1. Der historische Verfall der Sitte und seine Äußerungen

[60] Meister Kung sprach: Wehe, wie traurig! Wenn ich den Weg des Hauses Dschou betrachte, so ist er seit den Königen Yu und Li im Verfall. Wenn ich von Lu weg soll, wohin soll ich gehen (um es besser zu finden)? Das Opfer auf dem Anger und das für den Urahn (des Hauses Dschou) entspricht nicht der Sitte; so sind die Lehren des Herzogs von Dschou in Verfall geraten. Das Angeropfer von Ki gilt dem Yü, das Angeropfer von Sung gilt dem Sië; das sind Opfer, durch die das Andenken an frühere Himmelssöhne bewahrt wird. Im allgemeinen ist es so, daß der Himmelssohn die Opfer für Himmel und Erde darbringt und die Lehensfürsten die Opfer für die Gottheiten des Bodens und des Korns.

Wenn die Gebetspriester und der Segenspriester es nicht wagen, die alten, dauernd gebrauchten Worte zu ändern, das[60] ist etwas sehr Großes. Daß die Worte, die die Gebets- und Segenspriester sprechen müssen, verborgen werden von den Gebetspriestern des Ahnentempels, von den Zauberern und Schreibern (so daß der Fürst nichts davon erfährt), entspricht nicht der Sitte. Das heißt den Staat in Finsternis halten. Daß der Vertreter des Toten und der Fürst aus einem der uralten Kelche trinken, entspricht nicht der Sitte. Ein Fürst, der das tut, maßt sich (die Vorrechte des Himmelssohns) an. Krone und Helm, Waffen und Panzer in einem Privathaus zu sammeln, entspricht nicht der Sitte. Wer das tut, der maßt sich die Rechte des Fürsten an.

Daß ein Großwürdenträger (wie ein Fürst) für jede Verrichtung (beim Opfer) einen besonderen Beamten hat, daß er von den Opfergeräten einen ganz vollständigen Satz hat, daß sein Opferorchester voll besetzt ist, entspricht nicht der Sitte; das bringt das Land in Verwirrung. Wer einem Landesfürsten dient, heißt Beamter; wer einer Adelsfamilie dient, heißt Diener. Wer einen tiefen Trauerfall hat oder unmittelbar nach der Hochzeit steht, der wird ein Jahr lang nicht (mit Hofgeschäften) beauftragt. In Trauerkleidern zu Hofe zu gehen oder mit seinen Hausdienern dem Alter nach sich zu mischen, entspricht nicht der Sitte; auf diese Weise ist der Staat gemeinsamer Besitz von Herr und Knecht.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 60-61.
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