§ 20.

[41] Das Wissen ist absolut. Es ist ferner absolut für sich, reflectirt sich und wird dadurch erst ein Wissen. Endlich, so zum Wissen geworden, in unserer successiven Darstellung nämlich, ist es Wissen für sich, reflectirt es sich – nicht mehr als Seyn, als welches es sich gar nicht reflectirt, auch nicht als Fürsichseyn, sondern als beides in seiner absoluten Verschmelzung; und so steht es erst da, als absolutes Wissen.

Diese Reflexion ist absolut nothwendig ebenso, wie die vorige (ursprüngliche, das Wissen überhaupt constituirende), und sie ist nur in Folge der vorigen, eines Fürsichseyns des Wissens überhaupt, was nur durch unsere Wissenschaft gesondert worden ist.[41]

Zuvörderst erhellt sogleich die charakteristische Natur dieser Reflexion, dass, da sie das Wissen als solches zum Objecte ihrer selbst macht, dasselbe zusammensetzt und genetisch beschreibt, sie mit sich selbst über dieses Wissen hinausgehen und Glieder herbeiführen müsse, die allerdings zwar in ihr, der Reflexion, und daher für unsere Wissenschaft, die sie auch zum Wissen macht, im Wissen liegen, keinesweges aber für das Wissen vorhanden seyn können, welches hier als Object der Reflexion gesetzt ist; und da jene Reflexion das absolute Wissen selber umfasst, selbst nicht in diesem liegen (dass also hier das sich selbst Vergessen und Vernichten des Wissens noch klarer ins Licht treten wird). – Wie wir denn doch dazu gelangen, scheinbar noch über das absolute Wissen hinauszugehen, kann sich nur am Ende zeigen, wo unsere Wissenschaft ihre eigene Möglichkeit durchaus und vollständig erklären muss.

Gehen wir mit dieser Reflexion sogleich in ihren innersten synthetischen Mittelpunct hinein. Der Mittelpunct der vorigen Reflexion war das absolute Wissen, als reines Denken und Anschauen zugleich, dass die Freiheit der Reflexion ihrem Was nach schlechthin bestimmt sey, eben durch ein absolutes Was. (Dies wurde ausgedrückt durch die Sätze: das Wissen muss für sich seyn schlechthin Was es ist, unmittelbar weil es ist u.s.w. (§ 19, S. 38, 39.)

Dieses Wissen reflectirt sich nun selbst, als ein Wissen, und als ein absolutes; d.h. keinesweges, es ist eben äusserlich für sich, so wie es für uns in unserer wissenschaftlichen Reflexion des vorigen § war, und es wird nun dazugesetzt und versichert, dass es absolut sey, – wie wir freilich vorläufig thaten; – sondern es selber durchschaut sich innerlich seinem Einheits- und Theilungsgrunde nach, und um dieses Wissens des Einheitspunctes willen ist es absolut und weiss sich als absolut in dieser Reflexion. So wurde in dem aufgezeigten Wissen die Reflexion, als Act, schlechthin und unabhängig von ihrer materialen Bestimmtheit gesetzt, und hinwiederum von einer anderen Seite die Bestimmtheit derselben unabhängig von dem Acte gesetzt, und absolut gewusst, dass diese, also auseinanderliegenden Glieder doch nicht an sich ein zwiefaches[42] seyen. Da aber der Einheitspunct nicht gewusst wurde, in welchem sie zusammenfallen, – ohnerachtet sie in einer anderen Rücksicht, welche hier für sich bleibt, immer auseinanderfallen mögen, – so durchdrang und erfasste dieses Wissen, welches an sich selbst wohl richtig seyn mag, in der That sich nicht und war wohl absolutes Wissen, aber nicht für sich.

Der letzte Grund des Actes, der als Act freier Reflexion eben absolut bleiben muss, ist seine Möglichkeit, die in der absoluten Form des Wissens, für sich zu seyn, liegt; der Grund der Bestimmtheit der Reflexion ist die ihr vorausgehende absolute Bestimmtheit: der Grund der absoluten Einheit beider wird eingesehen, heisst: es wird eingesehen, dass der Act jener Reflexion gar nicht möglich (mithin auch wohl nicht wirklich) ist ohne die absolute Bestimmtheit, die erste Grundlage und ursprünglicher Entzündungspunct alles Wissens ist.

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 2, Berlin 1845/1846, S. 41-43.
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