

28. Darum, fürwahr, ist Indra gleichsam erhaben über die andern Götter, denn er hatte das Brahman am nächsten berührt, er hatte es zuerst erkannt, dass es das Brahman war.


29. Über selbiges ist diese Unterweisung. Was an dem Blitze das ist, dass es blitzt und man ruft »ah« und schliesst die Augen, – dies, dass man »ah« ruft [ist seine Unterweisung] in bezug auf die Gottheit.

30. Nun in bezug auf die Seele. Wenn etwas gleichsam eintritt in den Geist, dass man dadurch sich erinnert an etwas im Augenblick, dieses Vorstellen [ist seine Unterweisung].1

31. Selbiges heisset mit Namen: »Nach-ihm-das-Sehnen«; als »Nach-ihm-das-Sehnen« soll man es verehren. Wer selbiges als solches weiss, zu dem wohl sehnen hin sich die Wesen alle.

1

Das zeitlose Brahman hat sein Symbol in der Natur an dem momentanen Blitze, in der Seele an dem momentanen Vorstellungsbilde.

Quelle:
Die Geheimlehre des Veda. Leipzig 1919, S. 148-151.
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