2. Die Ordnung der Regierung

[97] Der Thronfolger soll eingesetzt werden gleichsam als Landesaltar der Ahnen. Der Landesaltar ist die Stelle heiliger Scheu. Dort tritt diese Scheu klar in Erscheinung. Bei der Wahl berücksichtige man in gleicher Weise den Rang und die Geisteskraft. So werden Mutter und Brüder, Beamte und Söhne, alle die Gesinnung von Untertanen gegen den Thronfolger hegen. Dann wird niemand es wagen, sich mit den äußeren Großwürdenträgern zusammenzutun, und es wird unmöglich, daß die Frauen des inneren Palastes geheime Abmachungen treffen.

Auf diese Weise kommen die fünf Beamten in Ordnung, und die Beauftragten werden recht. Wenn rechtschaffene Männer das Volk belehren, so wird das Volk gleichmäßig das Gute schätzen, und heimliche Verschwörungen entstehen nicht. Das nennt man ehrliche Untertanen. Wenn der Staat auf rechtem Wege ist, so gedeiht das Volk. Das ist der Grund, warum Staat und Haus Fortschritte machen.

Die adligen Großwürdenträger sollen eingesetzt werden gleichsam als die großen Tore. Das große Tor offenbart die Schönheit des Schlosses und die Ordnung, in der Großes und Kleines, Hohes und Niederes darin stehen. Es steht offen für[97] das Lichte und schließt sich vor dem Finsteren. Es öffnet sich dem Segen und hält das Unheil ab durch Übereinstimmung mit den Bahnen des Himmels. Den Nahen bringt es Muße, die Fernen hält es ab.

Der Fürst erläßt Verbote. Der Kanzler empfängt sie und führt sie aus. Entsprechend der rechten Zeit setzt er sie in Kraft im Land und verbreitet sie unter den niederen Beamten.

Des Himmels Fluch und Segen, der Erde Gaben und Mangel teilt er mit dem Volk. Gemeinsam genießt er die Fülle, gemeinsam trägt er den Mangel. Das ist der Grund, warum Staat und Haus in Harmonie kommen.

Im Staat gibt es vier Gehilfen. Diese Gehilfen sind die ausführenden Großwürdenträger4. Die ausführenden Großwürdenträger sollen eingesetzt werden gleichsam als die vier Glieder. Man soll ihren Pflichtenkreis nicht ändern. Man soll ein Amt nicht als bloßen Titel verleihen. Man soll nicht Einkommen für mehrere Ämter auf einen Inhaber übertragen. In jeder Sache bevorzuge man die Tüchtigen, befördere die Fähigen, gebrauche die Wissenden; man habe einen Amtsadel, aber keine erblichen Ämter. Wen man mit einem Amt betrauen kann, den übergehe man nicht.

Jedermann im Volk führe seine Bezeichnung nach dem, was er kann. Er genieße die Früchte seiner Kraft zu seiner Zeit; er bekomme seine Stellung nach seiner Arbeit. Auf diese Weise bewirkt man, daß das Volk nachgiebig wird; wenn das Volk kindesehrfürchtig und brüderlich, friedlich und nachgiebig ist, so wird die Unzufriedenheit selten, und Unruhen erheben sich nicht. Das ist der Grund, warum Staat und Haus lange dauern.

Wenn die Unteren nicht zuviel gebraucht werden, so werden Staat und Haus reich. Wenn die Oberen Gerechtigkeit haben, so kommen Staat und Haus in Ordnung. Wenn die Vorgesetzten gute Sitten haben, so streitet das Volk nicht. Wenn man die Götter verehrt, so kommt Ehrfurcht in Staat und Haus. Wenn man die Leute alle in Liebe umfaßt, so hegt das Volk keinen Groll. Wenn das Volk das Gefühl hat, daß man ihm nichts befiehlt, so sucht es nicht auszuweichen. Vor alters stellten die früheren Könige diese sechs Grundsätze auf und[98] bekräftigten sie durch ihre Geisteskräfte. Das ist der Grund, warum Staat und Haus blühen.

4

Es sind die den prinzlichen Großwürdenträgern beigegebenen Sekretäre für Unterrricht (Siau Sï-Tu, für Gerichtswesen (Siau Sï-Kou), für Arbeiten (Siau Sï-Kung) und Militärwesen (Siau Sï-Ma). Es sind die obengenannten fünf Beamten ohne den Unterkanzler.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 97-99.
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