4. Die Organisation des Staates durch die magischen Kräfte des Herrschers

[107] Der Herzog sprach: »Oh, das ist wahrlich gut; redet noch weiter darüber, Meister! Ich fürchte, ich bin zu betört und kann es noch nicht anwenden.«

Der Meister sprach: »Wieso? Ihr müßt auf dem Weg der Geisteskraft voranschreiten.«

Der Herzog sprach: »Darf ich fragen: Was ist an der Methode der Geisteskraft das Auszeichnende?«

Der Meister sprach: »Heiligkeit ist die Blüte der Erkenntnis. Erkenntnis ist die Frucht der Gütigkeit. Gütigkeit ist das Gerät der Zuverlässigkeit. Zuverlässigkeit ist das Schwergewicht der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist die Wurzel des Nutzens. Wenn man den Nutzen als Ziel setzt, so kommt daraus Schaden.«

Der Herzog sprach: »Oh, das sind höchste Worte! Wenn man Himmel, Erde und den menschenfreundlichen Heiligen nennt: was davon ist am wichtigsten?«

Der Meister sprach: »Es gibt eine Geisteskraft des Himmels, eine Geisteskraft der Erde und eine Geisteskraft des Menschen: Das sind die drei Geisteskräfte. Indem diese Geisteskräfte sich gemeinsam auswirken, gibt es ein lichtes und ein dunkles Prinzip. Das lichte Prinzip ist die Gnade, das dunkle Prinzip ist die Strafe.«

Der Herzog sprach: »Gut fürwahr! Darf ich davon noch mehr vernehmen? Was wirkt die Gnade?«

Der Meister sprach: »Die Gnade bewirkt die Sitte, die Sitte bewirkt (wenn sie sich nicht selber durchführen kann) die Strafe. Die Strafe wirkt (damit sie ihr Ziel erreichen kann) das Nachdenken. Durch Nachdenken werden die Arbeiten in der Nähe geregelt und der Ruf in der Ferne verbreitet.«

Der Herzog sprach: »Gut fürwahr! Wie ist das auszuführen?«

Der Meister sprach: »Die Geisteskraft muß sich beweisen durch Ausfüllung der Stellung, die Stellung durch Ausführung der Amtspflichten, die Ausführung der Amtspflichten zeigt sich in der Leistung, die Leistung besteht in der Ernährung des Volkes. Auf diese Weise schätzt das Volk die Regierung.«[108]

Der Herzog sprach: »Läßt sich das Einkommen der Beamten nicht als etwas minder Wichtiges ansehen?«

Der Meister sprach: »Die Speise wirkt Geschmack, Geschmack wirkt Kraft, Kraft wirkt Gesinnung, die Gesinnung äußert sich in Reden, die Reden bewirken die Festsetzung eines guten Namens, ein guter Name bewirkt Vertrauen. Vertrauen trägt die Gerechtigkeit und macht ihre Durchführung möglich. Daher darf man das Einkommen der Beamten nicht hintansetzen.«

Der Herzog sprach: »Was bedeutet der Ausdruck, daß das Volk mit Himmel und Erde eine Dreiheit bilde?«

Der Meister sprach: »Am Himmel wird der rechte Weg sichtbar, durch die Erde wird der rechte Weg begehbar, unter den Menschen wird der rechte Weg durchführbar. Eines dieser Gebiete zu vernachlässigen ist Verlust des Zusammenhangs. Und es ist zu fürchten, daß man auf diese Weise nicht lange seinen Staat erhalten kann.«

Der Herzog schaute beunruhigt aus.

Der Meister sprach: »Ew. Hoheit bewahren Edelsteine auf. Ihr benützt sie vorsichtig. Ihr würdigt ihren Wert und seid nicht knickrig (bei ihrem Erwerb). Mit den Menschen verhält es sich geradeso. Keiner soll zwei Ämter zugleich innehaben. Die fünf Beamten sollen ihre wohlunterschiedenen Amtsgebiete haben. Man soll nicht persönlich Beliebte bevorzugen. Niedrige sollen nicht (unverdientermaßen) erhöht werden. Flachbegabte sollen nicht mit tiefen Fragen betraut werden. Kleine sollen nicht Großen befehlen. Das ist der Angelpunkt. Wenn dieser Angelpunkt (in Ordnung ist), so werden (bedeutende) Männer, die als Gäste kommen, empfohlen und nicht verdeckt werden. Einst hat Schun diesen Weg dem Yau empfohlen. Yau hat ihn persönlich beschritten, und Obere und Untere kamen nicht in Verwirrung.«

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 107-109.
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