6. Der Edle und das Schicksal

[31] Der Edle richtet sich nach seiner Stellung bei allem, was er tut, und wünscht sich nichts außerhalb davon. Wenn er sich in Reichtum und Ehren sieht, so handelt er, wie es in Reichtum und Ehren sich geziemt. Wenn er sich in Armut und Niedrigkeit sieht, so handelt er, wie es in Armut und Niedrigkeit sich geziemt. Wenn er sich unter Barbaren sieht, so handelt er, wie es unter Barbaren sich geziemt. Wenn er sich in Leid und Schwierigkeiten sieht, so handelt er, wie es in Leid und Schwierigkeiten sich geziemt. Der Edle kommt in keine Lage, in der er sich nicht selber findet. In hoher Stellung unterdrückt er nicht die Unteren, in niederer Stellung kriecht er nicht vor den Oberen.

Er macht sich selber recht und verlangt nichts von den andern Menschen; so bleibt er frei von Groll. Nach oben grollt er nicht dem Himmel, nach unten zürnt er nicht den Menschen.

So weilt der Edle in Gelassenheit und nimmt sein Schicksal gefaßt entgegen. Der Gemeine aber übt List und Tücken, um ein unverdientes Glück zu erjagen.

Der Meister sprach: Der Schütze hat eines mit dem Edlen gemein: Wenn er das Ziel verfehlt hat, so wendet er sich um und sucht den Fehler bei sich selbst.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 31.
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