IX

Das Sünden-Kapitel

[641] 116

O wende bald zum Guten dich,

Verschließ dein Herz dem Sündentrieb:

Denn wer nur lässig Rechtes tut,

Bleibt doch der Sünde wohlgeneigt.


117

Wenn Sündiges der Mensch getan hat,

So tue er es nimmer wieder,

Noch denke er daran mit Sehnsucht:

Denn schmerzlich brennet Sündenfülle.


118

Wenn Treffliches der Mensch getan hat,

So tue er es immer wieder,

Und denke stets daran mit Sehnsucht:

Denn glücklich machet Tugendfülle.


119

Auch einem Bösen geht es gut,

So lang das Böse nicht gereift;

Ist aber reif die böse Frucht,

Dann geht es schlecht dem schlechten Mann.


120

Auch einem Guten geht es schlecht,

So lang das Gute nicht gereift;

Ist aber reif die gute Frucht,

Dann geht es gut dem guten Mann.


[642] 121

Das Böse achte nicht gering:

»Darüber bin ich längst hinaus« –

Ein Tropfen nach dem anderen

Füllt endlich doch den Wasserkrug,

Voll wird des Toren Sinn und Herz,

Allmälig sammelnd Böses an.


122

Das Gute achte nicht gering:

»Darüber bin ich längst hinaus« –

Ein Tropfen nach dem anderen

Füllt endlich doch den Wasserkrug,

Voll wird des Weisen Sinn und Herz,

Allmälig sammelnd Gutes an.


123

Gleichwie ein reicher Handelsherr,

Mit vielem Gut, doch schlecht beschützt,

Den düstern Räuberhohlweg flieht,

Gleichwie der Lebensfreudige

Zurückbebt vor dem Giftpokal:

So scheue alles Sündige.


124

Wenn unverwundet deine Hand,

Magst ruhig du berühren Gift,

Die heile Haut durchdringt es nicht:

Kein Übel quält den Sündlosen.


125

Wer einem rechtgesinnten Manne Unrecht tut,

Dem graden, standhaften, dem makellosen,

Auf jenen Toren fällt zurück das Unrecht,

Wie feiner Staub, den man dem Wind entgegenwirft.


126

Als Embryo kehrt Der zurück,

Zur Hölle der Verworfene,

Zum Himmel steigt der Gute auf,

Total erlischt der Heilige.


[643] 127

Nicht in der Luft, nicht in der Meerestiefe,

Nicht in dem Herzen fernster Bergeshöhle,

Nicht findet in der Welt man jene Stätte,

Wo man der eignen Schuld entfliehen könnte.


128

Nicht in der Luft, nicht in der Meerestiefe,

Nicht in dem Herzen fernster Bergeshöhle,

Nicht findet in der Welt man jene Stätte,

Wo man dem Tode nicht erliegen müßte.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 641-644.
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