Vierte Rede

Soṇadaṇḍo

[75] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit wanderte der Erhabene in Bengalen von Ort zu Ort und kam, von vielen Mönchen begleitet, mit einer Schar von fünfhundert Mönchen, in die Nähe von Campā.

Bei Campā weilte nun der Erhabene, am Gestade des Gaggarā-Sees.

Um diese Zeit aber lebte Soṇadaṇḍo der Priester zu Campā, das, gar heiter anzuschauen, mit Weide-, Wald- und Wasserplätzen, mit Kornkammern, mit königlichem Reichtum begabt, vom Māgadher König Seniyo Bimbisāro als Königsgabe den Priestern zu eigen gegeben war.

Da hörten denn die priesterlichen Hausväter in Campā reden: ›Der Asket, wahrlich, Herr Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, wandert in unserem Lande von Ort zu Ort und ist, von vielen Mönchen begleitet, mit einer Schar von fünfhundert Mönchen bei Campā angekommen, weilt in der Nähe der Stadt, am Gestade des Gaggarā-Sees. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: »Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schar von Büßern und Priestern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketentum dar. Glücklich aber wer solche Heilige sehn kann!«‹

Es zogen nun priesterliche Hausväter von Campā aus der Stadt hinaus, zahlreich, in Scharen zusammengekommen, nach dem Gestade des Gaggarā-Sees, da zogen sie hin. Nun hatte gerade damals Soṇadaṇḍo der Priester oben auf der Zinne seines Hauses Tagesrast genommen. Da sah denn Soṇadaṇḍo der Priester die priesterlichen Hausleute von Campā aus der Stadt hinausziehn, zahlreich, in Scharen zusammengekommen, nach dem Gestade des Gaggarā-Sees dahinschreiten, und als er sie gesehn wandte er sich an seinen Torwart:

[76] »Was gehn nur, lieber Torwart, die priesterlichen Hausleute von Campā aus der Stadt hinaus, zahlreich, in Scharen zusammengekommen, nach dem Gestade des Gaggarā-Sees hinab?«

»Es ist, Herr, der Asket Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, der in Bengalen von Ort zu Ort wandert, von vielen Mönchen gefolgt, mit einer Schar von fünfhundert Mönchen bei Campā angekommen, weilt in der Nähe der Stadt, am Gestade des Gaggarā-Sees. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: ›Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene.‹ Diesen Herrn Gotamo gehn sie besuchen.«

»So geh' nur, lieber Torwart, zu jenen priesterlichen Hausleuten hin und sprich also zu ihnen: ›Soṇadaṇḍo, ihr Herren, der Priester, läßt sagen, es möchten die Herren etwas warten: auch Soṇadaṇḍo der Priester will den Asketen Gotamo besuchen.‹«

»Schön, Herr!« entgegnete da gehorsam der Torwart Soṇadaṇḍo dem Priester. Dann begab er sich zu den priesterlichen Hausvätern hin und sprach also zu ihnen:

»Soṇadaṇḍo, ihr Herren, der Priester, läßt sagen, es möchten die Herren etwas warten: auch Soṇadaṇḍo der Priester will den Asketen Gotamo besuchen.«

Damals nun waren gegen fünfhundert Priester aus verschiedenen Landen in Campā zusammengekommen, irgendeine Angelegenheit zu verhandeln. Als diese Priester da hörten, daß Soṇadaṇḍo der Priester den Asketen Gotamo besuchen gehn wolle, begaben sie sich alsbald zu Soṇadaṇḍo dem Priester und sprachen also zu ihm:

»Ist es wahr, wie man sagt, daß Herr Soṇadaṇḍo den Asketen Gotamo besuchen gehn will?«

»Gewiß, ihr Herren, auch ich denke den Asketen Gotamo zu besuchen.«

»Nicht Herr Soṇadaṇḍo darf den Asketen Gotamo besuchen gehn; nicht geziemt es Herrn Soṇadaṇḍo den Asketen Gotamo zu besuchen. Wenn da Herr Soṇadaṇḍo den Asketen Gotamo besuchen ginge, würde der Ruhm des Herrn Soṇadaṇḍo abnehmen, der Ruhm des Asketen Gotamo zunehmen. Weil aber der Ruhm des Herrn Soṇadaṇḍo abnehmen und der Ruhm des Asketen Gotamo zunehmen würde, so geziemt es eben insofern nicht Herrn Soṇadaṇḍo den Asketen Gotamo zu besuchen: dem Asketen Gotamo vielmehr geziemt es Herrn Soṇadaṇḍo zu besuchen. Denn Herr Soṇadaṇḍo ist beiderseit wohlgeboren, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt. Denn Herr Soṇadaṇḍo [77] ist reich, mit Geld und Gut mächtig begabt. Denn Herr Soṇadaṇḍo ist ein Gelehrter, ein Spruchkenner, ein Meister der drei Veden, samt ihrer Auslegung und Deutung, samt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufweist. Denn Herr Soṇadaṇḍo ist schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmut begabt, mit heiligem Glanze, heiligem Lichte, es ist keine geringe Gunst ihn anzublicken. Denn Herr Soṇadaṇḍo ist tugendrein, tugendreif, in Tugend reif geworden. Denn Herr Soṇadaṇḍo spricht angemessen, redet angemessen, seine Rede ist höflich, deutlich, nicht stammelnd, tauglich den Sinn darzulegen. Denn Herr Soṇadaṇḍo ist vieler Meister und Altmeister und läßt eine Schar von dreihundert Schülern die Sprüche bei sich erlernen, und gar zahlreich kommen sie noch herbei aus mancherlei Gegenden, mancherlei Reichen, die Jünglinge, um bei Herrn Soṇadaṇḍo spruchbegierig die Sprüche sich eifrig anzueignen. Denn Herr Soṇadaṇḍo ist alt und greis, hochbetagt, dem Ende nahe, am Ziel angelangt: der Asket Gotamo aber ist noch jung, ist erst vor kurzem hinausgezogen. Denn Herr Soṇadaṇḍo wird vom Māgadher König Seniyo Bimbisāro wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt und ausgezeichnet. Denn Herr Soṇadaṇḍo wird von Pokkharasāti dem Priester wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt und ausgezeichnet. Denn Herr Soṇadaṇḍo lebt zu Campā, das, gar heiter anzuschauen, mit Weide-, Wald- und Wasserplätzen, mit Kornkammern, mit königlichem Reichtum begabt, vom Māg adher König Seniyo Bimbisāro als Königsgabe den Priestern zu eigen gegeben ist. Weil aber Herr Soṇadaṇḍo zu Campā lebt, das, gar heiter anzuschauen, mit Weide-, Wald- und Wasserplätzen, mit Kornkammern, mit königlichem Reichtum begabt, vom Māgadher König Seniyo Bimbisāro als Königsgabe den Priestern zu eigen gegeben ist, so geziemt es eben insofern nicht Herrn Soṇadaṇḍo den Asketen Gotamo zu besuchen: dem Asketen Gotamo vielmehr geziemt es Herrn Soṇadaṇḍo zu besuchen.«

Auf diese Worte wandte sich Soṇadaṇḍo der Priester also an jene Priester:

»Wohlan denn, ihr Herren, so hört auch von mir, aus welchem und welchem Grunde136 es vielmehr uns geziemt den Herrn Gotamo zu besuchen, und es nicht dem Herrn Gotamo geziemt uns zu besuchen. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja beiderseit wohlgeboren, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt. Weil aber, ihr Herren, der Asket Gotamo beiderseit wohlgeboren ist, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt, so geziemt es eben insofern nicht dem Herrn Gotamo uns zu besuchen, sondern uns geziemt es den Herrn Gotamo zu besuchen. Der Asket Gotamo, ihr Herren, [78] hat ja einen großen Verwandtenkreis verlassen und ist hinausgezogen. Der Asket Gotamo, ihr Herren, hat ja reichlichem Gold und Geschmeide pilgernd entsagt, so heimlich vergrabenem wie offen aufgestelltem. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja, noch in frischer Blüte, glänzend dunkelhaarig, im Genusse glücklicher Jugend, im ersten Mannesalter aus dem Hause in die Hauslosigkeit gezogen. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja gegen den Wunsch seiner weinenden, klagenden Eltern, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit gezogen. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmut begabt, mit heiligem Glanze, heiligem Lichte, es ist keine geringe Gunst ihn anzublicken. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja tugendrein, von herrlicher Tugend, gediegener Tugend, in gediegener Tugend erfahren137. Der Asket Gotamo, ihr Herren, spricht ja angemessen, redet angemessen, seine Rede ist höflich, deutlich, nicht stammelnd, tauglich den Sinn darzulegen. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja vieler Meister und Altmeister. Der Asket Gotamo, ihr Herren, hat ja Wunschbegier versiegt, ist frei von Unfrieden. Der Asket Gotamo, ihr Herren, lehrt ja eigene Tat und eigenes Handeln, schützt den heilsuchenden Menschen kein Böses vor138. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja aus hohem Hause hinausgezogen, aus unabhängigem Herrscherhause139. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja aus reichem Hause hinausgezogen, mit Geld und Gut mächtig begabtem. Zum Asketen Gotamo, ihr Herren, kommen sie ja über Länder und Reiche her Fragen zu stellen. Beim Asketen Gotamo, ihr Herren, haben ja viele tausend Gottheiten zeitlebens Zuflucht genommen140. Den Asketen Gotamo, ihr Herren, begrüßt man ja allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: ›Das ist der Erhabene, Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene.‹ Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja mit den zweiunddreißig Merkmalen eines großen Mannes begabt. Der Asket Gotamo, ihr Herren, heißt ja einen jeden willkommen, als Freund, als Ermunterer, ohne finstere Miene, mit offenem Antlitz, er spricht uns zuvorkommend an. Der Asket Gotamo, ihr Herren, wird von den vier Ständen wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt und ausgezeichnet. Dem Asketen Gotamo, ihr Herren, sind ja gar viele Menschen fröhlich zugetan141. Bei welchem Dorfe oder welcher Burg auch da, ihr Herren, der Asket Gotamo Aufenthalt genommen, da mögen die wilden Tiere den Menschen nichts anhaben. Der Asket Gotamo, ihr Herren, hat ja zahlreiche Jünger und Anhänger um sich, ist das Haupt einer Schule, wird als vornehmster der volkstümlichen Bahnbrecher angesehn. Wenn aber wohl, ihr Herren, gar manche Asketen und Priester auf diese oder [79] auf jene Weise berühmt werden, so ist der Asket Gotamo durchaus nicht auf solche Art berühmt geworden: vielmehr durch die höchste Bewährung in Wissen und Wandel ist der Asket Gotamo berühmt geworden. Beim Asketen Gotamo, ihr Herren, hat ja König Pasenadi Kosalo mit seinen Kindern und Frauen, mit seinem Gesinde und Gefolge zeitlebens Zuflucht genommen. Beim Asketen Gotamo, ihr Herren, hat ja Pokkharasāti der Priester mit seinen Kindern und Frauen, mit seinem Gesinde und Gefolge zeitlebens Zuflucht genommen. Der Asket Gotamo, ihr Herren, wird ja vom Māgadher König Seniyo Bimbisāro wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt und ausgezeichnet. Der Asket Gotamo, ihr Herren, wird ja von König Pasenadi Kosalo wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt und ausgezeichnet. Der Asket Gotamo, ihr Herren, wird ja von Pokkharasāti dem Priester wertgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt und ausgezeichnet. Der Asket Gotamo, ihr Herren, ist ja bei Campā angekommen, weilt in der Nähe der Stadt, am Gestade des Gaggarā-Sees. Wer aber auch immer von Asketen und Priestern in unser Landgebiet kommt ist unser Gast. Und einen Gast müssen wir werthalten, hochschätzen, achten, ehren und auszeichnen. Weil nun, ihr Herren, der Asket Gotamo bei Campā angekommen ist, in der Nähe der Stadt weilt, am Gestade des Gaggarā-Sees, so ist der Asket Gotamo unser Gast: und der Gast ist von uns wertzuhalten, hochzuschätzen, zu achten, zu ehren und auszuzeichnen. Auch insofern geziemt es nicht dem Herrn Gotamo uns zu besuchen, sondern uns eben geziemt es den Herrn Gotamo zu besuchen. – Soviel weiß ich, ihr Herren, vom Preis des Herrn Gotamo; doch ist der Preis des Herrn Gotamo nicht soviel: unermeßlich ist ja der Preis des Herrn Gotamo142

Auf diese Worte wandten sich die Priester dort also an Soṇadaṇḍo den Priester:

»Wie da Herr Soṇadaṇḍo das Lob des Asketen Gotamo preist, mag wohl, wenn er, der Herr Gotamo, auch dreihundert Meilen von hier entfernt wäre, schon aus Zutrauen ein Mann von Stande gern hinziehn um ihn zu sehn, und wär' es auch nur von rückwärts143

»So wollen wir uns denn alle, ihr Herren, zum Asketen Gotamo hinbegeben.«

Alsbald nun machte sich Soṇadaṇḍo der Priester, begleitet von der zahlreichen Priesterschar, auf den Weg, nach dem Gaggarā-See zog er hin. Während aber Soṇadaṇḍo der Priester durch das Waldgehölz weiterschritt, stiegen ihm allmählich im Geiste Bedenken auf: ›Wenn ich etwa nun an den Asketen Gotamo eine Frage richte, und der Asket Gotamo dann zu mir vielleicht also spricht: »Diese Frage, Priester, kann man so nicht aufstellen«, so würde mich diese Schar darum verurteilen: »Töricht ist Soṇadaṇḍo der Priester, [80] ungeschickt, war nicht imstande eine Frage an den Asketen Gotamo gründlich zu stellen«; wen aber diese Schar erst verurteilen mag, dessen Ansehn auch mag von ihm weichen: wessen Ansehn aber erst gewichen ist, von dem wird auch der Wohlstand bald weichen: durch Ansehn erlangt haben wir ja unseren Wohlstand. – Wenn nun etwa der Asket Gotamo an mich eine Frage richtet, ich aber ihn durch meine Antwort auf die Frage nicht befriedige, und der Asket Gotamo dann zu mir vielleicht also spricht: »Diese Frage, Priester, kann man so nicht beantworten: so nur, Priester, kann man diese Frage beantworten«, so würde mich diese Schar darum verurteilen: »Töricht ist Soṇadaṇḍo der Priester, ungeschickt, war nicht imstande durch die Antwort auf die Frage den Asketen Gotamo zu befriedigen.« – Wenn ich aber etwa, schon so nahe gekommen, jetzt umkehrte ohne eben den Asketen Gotamo gesehn zu haben144, so würde mich diese Schar darum verurteilen: »Töricht ist Soṇadaṇḍo der Priester, ungeschickt, im Geiste trotzig und furchtsam, er vermochte nicht den Asketen Gotamo aufzusuchen: wie nur hätte er sonst, schon so nahe gekommen, wieder umkehren mögen ohne den Asketen Gotamo gesehn zu haben?« Wen aber diese Schar erst verurteilen mag, dessen Ansehn auch mag von ihm weichen: wessen Ansehn aber erst gewichen ist, von dem wird auch der Wohlstand bald weichen: durch Ansehn erlangt haben wir ja unseren Wohlstand.‹

So kam denn Soṇadaṇḍo der Priester dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt begrüßte er den Erhabenen höflich, wechselte freundliche, denkwürdige Worte und nahm dann Platz an der Seite. Von den priesterlichen Hausleuten aus Campā aber verneigten sich einige vor dem Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder, andere tauschten höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, einige wieder falteten die Hände gegen den Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, andere wieder gaben beim Erhabenen Namen und Stand zu erkennen und setzten sich zur Seite nieder, und andere setzten sich still zur Seite nieder. Auch dann aber blieb noch Soṇadaṇḍo der Priester, in ebendiese mancherlei145 Bedenken versunken, auf seinem Platze dort sitzen und gedachte bei sich: ›O daß mir doch der Asket Gotamo auf meinem Wissensgebiete über die drei Veden eine Frage stellen möchte, und ich ihn dann durch die Beantwortung der Frage befriedigen könnte!‹

Da nahm denn der Erhabene im Geiste den Geist und Gedanken Soṇadaṇḍo des Priesters wahr und sagte sich: ›Hin- und hergezerrt wird dieser Priester Soṇadaṇḍo von seinem Gemüte; wie, wenn ich nun Soṇadaṇḍo dem Priester auf seinem Wissensgebiete über die drei Veden eine Frage stellte?‹ So wandte sich nun der Erhabene an Soṇadaṇḍo den Priester mit diesen Worten:

»Wieviel doch, Priester, der Eigenschaften, sagen die Priester, muß ein [81] Priester erworben haben, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?«

Jetzt gedachte nun Soṇadaṇḍo der Priester bei sich: ›Was wir so innig erwünscht hatten, erhofft hatten, ersehnt hatten, erfleht hatten – o daß mir doch der Asket Gotamo auf meinem Wissensgebiete über die drei Veden eine Frage stellen möchte, und ich ihn dann durch die Beantwortung der Frage befriedigen könnte – da stellt mir nun der Asket Gotamo auf meinem Wissensgebiete über die drei Veden eine Frage, und ich kann ihn nun wirklich durch meine Antwort auf die Frage befriedigen!‹ Und Soṇadaṇḍo der Priester richtete sich empor146, blickte über die Versammlung hin und sprach nun also zum Erhabenen:

»Fünf sind es, o Gotamo, der Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe: welche fünf? Da ist, o Gotamo, ein Priester beiderseit wohlgeboren, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt. Ein Gelehrter ist er, ein Spruchkenner, ein Meister der drei Veden, samt ihrer Auslegung und Deutung, samt ihrer Laut-und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufweist. Schön ist er, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmut begabt, mit heiligem Glanze, heiligem Lichte, es ist keine geringe Gunst ihn anzublicken. Tugendrein ist er, tugendreif, in Tugend reif geworden. Und er ist weise, ist bedächtig, ist der vorderste oder der nächstfolgende der die Schar zu lenken Berufenen147. Das sind, o Gotamo, die fünf Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.«

»Darf man aber wohl, Priester, von diesen fünf Eigenschaften eine ausnehmen und den mit vier Eigenschaften Begabten noch Priester heißen, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?«

»Man darf es, o Gotamo. Wir wollen eben, o Gotamo, von diesen fünf Eigenschaften die Schönheit ausnehmen: was wird es auch auf Schönheit ankommen? Sofern nur, o Gotamo, ein Priester beiderseit wohlgeboren ist, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt; und ein Gelehrter ist, ein Spruchkenner, ein Meister der drei Veden, samt ihrer Auslegung und Deutung, samt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufweist; und er tugendrein ist, tugendreif, in Tugend reif geworden; und er [82] weise, bedächtig ist, der vorderste oder der nächstfolgende der die Schar zu lenken Berufenen: das sind, o Gotamo, die vier Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.«

»Darf man aber wohl, Priester, von diesen vier Eigenschaften eine ausnehmen und den mit drei Eigenschaften Begabten noch Priester heißen, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?«

»Man darf es, o Gotamo. Wir wollen eben, o Gotamo, von diesen vier Eigenschaften die Sprüche ausnehmen: was wird es auch auf Sprüche ankommen? Sofern nur, o Gotamo, ein Priester beiderseit wohlgeboren ist, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt; und er tugendrein ist, tugendreif, in Tugend reif geworden; und er weise, bedächtig ist, der vorderste oder der nächstfolgende der die Schar zu lenken Berufenen: das sind, o Gotamo, die drei Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.«

»Darf man aber wohl, Priester, von diesen drei Eigenschaften eine ausnehmen und den mit zwei Eigenschaften Begabten noch Priester heißen, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?«

»Man darf es, o Gotamo. Wir wollen eben, o Gotamo, von diesen drei Eigenschaften die Geburt ausnehmen: was wird es auch auf Geburt ankommen? Sofern nur, o Gotamo, ein Priester tugendrein ist, tugendreif, in Tugend reif geworden; und er weise, bedächtig ist, der vorderste oder der nächstfolgende der die Schar zu lenken Berufenen: das sind, o Gotamo, die zwei Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.«

Auf diese Worte hin wandten sich die Priester dort also an Soṇadaṇḍo den Priester:

»Nicht sollte Herr Soṇadaṇḍo so etwas gesagt haben, nicht sollte Herr Soṇadaṇḍo so etwas gesagt haben: es gibt ja Herr Soṇadaṇḍo die Schönheit preis, gibt die Sprüche preis, gibt die Geburt preis – ganz und gar hat ja Herr Soṇadaṇḍo sich dem Worte des Asketen Gotamo angeschlossen!«

Da wandte sich nun der Erhabene an jene Priester und sagte:

»Ist euch Priestern etwa im Sinne gelegen: ›Unerfahren ist ja Soṇadaṇḍo der Priester, unangemessen redet Soṇadaṇḍo der Priester, unverständig ist [83] Soṇadaṇḍo der Priester und nicht fähig über diesen Gegenstand mit dem Asketen Gotamo Rede zu führen‹: zurücktreten soll dann Soṇadaṇḍo der Priester und ihr sollt über diesen Gegenstand mit mir Rede führen. Ist euch Priestern aber etwa im Sinne gelegen: ›Vielerfahren ist ja Soṇadaṇḍo der Priester, angemessen redet Soṇadaṇḍo der Priester, verständig ist Soṇadaṇḍo der Priester, ist fähig über diesen Gegenstand mit dem Asketen Gotamo Rede zu führen148‹: zurücktreten sollt ihr dann und Soṇadaṇḍo der Priester soll über diesen Gegenstand mit mir Rede führen.«

Nach dieser Mahnung wandte sich Soṇadaṇḍo der Priester an den Erhabenen mit den Worten:

»Verziehn soll Herr Gotamo, nichts soll Herr Gotamo sagen: ich selbst will mit diesen da nach Rechtens Gegenrede führen.«

Und Soṇadaṇḍo der Priester wandte sich nun also an die Priester dort:

»Nicht sollten die Herren so etwas gesagt haben, nicht sollten die Herren so etwas gesagt haben: ›Es gibt ja Herr Soṇadaṇḍo die Schönheit preis, gibt die Sprüche preis, gibt die Geburt preis – ganz und gar hat ja Herr Soṇadaṇḍo sich dem Worte des Asketen Gotamo angeschlossen‹: ich gebe, ihr Herren, weder die Schönheit, noch die Sprüche, noch die Geburt preis.«

Nun war gerade damals der Sohn einer Schwester von Soṇadaṇḍo dem Priester, der junge Aṉgako, wie er hieß, in der Versammlung dort anwesend. Da wandte sich denn Soṇadaṇḍo der Priester an jene Priester und sagte:

»Kennen wohl die Herren den jungen Aṉgako hier, unseren Neffen?«

»Gewiß, Herr!«

»Aṉgako nun, ihr Herren, der junge Priester, ist schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmut begabt, mit heiligem Glanze, heiligem Lichte, es ist keine geringe Gunst ihn anzublicken, es gibt in dieser Versammlung nicht seinesgleichen an Schönheit, den Asketen Gotamo ausgenommen. Aṉgako nun, ihr Herren, der junge Priester, ist ein Gelehrter, ein Spruchkenner, ein Meister der drei Veden, samt ihrer Auslegung und Deutung, samt ihrer Laut- und Formenlehre, und ihren Sagen zufünft, der Gesänge kundig und ein Erklärer, der die Merkmale eines großen Weltweisen aufweist; ich hab' ihn die Sprüche gelehrt. Aṉgako nun, ihr Herren, der junge Priester, ist beiderseit wohlgeboren, vom Vater und von der Mutter aus, lauter empfangen, bis zum siebenten Ahnherrn hinauf unbefleckt, untadelhaft von Geburt; ich kenne seine Eltern. Aṉgako nun, ihr Herren, der junge Priester, könnte aber Lebendiges umbringen, könnte aber Nichtgegebenes nehmen, könnte aber der Frau eines anderen beiwohnen, könnte aber Lüge reden, könnte aber Berauschendes trinken: was möchte da wohl, ihr Herren, die Schönheit frommen, was die Sprüche, was die Geburt? Sofern nur, ihr Herren, ein Priester tugendrein ist, tugendreif, in Tugend reif geworden; und er weise, bedächtig ist, [84] der vorderste oder der nächstfolgende der die Schar zu lenken Berufenen: das sind, ihr Herren, die zwei Eigenschaften, sagen die Priester, die ein Priester erworben haben muß, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe.«

»Darf man aber wohl, Priester, von diesen zwei Eigenschaften eine ausnehmen und den mit einer Eigenschaft Begabten noch Priester heißen, auf daß er mit Recht ›Ich bin ein Priester‹ von sich aussagen kann und nicht etwa lügenhaft gesprochen habe?«

»Das wohl nicht, o Gotamo: von Tugend umflossen ist ja, o Gotamo, die Weisheit, von Weisheit umflossen die Tugend; wo Tugend ist, da ist Weisheit: wo Weisheit ist, da ist Tugend. Dem Tüchtigen kommt Weisheit zu, dem Weisen kommt Tugend zu; Tugend und Weisheit wird ja doch in der Welt als das Höchste bezeichnet. Gleichwie etwa, o Gotamo, eine Hand die andere wäscht, oder ein Fuß den anderen wäscht: ebenso ist auch, o Gotamo, die Weisheit von Tugend umflossen, die Tugend von Weisheit umflossen; wo Tugend ist, da ist Weisheit: wo Weisheit ist, da ist Tugend. Dem Tüchtigen kommt Weisheit zu, dem Weisen kommt Tugend zu; Tugend und Weisheit wird ja doch in der Welt als das Höchste bezeichnet149

»So ist es, Priester, so ist es, Priester: von Tugend umflossen ist freilich, Priester, die Weisheit, von Weisheit umflossen die Tugend; wo Tugend ist, da ist Weisheit: wo Weisheit ist, da ist Tugend. Dem Tüchtigen kommt Weisheit zu, dem Weisen kommt Tugend zu; Tugend und Weisheit wird ja doch in der Welt als das Höchste bezeichnet. Was ist das aber, Priester, für eine Tugend, und was für eine Weisheit ist das?«

»Insofern sind wir zu Ende nun, o Gotamo, mit unserer Angabe: gut aber wär' es, wenn eben Herr Gotamo den Sinn dieser Worte aufhellen wollte.«

»Wohlan denn, Priester, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Gewiß, Herr!« sagte da Soṇadaṇḍo der Priester zum Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Da erscheint, Priester, der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerherde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketentum dar. – Diese Lehre hört ein Hausvater, oder der Sohn eines Hausvaters, oder einer, der in anderem Stande neugeboren ward. Nachdem er diese Lehre gehört hat, faßt er [85] Vertrauen zum Vollendeten. Von diesem Vertrauen erfüllt denkt und überlegt er also: ›Ein Gefängnis ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel; der freie Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszöge?‹ So gibt er denn später einen kleinen Besitz oder einen großen Besitz auf, hat einen kleinen Verwandtenkreis oder einen großen Verwandtenkreis verlassen und ist mit geschorenem Haar und Barte, im fahlen Gewande von Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen. – Also Pilger geworden bleibt er in reiner Zucht richtig gezügelt, lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpft er beharrlich weiter, Schritt um Schritt; in Taten und Worten heilsam beflissen lebt er rein, ist tüchtig in Tugend, hütet die Tore der Sinne, gewappnet mit klarem Bewußtsein, zufrieden. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. – Treu der heiligen Tugendsatzung, treu der heiligen Sinnenzügelung, treu der heiligen klaren Einsicht, treu der heiligen Zufriedenheit sucht er einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene150. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht. Er hat weltliche Begierde verworfen und verweilt begierdelosen Gemütes, von Begierde läutert er sein Herz. Gehässigkeit hat er verworfen, haßlosen Gemütes verweilt er, voll Liebe und Mitleid zu allen lebenden Wesen läutert er sein Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hat er verworfen, von matter Müde ist er frei; das Licht liebend, einsichtig, klar bewußt, läutert er sein Herz von matter Müde. Stolzen Unmut hat er verworfen, er ist frei von Stolz; innig beruhigten Gemütes läutert er sein Herz von stolzem Unmut. Das Schwanken hat er verworfen, der Ungewißheit ist er entronnen; er zweifelt nicht am Guten, vom Schwanken läutert er sein Herz. Während er so diese fünf Hemmungen in sich aufgehoben erkennt, wird er freudig bewegt. Freudig bewegt wird er heiter. Heiteren Herzens wird der Körper beschwichtigt. Körperbeschwichtigt fühlt er sich wohl. Sich wohl fühlend wird sein Geist einig. So gewinnt er, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit, die Weihe der ersten Schauung. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. – Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erreicht er die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. – In heiterer Ruhe verweilt er gleichmütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfindet er im[86] Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmütig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. – Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt er die leidlose, freudlose, gleichmütig einsichtige vollkommene Reine, die Weihe der vierten Schauung. Das aber ist da nun, Priester, Tugend. Das also ist eben, Priester, Tugend. Wenn dann weiter, Priester, der heilige Jünger sich mancher verschiedenen früheren Daseinsform erinnert, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen, so gilt ihm das eben als Weisheit. Wenn dann weiter, Priester, der heilige Jünger die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sieht, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, erkennen kann wie die Wesen je nach Taten wiederkehren, so gilt ihm das eben als Weisheit. Wenn dann weiter, Priester, der heilige Jünger mit der Wahnversiegung die wahnlose Gemüterlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen kann, ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntnis ihm aufgeht, ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹, er verstanden hat, so gilt ihm das eben als Weisheit. Das also ist eben, Priester, Weisheit.«


Nach dieser Rede wandte sich Soṇadaṇḍo der Priester also an den Erhabenen:

»Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Gotamo, als ob einer Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirrten den Weg wiese, oder Licht in die Finsternis brächte: ›Wer Augen hat wird die Dinge sehn‹: ebenso auch hat Herr Gotamo die Lehre gar mannigfach dargelegt. Und so nehm' ich bei Herrn Gotamo151 Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger soll mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu. Und möge mir Herr Gotamo die Bitte gewähren, morgen mit den Mönchen bei mir zu speisen!«

Schweigend gewährte der Erhabene die Bitte.

Als nun Soṇadaṇḍo der Priester der Zustimmung des Erhabenen gewiß war, stand er von seinem Sitze auf, bot dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dar, ging rechts herum und zog von dannen.

Am nächsten Morgen dann ließ Soṇadaṇḍo der Priester in seiner Behausung ausgewählte feste und flüssige Speise auftragen und sandte alsbald einen Boten an den Erhabenen mit der Meldung: ›Es ist Zeit, o Gotamo, das Mahl ist bereit.‹ So begann denn der Erhabene sich beizeiten zu rüsten, nahm Mantel und Almosenschale und ging mit einer Schar Mönche zur Behausung hin, wo Soṇadaṇḍo der Priester wohnte. Dort angelangt nahm der Erhabene auf dem [87] dargebotenen Sitze Platz. Soṇadaṇḍo aber der Priester bediente und versorgte eigenhändig den Erwachten und seine Jünger mit ausgewählter fester und flüssiger Speise.

Nachdem nun der Erhabene gespeist und das Mahl beendet hatte, nahm Soṇadaṇḍo der Priester einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich zur Seite hin. Zur Seite sitzend wandte sich da Soṇadaṇḍo der Priester an den Erhabenen und sagte:

»Bin ich da wieder einmal, o Gotamo, in einer Versammlung anwesend, und ich würde mich von meinem Sitze erheben um Herrn Gotamo zu begrüßen, so würde mich deswegen meine Umgebung verurteilen. Wen aber diese Leute erst verurteilen, dessen Ansehn auch mag von ihm weichen: wessen Ansehn aber erst gewichen ist, von dem wird auch der Wohlstand bald weichen: durch Ansehn erlangt haben wir ja unseren Wohlstand. Bin ich da wieder einmal, o Gotamo, in einer Versammlung anwesend, und ich werde mich verbeugen, so möge Herr Gotamo dies für ein Erheben vom Sitze hinnehmen. Bin ich da wieder einmal, o Gotamo, in einer Versammlung anwesend, und ich werde die Kopfbedeckung lüpfen, so möge Herr Gotamo dies für ein Zufüßenlegen meines Hauptes hinnehmen. Trifft es sich aber, o Gotamo, daß ich im Wagen dahinfahre, und ich würde vom Wagen herabsteigen um Herrn Gotamo zu begrüßen, so würde mich deswegen meine Umgebung verurteilen. Wen aber diese Leute erst verurteilen, dessen Ansehn auch mag von ihm weichen: wessen Ansehn aber erst gewichen ist, von dem wird auch der Wohlstand bald weichen: durch Ansehn erlangt haben wir ja unseren Wohlstand. Trifft es sich also, o Gotamo, daß ich im Wagen dahinfahre, und ich werde den Gertenstab emporheben152, so möge Herr Gotamo dies für ein Herabsteigen vom Wagen hinnehmen. Und trifft es sich wieder, o Gotamo, daß ich im Wagen dahinfahre, und ich werde den Schirm153 herabsenken, so möge Herr Gotamo dies für ein Zufüßenlegen meines Hauptes hinnehmen.«


Wie dann nun der Erhabene Soṇadaṇḍo den Priester in lehrreichem Gespräche ermuntert, ermutigt, erregt und erheitert hatte, stand er von seinem Sitze auf und ging von dannen.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 2, Zürich/Wien 31957, S. 75-88.
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