III. Theologische Idee

[221] (Kritik, S. 571 u. f.)


§ 55

Die dritte transzendentale Idee, die zu dem allerwichtigsten, aber, wenn er bloß spekulativ betrieben wird, überschwenglichen (transzendenten) und eben dadurch dialektischen Gebrauch der Vernunft Stoff gibt, ist das Ideal der[221] reinen Vernunft. Da die Vernunft hier nicht, wie bei der psychologischen und kosmologischen Idee, von der Erfahrung anhebt, und durch Steigerung der Gründe, wo möglich, zur absoluten Vollständigkeit ihrer Reihe zu trachten verleitet wird, sondern gänzlich abbricht, und aus bloßen Begriffen von dem, was die absolute Vollständigkeit eines Dinges überhaupt ausmachen würde, mithin vermittelst der Idee eines höchst vollkommnen Urwesens zur Bestimmung der Möglichkeit, mithin auch der Wirklichkeit aller andern Dinge herabgeht: so ist hier die bloße Voraussetzung eines Wesens, welches, obzwar nicht in der Erfahrungsreihe, dennoch zum Behuf der Erfahrung, um der Begreiflichkeit der Verknüpfung, Ordnung und Einheit der letzteren willen gedacht wird, d.i. die Idee von dem Verstandesbegriffe leichter wie in den vorigen Fällen zu unterscheiden. Daher konnte hier der dialektische Schein, welcher daraus entspringt, daß wir die subjektive Bedingungen unseres Denkens vor objektive Bedingungen der Sachen selbst und eine notwendige Hypothese zur Befriedigung unserer Vernunft vor ein Dogma halten, leicht vor Augen gestellt werden, und ich habe daher nichts weiter über die Anmaßungen der transzendentalen Theologie zu erinnern, da das, was die Kritik hierüber sagt, faßlich, einleuchtend und entscheidend ist.

Quelle:
Immanuel Kant: Werke in zwölf Bänden. Band 5, Frankfurt am Main 1977, S. 221-222.
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