2. Unterschied zwischen Familienordnung und Staatsregierung

[126] Der Herzog sprach: »Wenn ich den Unterschied zwischen hoch und niedrig ermesse und sie alle in Verbindung bringe,[126] wenn ich das Leichte und Schwere abwäge und ihm seinen rechten Platz gebe, wenn ich den Gesichtsausdruck des Volkes, dessen Äußerung ich erlaube, beobachte, wenn ich die Worte des Volkes, die ich ermutige, vernehme, wenn ich die Gesinnung der Geisteskraft des Volkes, die ich entfache, in Harmonie bringe, wenn ich die Triebe des Volkes, die ich in Verbindung bringe, vereinheitliche, wenn ich die Anhänglichen und Tüchtigen im Volk liebe und die Unfähigen belehre: wird dann das Volk zufrieden sein?«

Der Meister sprach: »Zufrieden sein wird es wohl. Aber das ist die Art, wie man eine Familie beherrscht, nicht einen Staat.«

Der Herzog sprach: »Was auf eine Familie anwendbar ist, warum ist das nicht auf die Beherrschung eines Staates anwendbar? Das Volk des Staates ist doch dasselbe wie das der Familien.«

Der Meister sprach: »Das Volk der Familien ist wohl dasselbe wie das Volk des Staates, aber ihre Bezeichnungen sind verschieden, und man darf sie nicht gleichmachen wollen. Gleicher Rang und gleiches Einkommen bedeuten Gleichheit der Klasse. Aber nur auf der Ungleichheit der Klassen beruht es, daß das Volk seine Führer erkennt.

Darum klärt der Himmelssohn darüber auf, daß es göttliche Wesen zwischen Himmel und Erde gibt, um dadurch seine Majestät auf Erden zu entfalten. Die Landesfürsten pflegen die Sitte innerhalb ihrer Lehen und dienen dem Himmelssohn. Die Großwürdenträger pflegen die Ämter und wahren ihre Funktionen und dienen ihren Fürsten. Die Staatsmänner pflegen ihre Pflichten in den vier Himmelsgegenden, üben sich in Geschicklichkeit, beraten sich über Stärke und hören auf die Großwürdenträger. Die Leute aus dem Volk blicken empor zu den Linien des Himmels und blicken nieder zu den Zügen der Erde; so verwenden sie ihre Kraft zur Zeit, um ihren Eltern zu dienen. Das alles ist ein Zeichen, daß nur durch die Ungleichheit das Volk geordnet werden kann.«

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 126-127.
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