Zweite Rede
Über das Wesen der Religion

[22] Ihr werdet wissen wie der alte Simonides durch immer wiederholtes und verlängertes Zögern denjenigen zur Ruhe verwies, der ihn mit der Frage belästigt hatte: was wohl die Götter seien. Ich möchte bei der weit größeren und mehr umfassenden: »was die Religion ist«, gern mit einer ähnlichen Zögerung anfangen.

Natürlich nicht in der Absicht um zu schweigen, und Euch wie Jener in der Verlegenheit zu lassen, sondern damit Ihr von ungeduldiger Erwartung hingehalten, eine Zeitlang Eure Blicke unverwandt auf den Punkt hinrichten möget, den wir suchen, und Euch aller andern Gedanken indes gänzlich entschlagen. Ist es doch die erste Forderung derer, welche nur gemeine Geister beschwören, daß der Zuschauer, der ihre Erscheinungen sehen und in ihre Geheimnisse eingeweiht werden will, sich durch Enthaltsamkeit von irdischen Dingen und durch heilige Stille vorbereite, und dann, ohne sich durch den Anblick fremder Gegenstände zu zerstreuen, mit ungeteilten Sinnen auf den Ort hinschaue, wo die Erscheinung sich zeigen soll. Wieviel mehr werde ich einen ähnlichen Gehorsam verlangen dürfen, der ich einen seltenen Geist hervorrufen soll, welcher nicht in irgend einer vielgesehenen geläufigen Larve zu erscheinen würdiget, und den Ihr lange mit angestrengter Aufmerksamkeit werdet beobachten müssen, um ihn zu erkennen, und seine bedeutsamen Züge zu verstehen. Nur wenn Ihr vor den heiligen Kreisen stehet, mit der unbefangensten Nüchternheit des Sinnes, die jeden Umriß klar und richtig auffaßt, und, voll Verlangen das Dargestellte aus sich selbst zu verstehen, weder von alten Erinnerungen verführt, noch von vorgefaßten Ahndungen bestochen wird, kann ich hoffen, daß Ihr meine Erscheinung[22] wo nicht liebgewinnen doch wenigstens Euch über ihre Gestalt mit mir einigen, und sie für ein himmlisches Wesen erkennen werdet. Ich wollte, ich könnte sie Euch unter irgendeiner wohlbekannten Bildung vorstellen, damit Ihr sogleich ihrer Züge, ihres Ganges, ihrer Manieren Euch erinnern und ausrufen möchtet, daß Ihr sie hier oder dort im Leben so gesehen habt. Aber ich würde Euch betrügen; denn so unverkleidet wie sie dem Beschwörer erscheint, wird sie unter den Menschen nicht angetroffen, und hat sich in ihrer eigentümlichen Gestalt wohl lange nicht erblicken lassen. So wie die besondere Sinnesart der verschiedenen kultivierten Völker, seitdem durch Verbindungen aller Art ihr Verkehr vielseitiger und des Gemeinschaftlichen unter ihnen mehr geworden ist, sich in einzelnen Handlungen nicht mehr so rein und bestimmt darstellt, sondern nur die Einbildungskraft die ganze Idee dieser Charaktere auffassen kann, die im Einzelnen nicht anders als zerstreut und mit vielem Fremdartigen vermischt angetroffen werden; so ist es auch mit geistigen Dingen, und unter ihnen mit der Religion. Es ist Euch ja bekannt, wie jetzt alles voll ist von harmonischer Ausbildung, und eben diese hat eine so vollendete und ausgebreitete Geselligkeit und Freundschaft innerhalb der menschlichen Seele gestiftet, daß jetzt unter uns keine von ihren Kräften, so gern wir sie auch abgesondert denken, in der Tat abgesondert handelt, sondern bei jeder Verrichtung sogleich von der zuvorkommenden Liebe und wohltätigen Unterstützung der Andern übereilt und von ihrer Bahn etwas abgetrieben wird, so daß man sich in dieser gebildeten Welt vergeblich nach einer Handlung umsieht, die von irgend einem Vermögen des Geistes, es sei Sinnlichkeit oder Verstand, Sittlichkeit oder Religion, einen treuen Ausdruck abgeben könnte.

Seid deswegen nicht ungehalten, und deutet es nicht als eine Geringschätzung der Gegenwart, wenn ich Euch öfters der Anschaulichkeit halber in jene kindlicheren Zeiten zurückführe, wo in einem unvollkommneren Zustande noch alles abgesonderter und einzelner war; und wenn ich gleich damit anfange, und immer wieder auf einem andern Wege sorgfältig darauf zurückkomme, vor jeder Verwechselung der Religion[23] mit dem was ihr hie und da ähnlich sieht, und womit Ihr sie überall vermischt finden werdet, nachdrücklich zu warnen.

Stellet Euch auf den höchsten Standpunkt der Metaphysik und der Moral, so werdet Ihr finden, daß beide mit der Religion denselben Gegenstand haben, nämlich das Universum und das Verhältnis des Menschen zu ihm. Diese Gleichheit ist von lange her ein Grund zu mancherlei Verirrungen gewesen; daher ist Metaphysik und Moral in Menge in die Religion eingedrungen, und manches was der Religion angehört, hat sich unter einer unschicklichen Form in die Metaphysik oder die Moral versteckt. Werdet Ihr aber deswegen glauben, daß sie mit einer von beiden einerlei sei? Ich weiß, daß Euer Instinkt Euch das Gegenteil sagt, und es geht auch aus Euren Meinungen hervor; denn Ihr gebt nie zu, daß sie mit dem festen Tritte einhergeht, dessen die Metaphysik fähig ist, und Ihr vergesset nicht fleißig zu bemerken, daß es in ihrer Geschichte eine Menge garstiger unmoralischer Flecken gibt. Soll sie sich also unterscheiden, so muß sie ihnen ungeachtet des gleichen Stoffs auf irgendeine Art entgegengesetzt sein; sie muß diesen Stoff ganz anders behandeln, ein anderes Verhältnis der Menschen zu demselben ausdrücken oder bearbeiten, eine andere Verfahrungsart oder ein anderes Ziel haben: denn nur dadurch kann dasjenige, was dem Stoff nach einem andern gleich ist, eine besondere Natur und ein eigentümliches Dasein bekommen. Ich frage Euch also: was tut Euere Metaphysik – oder wenn Ihr von dem veralteten Namen, der Euch zu historisch ist, nichts wissen wollt – Euere Transzendentalphilosophie? sie klassifiziert das Universum und teilt es ab in solche Wesen und solche, sie geht den Gründen dessen was da ist nach, und deduziert die Notwendigkeit des Wirklichen, sie entspinnet aus sich selbst die Realität der Welt und ihre Gesetze. In dieses Gebiet darf sich also die Religion nicht versteigen, sie darf nicht die Tendenz haben Wesen zu setzen und Naturen zu bestimmen, sich in ein Unendliches von Gründen und Deduktionen zu verlieren, letzte Ursachen aufzusuchen und ewige Wahrheiten auszusprechen. – Und was tut Euere Moral? Sie entwickelt aus der Natur des Menschen und seines Verhältnisses gegen das Universum ein System von Pflichten, sie gebietet[24] und untersagt Handlungen mit unumschränkter Gewalt. Auch das darf also die Religion nicht wagen, sie darf das Universum nicht brauchen um Pflichten abzuleiten, sie darf keinen Kodex von Gesetzen enthalten. – »Und doch scheint das, was man Religion nennt, nur aus Bruchstücken dieser verschiedenen Gebiete zu bestehen.« – Dies ist freilich der gemeine Begriff. Ich habe Euch letzthin Zweifel gegen ihn beigebracht; es ist jetzt Zeit ihn völlig zu vernichten. Die Theoretiker in der Religion, die aufs Wissen über die Natur des Universums und eines höchsten Wesens, dessen Werk es ist, ausgehen, sind Metaphysiker; aber artig genug, auch etwas Moral nicht zu verschmähen. Die Praktiker, denen der Wille Gottes Hauptsache ist, sind Moralisten; aber ein wenig im Stile der Metaphysik. Die Idee des Guten nehmt Ihr und tragt sie in die Metaphysik als Naturgesetz eines unbeschränkten und unbedürftigen Wesens, und die Idee eines Urwesens nehmt Ihr aus der Metaphysik und tragt sie in die Moral, damit dieses große Werk nicht anonym bleibe, sondern vor einem so herrlichen Kodex das Bild des Gesetzgebers könne gestochen werden. Mengt aber und rührt wie Ihr wollt, dies geht nie zusammen. Ihr treibt ein leeres Spiel mit Materien, die sich einander nicht aneignen. Ihr behaltet immer nur Metaphysik und Moral. Dieses Gemisch von Meinungen über das höchste Wesen oder die Welt, und von Geboten für ein menschliches Leben (oder gar für zwei) nennt Ihr Religion! und den Instinkt der jene Meinungen sucht, nebst den dunklen Ahndungen, welche die eigentliche letzte Sanktion dieser Gebote sind, nennt Ihr Religiosität! Aber wie kommt Ihr denn dazu, eine bloße Kompilation, eine Chrestomathie für Anfänger für ein eignes Werk zu halten, für ein Individuum eignen Ursprunges und eigener Kraft? Wie kommt Ihr dazu, seiner zu erwähnen, wenn es auch nur geschieht um es zu widerlegen? Warum habt Ihr es nicht längst aufgelöset in seine Teile und das schändliche Plagiat entdeckt? Ich hätte Lust, Euch durch einige sokratische Fragen zu ängstigen, und Euch zu dem Geständnisse zu bringen, daß Ihr in den gemeinsten Dingen die Prinzipien gar wohl kennt, nach denen das Ähnliche zusammengestellt und das Besondere dem Allgemeinen untergeordnet[25] werden muß, und daß Ihr sie hier mir nicht anwenden wollet, um mit der Welt über einen ernsten Gegenstand scherzen zu können. Wo ist denn die Einheit in diesem Ganzen? wo liegt das verbindende Prinzip für diesen ungleichartigen Stoff! Ist es eine eigne anziehende Kraft, so müßt Ihr gestehen, daß Religion das Höchste ist in der Philosophie, und daß Metaphysik und Moral nur untergeordnete Abteilungen von ihr sind; denn das worin zwei verschiedene aber entgegengesetzte Begriffe eins werden, kann nichts anders sein, als das Höhere, unter welches sie beide gehören. Liegt dies bindende Prinzip in der Metaphysik, habt Ihr aus Gründen, die ihr angehören, ein höchstes Wesen als moralischen Gesetzgeber erkannt, so vernichtet doch die praktische Philosophie, und gesteht daß sie, und mit ihr die Religion, nur ein kleines Kapitel der theoretischen ist. Wollt Ihr das umgekehrte behaupten; so müssen Metaphysik und Religion von der Moral verschlungen werden, der freilich, nachdem sie glauben gelernt und sich in ihren alten Tagen bequemt hat in ihrem innersten Heiligtume den geheimen Umarmungen zweier sich liebender Welten ein stilles Plätzchen zu bereiten, nichts mehr unmöglich sein mag. Oder wollt Ihr etwa sagen, das Metaphysische in der Religion hänge nicht vom Moralischen ab, und dieses nicht von jenem; es gebe einen wunderbaren Parallelismus zwischen dem Theoretischen und Praktischen, und eben diesen wahrnehmen und darstellen, sei Religion? Freilich zu diesem kann die Auflösung weder in der praktischen Philosophie liegen, denn diese kümmert sich nichts um ihn, noch in der theoretischen, denn diese strebt aufs eifrigste, ihn so weit als möglich zu verfolgen und zu vernichten, wie es denn auch ihres Amts ist. Aber ich denke. Ihr sucht von diesem Bedürfnisse getrieben schon seit einiger Zeit nach einer höchsten Philosophie, in der sich diese beiden Gattungen vereinigen, und seid immer auf dem Sprunge sie zu finden; und so nahe läge dieser die Religion! und die Philosophie müßte wirklich zu ihr flüchten, wie die Gegner derselben so gern behaupten? Gebt wohl Achtung was Ihr da saget. Mit allem dem bekommt Ihr entweder eine Religion die weit über der Philosophie steht, so wie diese sich gegenwärtig befindet, oder Ihr müßt so ehrlich sein, den[26] beiden Teilen derselben wiederzugeben was ihnen gehört, und zu bekennen, daß, was die Religion betrifft. Ihr noch nichts von ihr wißt. Ich will Euch zu dem ersten nicht anhalten, denn ich will keinen Platz besetzen, den ich nicht behaupten könnte, aber zu dem letzten werdet Ihr Euch wohl verstehen. Laßt uns aufrichtig miteinander umgehen. Ihr mögt die Religion nicht, davon sind wir schon neulich ausgegangen; aber indem Ihr einen ehrlichen Krieg gegen sie führt, der doch nicht ganz ohne Anstrengung ist, wollt Ihr doch nicht gegen einen Schatten gefochten haben, wie dieser, mit dem wir uns herumgeschlagen haben; sie muß doch etwas eigenes sein, was in der Menschen Herz hat kommen können, etwas denkbares, wovon sich ein Begriff aufstellen läßt, über den man reden und streiten kann, und ich finde es sehr unrecht, wenn Ihr selbst aus so disparaten Dingen etwas Unhaltbares zusammennähet, das Religion nennt, und dann so viel unnütze Umstände damit macht. Ihr werdet leugnen, daß Ihr hinterlistig zu Werke gegangen seid. Ihr werdet mich auffordern, alle Urkunden der Religion – weil ich doch die Systeme, die Kommentare und die Apologien schon verworfen habe – alle aufzurollen von den schönen Dichtungen der Griechen bis zu den heiligen Schriften der Christen, ob ich nicht überall die Natur der Götter finden werde, und ihren Willen, und überall den heilig und selig gepriesen, der die erstere erkennt und den letztern voll bringt. Aber das ist es ja eben, was ich Euch gesagt habe, daß die Religion nie rein erscheint, das alles sind nur die fremden Teile, die ihr anhängen, und es soll ja unser Geschäft sein, sie von diesen zu befreien. Liefert Euch doch die Körperwelt keinen Urstoff als reines Naturprodukt – Ihr müßtet dann, wie es Euch hier in der intellektuellen ergangen ist, sehr grobe Dinge für etwas Einfaches halten, – sondern es ist nur das unendliche Ziel der analytischen Kunst, einen solchen darstellen zu können; und in geistigen Dingen ist Euch das Ursprüngliche nicht anders zu schaffen, als wenn Ihr es durch eine ursprüngliche Schöpfung in Euch erzeugt, und auch dann nur auf den Moment wo Ihr es erzeugt. Ich bitte Euch, verstehet Euch selbst hierüber, Ihr werdet unaufhörlich daran erinnert werden. Was aber die Urkunden und die Autographa der Religion[27] betrifft, so ist in ihnen diese Einmischung von Metaphysik und Moral nicht bloß ein unvermeidliches Schicksal, sie ist vielmehr künstliche Anlage und hohe Absicht. Was als das erste und letzte gegeben wird, ist nicht immer das wahre und höchste. Wüßtet Ihr doch nur zwischen den Zeilen zu lesen! Alle heilige Schriften sind wie die bescheidenen Bücher, welche vor einiger Zeit in unserem bescheidenen Vaterlande gebräuchlich waren, die unter einem dürftigen Titel wichtige Dinge abhandelten. Sie kündigen freilich nur Metaphysik und Moral an, und gehen gern am Ende in das zurück, was sie angekündigt haben, aber Euch wird zugemutet diese Schale zu spalten. So liegt auch der Diamant in einer schlechten Masse gänzlich verschlossen, aber wahrlich nicht um verborgen zu bleiben, sondern um desto sicherer gefunden zu werden. Proselyten zu machen aus den Ungläubigen, das liegt sehr tief im Charakter der Religion; wer die seinige mitteilt, kann gar keinen andern Zweck haben, und so ist es in der Tat kaum ein frommer Betrug, sondern eine schickliche Methode bei dem anzufangen und um das besorgt zu scheinen, wofür der Sinn schon da ist, damit gelegentlich und unbemerkt sich das einschleiche, wofür er erst aufgeregt werden soll. Es ist, da alle Mitteilung der Religion nicht anders als rhetorisch sein kann, eine schlaue Gewinnung der Hörenden, sie in so guter Gesellschaft einzuführen. Aber dieses Hilfsmittel hat seinen Zweck nicht nur erreicht, sondern überholt, indem selbst Euch unter dieser Hülle ihr eigentliches Wesen verborgen geblieben ist. Darum ist es Zeit die Sache einmal beim andern Ende zu ergreifen, und mit dem schneidenden Gegensatz anzuheben, in welchen sich die Religion gegen Moral und Metaphysik befindet. Das war es was ich wollte. Ihr habt mich mit Euerem gemeinen Begriff gestört; er ist abgetan, hoffe ich, unterbrecht mich nun nicht weiter.

Sie entsagt hiermit, um den Besitz ihres Eigentums anzutreten, allen Ansprüchen auf irgend etwas, was jenen angehört, und gibt alles zurück, was man ihr aufgedrungen hat. Sie begehrt nicht das Universum seiner Natur nach zu bestimmen und zu erklären wie die Metaphysik, sie begehrt nicht aus Kraft der Freiheit und der göttlichen Willkür des Menschen[28] es fortzubilden und fertig zu machen wie die Moral. Ihr Wesen ist weder Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl. Anschauen will sie das Universum, in seinen eigenen Darstellungen und Handlungen will sie es andächtig belauschen, von seinen unmittelbaren Einflüssen will sie sich in kindlicher Passivität ergreifen und erfüllen lassen. So ist sie beiden in allem entgegengesetzt was ihr Wesen ausmacht, und in allem was ihre Wirkungen charakterisiert, Jene sehen im ganzen Universum nur den Menschen als Mittelpunkt aller Beziehungen, als Bedingung alles Seins und Ursach alles Werdens; sie will im Menschen nicht weniger als in allen andern Einzelnen und Endlichen das Unendliche sehen, dessen Abdruck, dessen Darstellung. Die Metaphysik geht aus von der endlichen Natur des Menschen, und will aus ihrem einfachsten Begriff, und aus dem Umfang ihrer Kräfte und ihrer Empfänglichkeit mit Bewußtsein bestimmen, was das Universum für ihn sein kann, und wie er es notwendig erblicken muß. Die Religion lebt ihr ganzes Leben auch in der Natur, aber in der unendlichen Natur des Ganzen, des Einen und Allen; was in dieser alles Einzelne und so auch der Mensch gilt, und wo alles und auch er treiben und bleiben mag in dieser ewigen Gärung einzelner Formen und Wesen, das will sie in stiller Ergebenheit im Einzelnen anschauen und ahnden. Die Moral geht vom Bewußtsein der Freiheit aus, deren Reich will sie ins Unendliche erweitern, und ihr alles unterwürfig machen; die Religion atmet da, wo die Freiheit selbst schon wieder Natur geworden ist, jenseit des Spiels seiner besondern Kräfte und seiner Personalität faßt sie den Menschen, und sieht ihn aus dem Gesichtspunkte, wo er das sein muß was er ist, er wolle oder wolle nicht. So behauptet sie ihr eigenes Gebiet und ihren eigenen Charakter nur dadurch, daß sie aus dem der Spekulation sowohl als aus dem der Praxis gänzlich herausgeht, und indem sie sich neben beide hinstellt, wird erst das gemeinschaftliche Feld vollkommen ausgefüllt, und die menschliche Natur von dieser Seite vollendet. Sie zeigt sich Euch als das notwendige und unentbehrliche Dritte zu jenen beiden, als ihr natürliches Gegenstück, nicht geringer an Würde und Herrlichkeit, als[29] welches von ihnen Ihr wollt. Spekulation und Praxis haben zu wollen ohne Religion, ist verwegener Übermut, es ist freche Feindschaft gegen die Götter, es ist der unheilige Sinn des Prometheus, der feigherzig stahl, was er in ruhiger Sicherheit hätte fordern und erwarten können. Geraubt nur hat der Mensch das Gefühl seiner Unendlichkeit und Gottähnlichkeit, und es kann ihm als unrechtes Gut nicht gedeihen, wenn er nicht auch seiner Beschränktheit sich bewußt wird, der Zufälligkeit seiner ganzen Form, des geräuschlosen Verschwindens seines ganzen Daseins im Unermeßlichen. Auch haben die Götter von je an diesen Frevel gestraft. Praxis ist Kunst, Spekulation ist Wissenschaft, Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche. Ohne diese, wie kann sich die erste über den gemeinen Kreis abenteuerlicher und hergebrachter Formen erheben? wie kann die andere etwas besseres werden als ein steifes und mageres Skelett? Oder warum vergißt über alles Wirken nach außen und aufs Universum hin Euere Praxis am Ende eigentlich immer den Menschen selbst zu bilden? weil Ihr ihn dem Universum entgegengesetzt und ihn nicht als einen Teil desselben und als etwas heiliges aus der Hand der Religion empfangt. Wie kommt sie zu der armseligen Einförmigkeit, die nur ein einziges Ideal kennt und dieses überall unterlegt? weil es Euch an dem Grundgefühl der unendlichen und lebendigen Natur fehlt, deren Symbol Mannigfaltigkeit und Individualität ist. Alles Endliche besteht nur durch die Bestimmung seiner Grenzen, die aus dem Unendlichen gleichsam herausgeschnitten werden müssen. Nur so kann es innerhalb dieser Grenzen selbst unendlich sein und eigen gebildet werden, und sonst verliert Ihr alles in der Gleichförmigkeit eines allgemeinen Begriffs. Warum hat Euch die Spekulation so lange statt eines Systems Blendwerke, und statt der Gedanken Worte gegeben? warum war sie nichts als ein leeres Spiel mit Formeln, die immer anders wiederkamen, und denen nie etwas entsprechen wollte? Weil es an Religion gebrach, weil das Gefühl des Unendlichen sie nicht beseelte, und die Sehnsucht nach ihm, und die Ehrfurcht vor ihm ihre feinen luftigen Gedanken nicht nötigte, eine festere Konsistenz anzunehmen, um sich gegen diesen gewaltigen Druck zu erhalten. Vom Anschauen[30] muß alles ausgehen, und wem die Begierde fehlt das Unendliche anzuschauen, der hat keinen Prüfstein und braucht freilich auch keinen, um zu wissen, ob er etwas ordentliches darüber gedacht hat.

Und wie wird es dem Triumph der Spekulation ergehen, dem vollendeten und gerundeten Idealismus, wenn Religion ihm nicht das Gegengewicht hält, und ihn einen höheren Realismus ahnden läßt als den, welchen er so kühn und mit so vollem Recht sich unterordnet? Er wird das Universum vernichten, indem er es zu bilden scheint, er wird es herabwürdigen zu einer bloßen Allegorie, zu einem nichtigen Schattenbilde unserer eignen Beschränktheit. Opfert mit mir ehrerbietig eine Locke den Manen des heiligen verstoßenen Spinoza! Ihn durchdrang der hohe Weltgeist, das Unendliche war sein Anfang und Ende, das Universum seine einzige und ewige Liebe, in heiliger Unschuld und tiefer Demut spiegelte er sich in der ewigen Welt, und sah zu wie auch Er ihr liebenswürdigster Spiegel war; voller Religion war Er und voll heiligen Geistes; und darum steht Er auch da, allein und unerreicht, Meister in seiner Kunst, aber erhaben über die profane Zunft, ohne Jünger und ohne Bürgerrecht.

Anschauen des Universums, ich bitte befreundet Euch mit diesem Begriff, er ist der Angel meiner ganzen Rede, er ist die allgemeinste und höchste Formel der Religion, woraus Ihr jeden Ort in derselben finden könnt, woraus sich ihr Wesen und ihre Grenzen aufs genaueste bestimmen lassen. Alles Anschauen gehet aus von einem Einfluß des Angeschaueten auf den Anschauenden, von einem ursprünglichen und unabhängigen Handeln des ersteren, welches dann von dem letzteren seiner Natur gemäß aufgenommen, zusammengefaßt und begriffen wird. Wenn die Ausflüsse des Lichtes nicht – was ganz ohne Euere Veranstaltung geschieht – Euer Organ berührten, wenn die kleinsten Teile der Körper die Spitzen Eurer Finger nicht mechanisch oder chemisch affizierten, wenn der Druck der Schwere Euch nicht einen Widerstand und eine Grenze Eurer Kraft offenbarte, so würdet Ihr nichts anschauen und nichts wahrnehmen, und was Ihr also anschaut und wahrnehmt, ist nicht die Natur der Dinge, sondern ihr Handeln auf Euch. Was Ihr über jene[31] wißt oder glaubt, liegt weit jenseits des Gebiets der Anschauung. So die Religion; das Universum ist in einer ununterbrochenen Tätigkeit und offenbart sich uns jeden Augenblick. Jede Form die es hervorbringt, jedes Wesen dem es nach der Fülle des Lebens ein abgesondertes Dasein gibt, jede Begebenheit die es aus seinem reichen immer fruchtbaren Schöße herausschüttet, ist ein Handeln desselben auf Uns; und so alles Einzelne als einen Teil des Ganzen, alles Beschränkte als eine Darstellung des Unendlichen hinnehmen, das ist Religion; was aber darüber hinaus will, und tiefer hineindringen in die Natur und Substanz des Ganzen ist nicht mehr Religion, und wird, wenn es doch noch dafür angesehen sein will, unvermeidlich zurücksinken in leere Mythologie. So war es Religion, wenn die Alten die Beschränkungen der Zeit und des Raumes vernichtend jede eigentümliche Art des Lebens durch die ganze Welt hin als das Werk und Reich eines allgegenwärtigen Wesens ansahen; sie hatten eine eigentümliche Handelsweise des Universum in ihrer Einheit angeschaut und bezeichneten so diese Anschauung; es war Religion wenn sie für jede hilfreiche Begebenheit, wobei die ewigen Gesetze der Welt sich im Zufälligen auf eine einleuchtende Art offenbarten, den Gott dem sie angehörte, mit einem eigenen Beinamen begabten und einen eignen Tempel ihm bauten; sie hatten eine Tat des Universums aufgefaßt, und bezeichneten so ihre Individualität und ihren Charakter, Es war Religion, wenn sie sich über das spröde eiserne Zeitalter der Welt voller Risse und Unebenen erhoben, und das goldene wiedersuchten im Olymp unter dem lustigen Leben der Götter; so schauten sie an die immer rege immer lebendige und heitere Tätigkeit der Welt und ihres Geistes, jenseits alles Wechsels und alles scheinbaren Übels, das nur aus dem Streit endlicher Formen hervorgehet. Aber wenn sie von den Abstammungen dieser Götter eine wunderbare Chronik hatten, oder wenn ein späterer Glaube uns eine lange Reihe von Emanationen und Erzeugungen vorführt, das ist leere Mythologie. Alle Begebenheiten in der Welt als Handlungen eines Gottes vorstellen, das ist Religion, es drückt ihre Beziehung auf ein unendliches Ganzes aus, aber über dem Sein[32] dieses Gottes vor der Welt und außer der Welt grübeln, mag in der Metaphysik gut und nötig sein, in der Religion wird auch das nur leere Mythologie, eine weitere Ausbildung desjenigen, was nur Hilfsmittel der Darstellung ist, als ob es selbst das wesentliche wäre, ein völliges Herausgehen aus dem eigentümlichen Boden. – Anschauung ist und bleibt immer etwas einzelnes, abgesondertes, die unmittelbare Wahrnehmung, weiter nichts; sie zu verbinden und in ein Ganzes zusammenzustellen, ist schon wieder nicht das Geschäft des Sinnes, sondern des abstrakten Denkens. So die Religion; bei den unmittelbaren Erfahrungen vom Dasein und Handeln des Universums, bei den einzelnen Anschauungen und Gefühlen bleibt sie stehen; jede derselben ist ein für sich bestehendes Werk ohne Zusammenhang mit andern oder Abhängigkeit von ihnen; von Ableitung und Anknüpfung weiß sie nichts, es ist unter allem was ihr begegnen kann das, dem ihre Natur am meisten widerstrebt. Nicht nur eine einzelne Tatsache oder Handlung, die man ihre ursprüngliche und erste nennen könnte, sondern alles ist in ihr unmittelbar und für sich wahr. – Ein System von Anschauungen, könnt Ihr Euch selbst etwas wunderlicheres denken? Lassen sich Ansichten, und gar Ansichten des Unendlichen in ein System bringen? Könnt Ihr sagen, man muß dieses so sehen, weil man jenes so sehen mußte? Dicht hinter Euch, dicht neben Euch mag einer stehen, und alles kann ihm anders erscheinen. Oder rücken etwa die möglichen Standpunkte, auf denen ein Geist stehen kann um das Universum zu betrachten, in abgemessenen Entfernungen fort, daß Ihr erschöpfen und aufzählen und das Charakteristische eines jeden genau bestimmen könnt? Sind ihrer nicht unendlich viele, und ist nicht jeder nur ein stetiger Übergang zwischen zwei andern? Ich rede Eure Sprache bei dieser Frage; es wäre ein unendliches Geschäft, und den Begriff von etwas Unendlichem seid Ihr nicht gewohnt mit dem Ausdruck System zu verbinden, sondern den von etwas Beschränktem und in seiner Beschränkung Vollendetem. Erhebt Euch einmal – es ist doch für die meisten unter Euch ein Erheben – zu jenem Unendlichen der sinnlichen Anschauung, dem bewunderten und gefeierten Sternenhimmel. Die astronomischen[33] Theorien, die tausend Sonnen mit ihren Weltsystemen um eine gemeinschaftliche führen, und für diese wiederum ein höheres Weltsystem suchen, welches ihr Mittelpunkt sein könnte, und so fort ins Unendliche nach innen und nach außen, diese werdet Ihr doch nicht ein System von Anschauungen als solchen nennen wollen? Das Einzige dem ihr diesen Namen beilegen könnt, wäre die uralte Arbeit jener kindlichen Gemüter, die die unendliche Menge dieser Erscheinungen in bestimmte aber dürftige und unschickliche Bilder gefaßt haben. Ihr wißt aber, daß darin kein Schein von System ist, daß noch immer Gestirne zwischen diesen Bildern entdeckt werden, daß auch innerhalb ihrer Grenzen alles unbestimmt und unendlich ist, und daß sie selbst etwas rein willkürliches und höchst bewegliches bleiben. Wenn Ihr einen überredet habt mit Euch das Bild des Wagens in die blaue Folie der Welten hineinzuzeichnen, bleibt es ihm nicht demohngeachtet frei die nächstgelegenen Welten in ganz andere Umrisse zusammenzufassen als die Eurigen sind? Dieses unendliche Chaos, wo freilich jeder Punkt eine Welt vorstellt, ist eben als solches in der Tat das schicklichste und höchste Sinnbild der Religion; in ihr wie in ihm ist nur das Einzelne wahr und notwendig, nichts kann oder darf aus dem andern bewiesen werden, und alles Allgemeine, worunter das Einzelne befaßt werden soll, alle Zusammenstellung und Verbindung liegt entweder in einem fremden Gebiet, wenn sie auf das Innre und Wesentliche bezogen werden soll, oder ist nur ein Werk der spielenden Phantasie und der freiesten Willkür. Wenn Tausende von Euch dieselben religiösen Anschauungen haben könnten, so würde gewiß jeder andere Umrisse ziehen, um fest zu halten wie er sie neben oder nacheinander erblickt hat; es würde dabei nicht etwa auf sein Gemüt, nur auf einen zufälligen Zustand, auf eine Kleinigkeit ankommen. Jeder mag seine eigne Anordnung haben und seine eigene Rubriken, das Einzelne kann dadurch weder gewinnen noch verlieren, und wer wahrhaft um seine Religion und ihr Wesen weiß, wird jeden scheinbaren Zusammenhang dem Einzelnen tief unterordnen, und ihm nicht das[34] kleinste von diesem aufopfern. Eben wegen dieser selbständigen Einzelheit ist das Gebiet der Anschauung so unendlich.

Stellt Euch an den entferntesten Punkt der Körperwelt, Ihr werdet von dort aus nicht nur dieselben Gegenstände in einer andern Ordnung sehen und wenn Ihr Euch an Eure vorigen willkürlichen Bilder halten wollt, die Ihr dort nicht wiederfindet, ganz verirrt sein; sondern Ihr werdet in neuen Regionen noch ganz neue Gegenstände entdecken. Ihr könnt nicht sagen, daß Euer Horizont, auch der weiteste, alles umfaßt, und daß jenseits desselben nichts mehr anzuschauen sei, oder daß Eurem Auge auch dem bewaffnetsten innerhalb desselben nichts entgehe: Ihr findet nirgends Grenzen, und könnt Euch auch keine denken. Von der Religion gilt dies in einem noch weit höheren Sinne; von einem entgegengesetzten Punkte aus würdet Ihr nicht nur in neuen Gegenden neue Anschauungen erhalten, auch in dem alten wohlbekannten Raume würden sich die ersten Elemente in andere Gestalten vereinigen und alles würde anders sein. Sie ist nicht nur deswegen unendlich, weil Handeln und Leiden auch zwischen demselben beschränkten Stoff und dem Gemüt ohne Ende wechselt – Ihr wißt daß dies die einzige Unendlichkeit der Spekulation ist – nicht nur deswegen weil sie nach innen zu unvollendbar ist wie die Moral, sie ist unendlich, nach allen Seiten, ein Unendliches des Stoffs und der Form, des Seins, des Sehens und des Wissens darum. Dieses Gefühl muß Jeden begleiten der wirklich Religion hat. Jeder muß sich bewußt sein, daß die seinige nur ein Teil des Ganzen ist, daß es über dieselben Gegenstände, die ihn religiös affizieren, Ansichten gibt, die eben so fromm sind und doch von den seinigen gänzlich verschieden, und daß aus andern Elementen der Religion Anschauungen und Gefühle ausfließen, für die ihm vielleicht gänzlich der Sinn fehlt. Ihr seht wie unmittelbar diese schöne Bescheidenheit, diese freundliche einladende Duldsamkeit aus dem Begriff der Religion entspringt, und wie innig sie sich an ihn anschmiegt. Wie unrecht wendet Ihr Euch also an die Religion mit Eueren Vorwürfen, daß sie verfolgungssüchtig sei und gehässig, daß sie die Gesellschaft zerrütte und Blut fließen lasse wie Wasser. Klaget dessen diejenigen an, welche die Religion verderben,[35] welche sie mit Philosophie überschwemmen und sie in die Fesseln eines Systems schlagen wollen. Worüber denn in der Religion hat man gestritten, Partei gemacht und Kriege entzündet? Über die Moral bisweilen und über die Metaphysik immer, und beide gehören nicht hinein. Die Philosophie wohl strebt diejenigen, welche wissen wollen, unter ein gemeinschaftliches Wissen zu bringen, wie Ihr das täglich sehet, die Religion aber nicht diejenigen welche glauben und fühlen, unter Einen Glauben und Ein Gefühl. Sie strebt wohl denen, welche noch nicht fähig sind das Universum anzuschauen, die Augen zu öffnen, denn jeder Sehende ist ein neuer Priester, ein neuer Mittler, ein neues Organ; aber eben deswegen flieht sie mit Widerwillen die kahle Einförmigkeit, welche diesen göttlichen Überfluß wieder zerstören würde. Die Systemsucht stößt freilich das Fremde ab, sei es auch noch so denkbar und wahr, weil es die wohlgeschlossenen Reihen des Eigenen verderben, und den schönen Zusammenhang stören könnte, indem es seinen Platz forderte; in ihr ist der Sitz der Widersprüche, sie muß streiten und verfolgen; denn insofern das Einzelne wieder auf etwas Einzelnes und Endliches bezogen wird, kann freilich Eins das Andere zerstören durch sein Dasein; im Unendlichen aber steht alles Endliche ungestört nebeneinander, alles ist Eins und alles ist wahr. Auch haben nur die Systematiker dies alles angerichtet. Das neue Rom, das gottlose aber konsequente schleudert Bannstrahlen und stößt Ketzer aus; das alte, wahrhaft fromm und religiös im hohen Stil war gastfrei gegen jeden Gott, und so wurde es der Götter voll. Die Anhänger des toten Buchstabens den die Religion auswirft, haben die Welt mit Geschrei und Getümmel erfüllt, die wahren Beschauer des Ewigen waren immer ruhige Seelen, entweder allein mit sich und dem Unendlichen, oder wenn sie sich umsahen, jedem der das große Wort nur verstand, seine eigne Art gern vergönnend. Mit diesem weiten Blick und diesem Gefühl des Unendlichen sieht sie aber auch das an was außer ihrem eigenen Gebiete liegt, und enthält in sich die Anlage zur unbeschränktesten Vielseitigkeit im Urteil und in der Betrachtung, welche in der Tat anderswoher nicht zu nehmen ist. Lasset irgend etwas anders den Menschen beseelen – ich schließe die Sittlichkeit[36] nicht aus noch die Philosophie, und berufe mich vielmehr ihretwegen auf Eure eigne Erfahrung – sein Denken und sein Streben, worauf es auch gerichtet sei, zieht einen engen Kreis um ihn, in welchem sein Höchstes eingeschlossen liegt, und außer welchem ihm alles gemein und unwürdig erscheint. Wer nur systematisch denken und nach Grundsatz und Absicht handeln, und dies und jenes ausrichten will in der Welt, der umgrenzt unvermeidlich sich selbst und setzt immerfort dasjenige sich entgegen zum Gegenstande des Widerwillens was sein Tun und Treiben nicht fördert. Nur der Trieb anzuschauen, wenn er aufs Unendliche gerichtet ist, setzt das Gemüt in unbeschränkte Freiheit, nur die Religion rettet es von den schimpflichsten Fesseln der Meinung und der Begierde. Alles was ist, ist für sie notwendig, und alles was sein kann, ist ihr ein wahres unentbehrliches Bild des Unendlichen; wer nur den Punkt findet, woraus seine Beziehung auf dasselbe sich entdecken läßt. Wie verwerflich auch etwas in andern Beziehungen oder an sich selbst sei, in dieser Rücksicht ist es immer wert zu sein und aufbewahrt und betrachtet zu werden. Einem frommen Gemüte macht die Religion alles heilig und wert, sogar die Unheiligkeit und die Gemeinheit selbst, alles was es faßt und nicht faßt, was in dem System seiner eigenen Gedanken liegt und mit seiner eigentümlichen Handelsweise übereinstimmt oder nicht; sie ist die einzige und geschworne Feindin aller Pedanterie und aller Einseitigkeit. – Endlich um das allgemeine Bild der Religion zu vollenden, erinnert Euch, daß jede Anschauung ihrer Natur nach mit einem Gefühl verbunden ist. Euere Organe vermitteln den Zusammenhang zwischen dem Gegenstande und Euch, derselbe Einfluß des letztern, der Euch sein Dasein offenbaret, muß sie auf mancherlei Weise erregen, und in Eurem innern Bewußtsein eine Veränderung hervorbringen. Dieses Gefühl, das Ihr freilich oft kaum gewahr werdet, kann in andern Fällen zu einer solchen Heftigkeit heranwachsen, daß Ihr des Gegenstandes und Euerer selbst darüber vergeßt. Euer ganzes Nervensystem kann so davon durchdrungen werden, daß die Sensation lange allein herrscht und lange noch nachklingt, und der Wirkung anderer Eindrücke widersteht; aber daß ein Handeln in Euch[37] hervorgebracht, die Selbsttätigkeit Eures Geistes in Bewegung gesetzt wird, das werdet Ihr doch nicht den Einflüssen äußerer Gegenstände zuschreiben? Ihr werdet doch gestehen, daß das weit außer der Macht auch der stärksten Gefühle liege, und eine ganz andere Quelle haben müsse in Euch. So die Religion; dieselben Handlungen des Universums, durch welche es sich Euch im Endlichen offenbart, bringen es auch in ein neues Verhältnis zu Eurem Gemüt und Eurem Zustand; indem Ihr es anschauet müßt Ihr notwendig von mancherlei Gefühlen ergriffen werden. Nur daß in der Religion ein anderes und festeres Verhältnis zwischen der Anschauung und dem Gefühl stattfindet, und nie jene so sehr überwiegt daß dieses beinahe verlöscht wird. Im Gegenteil ist es wohl ein Wunder, wenn die ewige Welt auf die Organe unseres Geistes so wirkt wie die Sonne auf unser Auge? wenn sie uns so blendet, daß nicht nur in dem Augenblick alles übrige verschwindet, sondern auch noch lange nachher alle Gegenstände die wir betrachten, mit dem Bilde derselben bezeichnet und von ihrem Glanz übergossen sind? So wie die besondere Art wie das Universum sich Euch in Euren Anschauungen darstellt, das Eigentümliche Eurer individuellen Religion ausmacht, so bestimmt die Stärke dieser Gefühle den Grad der Religiosität. Je gesunder der Sinn, desto schärfer und bestimmter wird er jeden Eindruck auffassen, je sehnlicher der Durst, je unaufhaltsamer der Trieb das Unendliche zu ergreifen, desto mannigfaltiger wird das Gemüt selbst überall und ununterbrochen von ihm ergriffen werden, desto vollkommner werden diese Eindrücke es durchdringen, desto leichter werden sie immer wieder erwachen, und über alle andere die Oberhand behalten. So weit geht an dieser Seite das Gebiet der Religion, ihre Gefühle sollen uns besitzen, wir sollen sie aussprechen, festhalten, darstellen; wollt Ihr aber darüber hinaus mit ihnen, sollen sie eigentliche Handlungen veranlassen, und zu Taten antreiben, so befindet Ihr Euch auf einem fremden Gebiet; und haltet Ihr dies dennoch für Religion, so seid Ihr, wie vernünftig und löblich Euer Tun auch aussehe, versunken in unheilige Superstition. Alles eigentliche Handeln soll moralisch sein und kann es auch, aber die religiösen Gefühle sollen wie eine heilige Musik alles Tun des Menschen[38] begleiten; er soll alles mit Religion tun, nichts aus Religion. Wenn Ihr es nicht versteht, daß alles Handeln moralisch sein soll, so setze ich hinzu, daß dies auch von allem andern gilt. Mit Ruhe soll der Mensch handeln, und was er unternehme, das geschehe mit Besonnenheit. Fraget den sittlichen Menschen, fraget den politischen, fraget den künstlerischen, alle werden sagen, daß dies ihre erste Vorschrift sei; aber Ruhe und Besonnenheit ist verloren, wenn der Mensch sich durch die heftigen und erschütternden Gefühle der Religion zum Handeln treiben läßt. Auch ist es unnatürlich daß dieses geschehe, die religiösen Gefühle lahmen ihrer Natur nach die Tatkraft des Menschen, und laden ihn ein zum stillen hingegebenen Genuß; daher auch die religiösesten Menschen, denen es an andern Antrieben zum Handeln fehlte, und die nichts waren als religiös, die Welt verließen, und sich ganz der müßigen Beschauung ergaben. Zwingen muß der Mensch erst sich und seine frommen Gefühle, ehe sie Handlungen aus ihm herauspressen, und ich darf mich nur auf Euch berufen, es gehört ja mit zu Euren Anklagen, daß so viel sinnlose und unnatürliche auf diesem Wege zustande gekommen sind. Ihr seht, ich gebe Euch nicht nur diese preis, sondern auch die vortrefflichsten und löblichsten. Ob bedeutungslose Gebräuche gehandhabt oder gute Werke verrichtet, ob auf blutenden Altären Menschen geschlachtet oder ob sie mit wohltätiger Hand beglückt werden, ob in toter Untätigkeit das Leben hingebracht wird, oder in schwerfälliger geschmackloser Ordnung, oder in leichter üppiger Sinnenlust, das sind freilich, wenn von Moral oder vom Leben und von weltlichen Beziehungen die Rede ist, himmelweit voneinander unterschiedene Dinge; sollen sie aber zur Religion gehören und aus ihr hervorgegangen sein, so sind sie alle einander gleich, nur sklavischer Aberglaube eins wie das andere. Ihr tadelt denjenigen, der durch den Eindruck, welchen ein Mensch auf ihn macht, sein Verhalten gegen ihn bestimmen läßt. Ihr wollt daß auch das richtigste Gefühl über die Gegenwirkung des Menschen uns nicht zu Handlungen verleiten soll, wozu wir keinen bessern Grund haben; so ist also auch derjenige zu tadeln, dessen Handlungen, die immer aufs Ganze gerichtet sein sollten, lediglich durch die Gefühle[39] bestimmt werden, die eben dieses Ganze in ihm erweckt; er wird ausgezeichnet als ein solcher, der seine Würde preisgibt, nicht nur aus dem Standpunkt der Moral, weil er fremden Beweggründen Raum läßt, sondern auch aus dem der Religion selbst, weil er aufhört zu sein, was ihm allein in ihren Augen einen eigentümlichen Wert gibt, ein freier durch eigene Kraft tätiger Teil des Ganzen. Dieser gänzliche Mißverstand, daß die Religion handeln soll, kann nicht anders als zugleich ein furchtbarer Mißbrauch sein, und auf welche Seite sich auch die Tätigkeit wende, in Unheil und Zerrüttung endigen. Aber bei ruhigem Handeln, welches aus seiner eigenen Quelle hervorgehen muß, die Seele voll Religion haben, das ist das Ziel des Frommen. Nur böse Geister, nicht gute, besitzen den Menschen und treiben ihn, und die Legion von Engeln womit der himmlische Vater seinen Sohn ausgestattet hatte, waren nicht in ihm, sondern um ihn her; sie halfen ihm auch nicht in seinem Tun und Lassen, und sollten es auch nicht, aber sie flößten Heiterkeit und Ruhe in die von Tun und Denken ermattete Seele; er verlor sie wohl bisweilen aus den Augen, in Augenblicken, wo seine ganze Kraft zum Handeln aufgeregt war, aber dann umschwebten sie ihn wieder in fröhlichem Gedränge und dienten ihm. – Ehe ich Euch aber in das Einzelne dieser Anschauungen und Gefühle hineinführe, welches allerdings mein nächstes Geschäft an Euch sein muß, so vergönnt mir zuvor einen Augenblick darüber zu trauern, daß ich von beiden nicht anders als getrennt reden kann; der feinste Geist der Religion geht dadurch verloren für meine Rede, und ich kann ihr innerstes Geheimnis nur schwankend und unsicher enthüllen. Aber eine notwendige Reflexion trennt beide, und wer kann über irgend etwas, das zum Bewußtsein gehört, reden, ohne erst durch dieses Medium hindurchzugehen. Nicht nur wenn wir eine innere Handlung des Gemüts mitteilen, auch wenn wir sie nur in uns zum Stoff der Betrachtung machen, und zum deutlichen Bewußtsein erhöhen wollen, geht gleich diese unvermeidliche Scheidung vor sich: das Faktum vermischt sich mit dem ursprünglichen Bewußtsein unserer doppelten Tätigkeit, der herrschenden und nach außen wirkenden, und der bloß zeichnenden und nachbildenden, welche den Dingen[40] vielmehr zu dienen scheint, und sogleich bei dieser Berührung zerlegt sich der einfachste Stoff in zwei entgegengesetzte Elemente: die einen treten zusammen zum Bilde eines Objekts, die andern dringen durch zum Mittelpunkt unsers Wesens, brausen dort auf mit unsern ursprünglichen Trieben und entwickeln ein flüchtiges Gefühl. Auch mit dem innersten Schaffen des religiösen Sinnes können wir diesem Schicksal nicht entgehen; nicht anders als in dieser getrennten Gestalt können wir seine Produkte wieder zur Oberfläche herauffördern und mitteilen. Nur denkt nicht – dies ist eben einer von den gefährlichsten Irrtümern – daß religiöse Anschauungen und Gefühle auch ursprünglich in der ersten Handlung des Gemüts so abgesondert sein dürfen, wie wir sie leider hier betrachten müssen. Anschauung ohne Gefühl ist nichts und kann weder den rechten Ursprung noch die rechte Kraft haben, Gefühl ohne Anschauung ist auch nichts: beide sind nur dann und deswegen etwas, wenn und weil sie ursprünglich Eins und ungetrennt sind. Jener erste geheimnisvolle Augenblick, der bei jeder sinnlichen Wahrnehmung vorkommt, ehe noch Anschauung und Gefühl sich trennen, wo der Sinn und sein Gegenstand gleichsam ineinander geflossen und Eins geworden sind, ehe noch beide an ihren ursprünglichen Platz zurückkehren – ich weiß wie unbeschreiblich er ist, und wie schnell er vorüber geht, ich wollte aber Ihr könntet ihn festhalten und auch in der höheren und göttlichen religiösen Tätigkeit des Gemüts ihn wieder erkennen. Könnte und dürfte ich ihn doch aussprechen, andeuten wenigstens, ohne ihn zu entheiligen! Flüchtig ist er und durchsichtig wie der erste Duft womit der Tau die erwachten Blumen anhaucht, schamhaft und zart wie ein jungfräulicher Kuß, heilig und fruchtbar wie eine bräutliche Umarmung; ja nicht wie dies, sondern er ist alles dieses selbst. Schnell und zauberisch entwickelt sich eine Erscheinung eine Begebenheit zu einem Bilde des Universums. So wie sie sich formt die geliebte und immer gesuchte Gestalt, flieht ihr meine Seele entgegen, ich umfange sie nicht wie einen Schatten, sondern wie das heilige Wesen selbst. Ich liege am Busen der unendlichen Welt: ich bin in diesem Augenblick ihre Seele, denn ich fühle alle ihre Kräfte und ihr unendliches[41] Leben, wie mein eigenes, sie ist in diesem Augenblicke mein Leib, denn ich durchdringe ihre Muskeln und ihre Glieder wie meine eigenen, und ihre innersten Nerven bewegen sich nach meinem Sinn und meiner Ahndung wie die meinigen. Die geringste Erschütterung, und es verweht die heilige Umarmung, und nun erst steht die Anschauung vor mir als eine abgesonderte Gestalt, ich messe sie, und sie spiegelt sich in der offenen Seele wie das Bild der sich entwindenden Geliebten in dem aufgeschlagenen Auge des Jünglings, und nun erst arbeitet sich das Gefühl aus dem Innern empor, und verbreitet sich wie die Röte der Scham und der Lust auf seiner Wange. Dieser Moment ist die höchste Blüte der Religion. Könnt ich ihn Euch schaffen, so wäre ich ein Gott – das heilige Schicksal verzeihe mir nur, daß ich mehr als Eleusische Mysterien habe aufdecken müssen – Er ist die Geburtsstunde alles Lebendigen in der Religion. Aber es ist damit wie mit dem ersten Bewußtsein des Menschen, welches sich in das Dunkel einer ursprünglichen und ewigen Schöpfung zurückzieht, und ihm nur das hinterläßt was es erzeugt hat. Nur die Anschauungen und Gefühle kann ich Euch vergegenwärtigen, die sich aus solchen Momenten entwickeln. Das aber sei Euch gesagt: wenn Ihr diese noch so vollkommen versteht, wenn Ihr sie in Euch zu haben glaubt im klarsten Bewußtsein, aber Ihr wißt nicht und könnt es nicht aufzeigen, daß sie aus solchen Augenblicken in Euch entstanden und ursprünglich Eins und ungetrennt gewesen sind, so überredet Euch und mich nicht weiter, es ist dem doch nicht so, Euere Seele hat nie empfangen, es sind nur untergeschobene Kinder, Erzeugnisse anderer Seelen, die Ihr im heimlichen Gefühl der eignen Schwäche adoptiert habt. Als unheilige und entfernt von allem göttlichen Leben bezeichne ich Euch diejenigen, die also herumgehen und sich brüsten mit Religion. Da hat der eine Anschauungen der Welt und Formeln, welche sie ausdrücken sollen, und der andere hat Gefühle und innere Erfahrungen, wodurch er sie dokumentiert. Jener flicht seine Formeln übereinander, und dieser webt eine Heilsordnung aus seinen Erfahrungen, und nun ist Streit wieviel Begriffe und Erklärungen man nehmen müsse, und wieviel Rührungen und Empfindungen, um daraus[42] eine tüchtige Religion zusammenzusetzen die weder kalt noch schwärmerisch wäre. Ihr Toren und träges Herzens! wißt Ihr nicht daß das alles nur Zersetzungen des religiösen Sinnes sind, die Eure eigne Reflexion hätte machen müssen, und wenn Ihr Euch nun nicht bewußt seid etwas gehabt zu haben, was sie zersetzen konnte, wo habt Ihr denn dieses her? Gedächtnis habt Ihr und Nachahmung, aber keine Religion. Erzeugt habt Ihr die Anschauungen nicht wozu Ihr die Formeln wißt, sondern diese sind auswendig gelernt und aufbewahrt, und Euere Gefühle sind mimisch nachgebildet wie fremde Physiognomien, und eben deswegen Karikatur, Und aus diesen abgestorbenen und verderbten Teilen wollt Ihr eine Religion zusammensetzen? Zerlegen kann man wohl die Säfte eines organischen Körpers in seine nächsten Bestandteile; aber nehmt nun diese ausgeschiedenen Elemente, mischt sie in jedem Verhältnis behandelt sie auf jedem Wege, werdet Ihr wieder Herzensblut daraus machen können? Wird das was einmal tot ist, sich wieder in einem lebenden Körper bewegen und mit ihm einigen können? Die Erzeugnisse der lebenden Natur aus ihren getrennten Bestandteilen zu restituieren, daran scheitert jede menschliche Kunst, und so wird es Euch mit der Religion nicht gelingen, wenn Ihr Euch ihre einzelnen Elemente auch noch so vollkommen von außen an und eingebildet habt; von innen muß sie hervorgehen. Das göttliche Leben ist wie ein zartes Gewächs, dessen Blüten sich noch in der umschlossenen Knospe befruchten, und die heiligen Anschauungen und Gefühle, die Ihr trocknen und aufbewahren könnt, sind die schönen Kelche und Kronen, die sich bald nach jener verborgenen Handlung öffnen, aber auch bald wieder abfallen. Es treiben aber immer wieder neue aus der Fülle des innern Lebens – denn das göttliche Gewächs bildet um sich her ein paradiesisches Klima dem keine Jahreszeit schadet – und die alten bestreuen und zieren dankbar den Boden der die Wurzeln deckt von denen sie genährt wurden, und duften noch in lieblicher Erinnerung zu dem Stamme empor, der sie trug. Aus diesen Knospen und Kronen und Kelchen will ich Euch jetzt einen heiligen Kranz winden.

Zur äußeren Natur, welche von so Vielen für den ersten[43] und vornehmsten Tempel der Gottheit, für das innerste Heiligtum der Religion gehalten wird, führe ich Euch nur als zum äußersten Vorhof derselben. Weder Furcht vor den materiellen Kräften die Ihr auf dieser Erde geschäftig seht, noch Freude an den Schönheiten der körperlichen Natur, soll oder kann Euch die erste Anschauung der Welt und ihres Geistes geben. Nicht im Donner des Himmels noch in den furchtbaren Wogen des Meeres sollt Ihr das allmächtige Wesen erkennen, nicht im Schmelz der Blumen noch im Glanz der Abendröte das Liebliche und Gütevolle. Es mag sein, daß beides Furcht und freudiger Genuß die roheren Söhne der Erde zuerst auf die Religion vorbereitete, aber diese Empfindungen selbst sind nicht Religion. Alle Ahndungen des Unsichtbaren, die den Menschen auf diesem Wege gekommen sind, waren nicht religiös sondern philosophisch, nicht Anschauungen der Welt und ihres Geistes – denn es sind nur Blicke auf das unbegreifliche und unermeßliche Einzelne – sondern Suchen und Forschen nach Ursach und erster Kraft. Es ist mit diesen rohen Anfängen in der Religion wie mit allem was zur ursprünglichen Einfalt der Natur gehört. Nur so lange diese noch da ist, hat es die Kraft das Gemüt so zu bewegen; es kommt auf den Gipfel der Vollendung, auf dem wir aber noch nicht stehen, vielleicht wieder durch Kunst und Willkür in eine höhere Gestalt verwandelt, auf dem Wege der Bildung aber geht es unvermeidlich und glücklicherweise verloren, denn es würde ihren Gang nur hemmen. Auf diesem Wege befinden wir uns, und Uns kann also durch diese Bewegungen des Gemüts keine Religion kommen. Das ist ja das große Ziel alles Fleißes, der auf die Bildung der Erde verwendet wird, daß die Herrschaft der Naturkräfte über den Menschen vernichtet werde, und alle Furcht vor ihnen aufhöre; wie können wir also in dem was wir zu bezwingen trachten, und zum Teil schon bezwungen haben, das Universum anschauen? Jupiters Blitze schrecken nicht mehr seitdem Vulkan uns einen Schild dagegen verfertigt hat. Vesta schützt was sie dem Neptun abgewann gegen die zornigsten Schläge seines Tridents, und die Söhne des Mars vereinigen sich mit denen des Äskulaps, um uns gegen die schnelltötenden Pfeile Apollos zu sichern.[44] So vernichtet von jenen Göttern, so fern die Furcht sie gebildet hatte, einer den andern, und seitdem Prometheus uns gelehrt hat, bald diesen bald jenen zu bestechen, steht der Mensch als Sieger lächelnd über ihrem allgemeinen Kriege.

Den Weltgeist zu lieben und freudig seinem Wirken zuzuschauen, das ist das Ziel unserer Religion, und Furcht ist nicht in der Liebe. Nicht anders ist es mit jenen Schönheiten des Erdballs welche der kindliche Mensch mit so inniger Liebe umfaßt. Was ist jenes zarte Spiel der Farben, das Euer Auge in allen Erscheinungen des Firmaments ergötzt, und einen Blick mit so vielem Wohlgefallen festhält, auf den lieblichsten Produkten der vegetabilischen Natur? Was ist es, nicht in Eurem Auge sondern in und fürs Universum? denn so müsset Ihr doch fragen, wenn es etwas sein soll für Euere Religion. Es verschwindet als ein zufälliger Schein, so bald Ihr an den allverbreiteten Stoff denkt, dessen Entwickelungen es begleitet. Bedenkt daß Ihr in einem dunkeln Keller die Pflanze aller dieser Schönheiten berauben könnt, ohne ihre Natur zu zerstören; bedenkt daß der herrliche Schein, in dessen Reben Eure ganze Seele mitlebt, nichts ist, als daß die gleichen Ströme des Lichts sich nur anders brechen in einem größern Meere irdischer Dünste, daß dieselben mittäglichen Strahlen, deren Blendung Ihr nicht ertragt, denen gegen Osten schon als die flimmernde Abendröte erscheint – und das müßt Ihr doch bedenken, wenn Ihr diese Dinge im Ganzen ansehen wollt – so werdet Ihr finden, daß diese Erscheinungen, so stark sie Euch auch rühren, zu Anschauungen der Welt doch nicht geeignet sind. Vielleicht daß wir einst auf einer höhern Stufe dasjenige was wir uns hier auf Erden unterwerfen sollen, im ganzen Weltraum verbreitet und gebietend finden, und uns dann ein heiliger Schauer erfüllt, über die Einheit und Allgegenwart auch der körperlichen Kraft; vielleicht daß wir einst mit Erstaunen auch in diesem Schein denselben Geist entdecken, der das Ganze beseelt; aber das wird etwas andres und höheres sein als diese Furcht und diese Liebe, und jetzt brauchen die Helden der Vernunft unter Euch nicht zu spotten darüber, daß man[45] durch Erniedrigung unter den toten Stoff und durch leere Poesie sie zur Religion führen wolle, und die empfindsamen Seelen dürfen nicht glauben daß es so leicht sei hinzugelangen zu ihr. Freilich gibt es etwas wesentlicheres anzuschauen in der körperlichen Natur als dieses. Die Unendlichkeit derselben, die ungeheuren Massen ausgestreut in jenen unübersehlichen Raum, durchlaufend unermeßliche Bahnen, das wirft doch den Menschen nieder in Ehrfurcht bei dem Gedanken und dem Anblick der Welt? Nur das, ich bitte Euch, was Ihr hierbei empfindet, rechnet mir nicht zur Religion. Der Raum und die Masse machen nicht die Welt aus und sind nicht der Stoff der Religion; darin die Unendlichkeit zu suchen, ist eine kindische Denkungsart. Als nicht die Hälfte jener Welten entdeckt war, ja als man noch gar nicht wußte, daß leuchtende Punkte Weltkörper wären, war dennoch das Universum nicht weniger herrlich anzuschauen als jetzt, und es gab nicht mehr Entschuldigung für den Verächter der Religion als jetzt. Ist nicht der begrenzteste Körper in dieser Rücksicht eben so unendlich als alle jene Welten? Die Unfähigkeit Eurer Sinne kann nicht der Stolz Eures Geistes sein, und was macht sich der Geist aus Zahlen und Größen, da er ihre ganze Unendlichkeit in kleine Formeln zusammenfassen und damit rechnen kann wie mit dem unbedeutendsten? Was in der Tat den religiösen Sinn anspricht in der äußern Welt, das sind nicht ihre Massen sondern ihre Gesetze. Erhebt Euch zu dem Blick wie diese alles umfassen, das größeste und das kleinste, die Weltsysteme und das Stäubchen, welches unstet in der Luft umherflattert, und dann sagt, ob Ihr nicht anschaut die göttliche Einheit und die ewige Unwandelbarkeit der Welt. Was das gemeine Auge von diesen Gesetzen zuerst wahrnimmt, die Ordnung in der alle Bewegungen wiederkehren am Himmel und auf der Erde die bestimmte Laufbahn der Gestirne und das gleichmäßige Kommen und Gehen aller organischen Kräfte, die immerwährende Untrüglichkeit in der Regel des Mechanismus, und die ewige Einförmigkeit in dem Streben der plastischen Natur; das ist an dieser Anschauung des Universums gerade das wenigste. Wenn Ihr von einem großen Kunstwerke nur ein einzelnes Stück betrachtet, und in den[46] einzelnen Teilen dieses Stücks wiederum ganz für sich schöne Umrisse und Verhältnisse wahrnehmt, die in diesem Stück geschlossen sind, und deren Regel sich aus ihm ganz übersehen läßt, wird Euch dann nicht das Stück mehr ein Werk für sich zu sein scheinen, als ein Teil eines Werkes? werdet Ihr nicht urteilen, daß es dem Ganzen, wenn es durchaus in diesem Stil gearbeitet ist, an Schwung und Kühnheit und allem was einen großen Geist ahnden läßt, fehlen müßte? Wo Ihr eine erhabene Einheit, einen großgedachten Zusammenhang ahnden sollt, da muß es neben der allgemeinen Tendenz zur Ordnung und Harmonie notwendig im Einzelnen Verhältnisse geben, die sich aus ihm selbst nicht völlig verstehen lassen. Auch die Welt ist ein Werk, wovon Ihr nur einen Teil überseht, und wenn dieser vollkommen in sich selbst geordnet und vollendet wäre, könntet Ihr Euch von dem Ganzen keinen hohen Begriff machen. Ihr sehet, daß dasjenige, was oft dazu dienen soll die Religion zurückzuweisen, vielmehr einen größern Wert für sie hat in der Weltanschauung, als die Ordnung, die sich zuerst darbietet, und sich aus einem kleineren Teil übersehen läßt. Nur niedere Gottheiten, dienende Jungfrauen hatten die Aufsicht in der Religion der Alten über das gleichförmig Wiederkehrende, dessen Ordnung schon gefunden war, aber die Abweichungen, die man nicht begriff, die Revolutionen, für die es keine Gesetze gab, diese eben waren das Werk des Vaters der Götter. Die Perturbationen in dem Laufe der Gestirne deuten auf eine höhere Einheit, auf eine kühnere Verbindung als die, welche wir schon aus der Regelmäßigkeit ihrer Bahnen gewahr werden, und die Anomalien, die müßigen Spiele der plastischen Natur zwingen uns zu sehen, daß sie ihre bestimmtesten Formen mit einer Willkür, mit einer Phantasie gleichsam, behandelt, deren Regel wir nur aus einem höheren Standpunkte entdecken könnten. Wie weit sind wir noch von demjenigen entfernt, welcher der höchste wäre, und wie unvollendet bleibt uns also diese Anschauung der Welt! – Betrachtet das Gesetz nach welchem sich überall in der Welt so weit Ihr sie überseht das Lebende zu dem verhält, was in Rücksicht desselben für tot zu halten ist, wie alles sich nährt und den toten Stoff gewaltsam hineinzieht in sein[47] Leben, wie sich uns von allen Seiten entgegendrängt der aufgespeicherte Vorrat für alles Lebende, der nicht tot da liegt, sondern selbst lebend sich überall aufs neue wieder erzeugt, wie bei aller Mannigfaltigkeit der Lebensformen und der ungeheuren Menge von Materien, den jede wechselnd verbraucht, dennoch jede zur Genüge hat, um den Kreis ihres Daseins zu durchlaufen, und jede nur einem innern Schicksal unterliegt und nicht einem äußeren Mangel, welche unendliche Fülle offenbart sich da, – welch' überfließender Reichtum! Wie werden wir ergriffen von dem Eindruck der mütterlichen Vorsorge, und von kindlicher Zuversicht das süße Leben sorglos wegzuspielen in der vollen und reichen Welt. Sehet die Lilien auf dem Felde, sie säen nicht und ernten nicht, und Euer himmlischer Vater ernährt sie doch, darum sorget nicht. Dieser fröhliche Anblick, dieser heitere leichte Sinn war aber auch das Höchste, ja das Einzige, was einer der größten Heroen der Religion für die seinige aus der Anschauung der Natur gewann; wie sehr muß sie ihm also nur im Vorhof derselben gelegen haben! – Eine größere Ausbeute gewährt sie freilich uns, denen ein reicheres Zeitalter tiefer in ihr innerstes zu dringen vergönnt hat; ihre chemischen Kräfte, die ewigen Gesetze nach denen die Körper selbst gebildet und zerstört werden, diese sind es, in denen wir am klarsten und heiligsten das Universum anschauen. Sehet wie Neigung und Widerstreben alles bestimmt und überall ununterbrochen tätig ist; wie alle Verschiedenheit und alle Entgegensetzung nur scheinbar und relativ ist, und alle Individualität nur ein leerer Namen; seht wie alles Gleiche sich in tausend verschiedene Gestalten zu verbergen und zu verteilen strebt, und wie Ihr nirgends etwas Einfaches findet, sondern alles künstlich zusammengesetzt und verschlungen; das ist der Geist der Welt, der sich im kleinsten eben so vollkommen und sichtbar offenbart als im größten, das ist eine Anschauung des Universums, die sich aus allem entwickelt und das Gemüt ergreift, und nur derjenige, der sie in der Tat überall erblickt, der nicht nur in allen Veränderungen, sondern in allem Dasein selbst nichts findet als ein Werk dieses Geistes und eine Darstellung und Ausführung dieser Gesetze, nur dem ist alles Sichtbare auch[48] wirklich Welt, gebildet, von der Gottheit durchdrungen und Eins. Bei einem gänzlichen Mangel aller Kenntnisse, die unser Jahrhundert verherrlichen, fehlte doch schon den ältesten Weisen der Griechen nicht diese Ansicht der Natur, zum deutlichen Beweise wie alles was Religion ist jede äußere Hilfe verschmäht und leicht entbehrt; und wäre diese von den Weisen zum Volk hindurchgedrungen, wer weiß welchen erhabenen Gang seine Religion würde genommen haben!

Aber was ist Liebe und Widerstreben? was ist Individualität und Einheit? Diese Begriffe, wodurch Euch die Natur erst im eigentlichen Sinne Anschauung der Welt wird, habt Ihr sie aus der Natur? Stammen sie nicht ursprünglich aus dem Innern des Gemüts her, und sind erst von da auf jenes gedeutet? Darum ist es auch das Gemüt eigentlich worauf die Religion hinsieht, und woher sie Anschauungen der Welt nimmt; im inneren Leben bildet sich das Universum ab, und nur durch das innere wird das äußere verständlich. Aber auch das Gemüt muß, wenn es Religion erzeugen und nähren soll, in einer Welt angeschaut werden. Laßt mich Euch ein Geheimnis aufdecken, welches in einer der ältesten Urkunden der Dichtkunst und der Religion verborgen liegt. So lange der erste Mensch allein war mit sich und der Natur, waltete freilich die Gottheit über ihm, sie sprach ihn an auf verschiedene Art, aber er verstand es nicht, denn er antwortete ihr nicht; sein Paradies war schön, und von einem schönen Himmel glänzten ihm die Gestirne herab, aber der Sinn für die Welt ging ihm nicht auf; auch aus dem Innern seiner Seele entwickelte er sich nicht; aber von der Sehnsucht nach einer Welt wurde sein Gemüt bewegt, und so trieb er vor sich zusammen die tierische Schöpfung ob etwa sich eine daraus bilden möchte. Da erkannte die Gottheit, daß ihre Welt nichts sei so lange der Mensch allein wäre, sie schuf ihm die Gehilfin, und nun erst regten sich in ihm lebende und geistvolle Töne, nun erst ging seinen Augen die Welt auf. In dem Fleische von seinem Fleische und Bein von seinem Beine entdeckte er die Menschheit, und in der Menschheit die Welt; von diesem Augenblick an wurde er fähig die Stimme der Gottheit zu hören und ihr zu antworten, und die frevelhafteste Übertretung ihrer Gesetze schloß ihn von nun an[49] nicht mehr aus von dem Umgange mit dem ewigen Wesen. Unser aller Geschichte ist erzählt in dieser heiligen Sage. Umsonst ist alles für denjenigen da, der sich selbst allein stellt; denn um die Welt anzuschauen und um Religion zu haben, muß der Mensch erst die Menschheit gefunden haben, und er findet sie nur in Liebe und durch Liebe. Darum sind beide so innig und unzertrennlich verknüpft; Sehnsucht nach Religion ist es was ihm zum Genuß der Religion hilft. Den umfängt jeder am heißesten, in dem die Welt sich am klarsten und reinsten abspiegelt; den liebt jeder am zärtlichsten, in dem er alles zusammengedrängt zu finden glaubt, was ihm selbst fehlt um die Menschheit auszumachen. Zur Menschheit also laßt uns hintreten, da finden wir Stoff für die Religion.

Hier seid auch Ihr in Eurer eigentlichsten und liebsten Heimat, Euer innerstes Leben geht Euch auf, Ihr seht das Ziel alles Eures Strebens und Tuns vor Euch, und fühlet zugleich das innere Treiben Eurer Kräfte, welches Euch immerfort nach diesem Ziel hinführt. Die Menschheit selbst ist Euch eigentlich das Universum, und Ihr rechnet alles andere nur insofern zu diesem als es mit jener in Beziehung kommt oder sie umgibt. Über diesen Gesichtspunkt will auch ich Euch nicht hinausführen; aber es hat mich oft innig geschmerzt, daß Ihr bei aller Liebe zur Menschheit und allem Eifer für sie doch immer mit ihr verwickelt und uneins seid. Ihr quält Euch an ihr zu bessern und zu bilden, jeder nach seiner Weise, und am Ende laßt Ihr unmutsvoll liegen was zu keinem Ziel kommen will. Ich darf sagen, auch das kommt von Eurem Mangel an Religion. Auf die Menschheit wollt Ihr wirken, und die Menschen die Einzelnen schaut Ihr an. Diese mißfallen Euch höchlich; und unter den tausend Ursachen die das haben kann, ist unstreitig die schönste und welche den Besseren angehört, daß Ihr gar zu moralisch seid nach Eurer Art. Ihr nehmt die Menschen einzeln, und so habt Ihr auch ein Ideal von einem Einzelnen, dem sie aber nicht entsprechen. Dies alles zusammen ist ein vermehrtes Beginnen, und mit der Religion werdet Ihr Euch weit besser befinden. Möchtet Ihr nur versuchen die Gegenstände Eures Wirkens und Eurer Anschauung zu[50] verwechseln! Wirkt auf die Einzelnen aber mit Eurer Betrachtung, hebt Euch auf den Flügeln der Religion höher zu der unendlichen, ungeteilten Menschheit; sie suchet in jedem Einzelnen, seht das Dasein eines Jeden an als eine Offenbarung von ihr an Euch, und es kann von allem was Euch jetzt drückt keine Spur zurückbleiben. Ich wenigstens rühme mich auch einer moralischen Gesinnung, auch ich verstehe menschliche Vortrefflichkeit zu schätzen, und es kann das Gemeine für sich betrachtet mich mit dem unangenehmen Gefühl der Geringschätzung beinahe überfüllen; aber mir gibt die Religion von dem allen eine gar große und herrliche Ansicht. Denkt Euch den Genius der Menschheit als den vollendetsten und universellesten Künstler. Er kann nichts machen was nicht ein eigentümliches Dasein hätte. Auch wo er nur die Farben zu versuchen und den Pinsel zu schärfen scheint, entstehen lebende und bedeutende Züge. Unzählige Gestalten denkt er sich so und bildet sie. Millionen tragen das Kostüm der Zeit, und sind treue Bilder ihrer Bedürfnisse und ihres Geschmacks; in andern zeigen sich Erinnerungen der Vorwelt oder Ahndungen einer fernen Zukunft; einige sind der erhabenste und treffendste Abdruck des Schönsten und Göttlichsten. Andre sind groteske Erzeugnisse der originellsten und flüchtigsten Laune eines Virtuosen. Das ist eine irreligiöse Ansicht, daß er Gefäße der Ehre verfertige und Gefäße der Unehre; einzeln müßt Ihr nichts betrachten, aber erfreut Euch eines jeden an der Stelle wo es steht. Alles was zugleich wahrgenommen werden kann und gleichsam auf einem Blatte steht, gehört zu einem großen historischen Bilde welches einen Moment des Universums darstellt. Wollt Ihr dasjenige verachten was die Hauptgruppen hebt, und dem Ganzen Leben und Fülle gibt? Sollen die einzelnen himmlischen Gestalten nicht dadurch verherrlicht werden, daß tausend andere sich vor ihnen beugen, und daß man sieht wie alles auf sie hinblickt und sich auf sie bezieht? Es ist in der Tat etwas mehr in dieser Vorstellung als ein schales Gleichnis. Die ewige Menschheit ist unermüdet geschäftig sich selbst zu erschaffen, und sich in der vorübergehenden Erscheinung des endlichen Lebens aufs mannigfaltigste darzustellen. Was wäre wohl die einförmige Wiederholung eines[51] höchsten Ideals, wobei die Menschen doch, Zeit und Umstände abgerechnet, eigentlich einerlei sind, dieselbe Formel, nur mit andern Koeffizienten verbunden, was wäre sie gegen diese unendliche Verschiedenheit menschlicher Erscheinungen? Nehmt welches Element der Menschheit Ihr wollt, Ihr findet jedes in jedem möglichen Zustande fast von seiner Reinheit an – denn ganz soll diese nirgends zu finden sein – in jeder Mischung mit jedem andern, bis fast zur innigsten Sättigung mit allen übrigen – denn auch diese ist ein unerreichbares Extrem – und die Mischung auf jedem möglichen Wege bereitet, jede Spielart und jede seltene Kombination. Und wenn Ihr Euch noch Verbindungen denken könnt, die Ihr nicht sehet, so ist auch diese Lücke eine negative Offenbarung des Universum, eine Andeutung, daß in dem geforderten Grade in der gegenwärtigen Temperatur der Welt diese Mischung nicht möglich ist, und Eure Phantasie darüber ist eine Aussicht über die gegenwärtigen Grenzen der Menschheit hinaus, eine wahre göttliche Eingebung, eine unwillkürliche und unbewußte Weissagung über das was künftig sein wird. Aber so wie dies, was der geforderten unendlichen Mannigfaltigkeit abzugehen scheint, nicht wirklich ein zuwenig ist, so ist auch das nicht zu viel, was Euch auf Eurem Standpunkt so erscheint. Jenen so oft beklagten Überfluß an den gemeinsten Formen der Menschheit, die in tausend Abdrücken immer unverändert wiederkehren, erklärt die Religion für einen leeren Schein. Der ewige Verstand befiehlt es, und auch der endliche kann es einsehen, daß diejenigen Gestalten, an denen das Einzelne am schwersten zu unterscheiden ist, am dichtesten aneinander gedrängt stehen müssen; aber jede hat etwas Eigentümliches: keiner ist dem andern gleich, und in dem Leben eines jeden gibt es irgendeinen Moment, wie der Silberblick unedlerer Metalle, wo er, sei es durch die innige Annäherung eines höheren Wesens oder durch irgendeinen elektrischen Schlag, gleichsam aus sich heraus gehoben und auf den höchsten Gipfel desjenigen gestellt wird, was er sein kann. Für diesen Augenblick war er geschaffen, in diesem erreichte er seine Bestimmung, und nach ihm sinkt die erschöpfte Lebenskraft wieder zurück. Es ist ein eigner Genuß, kleinen[52] Seelen zu diesem Moment zu verhelfen, oder sie darin zu betrachten; aber wem dieses nie geworden ist, dem muß freilich ihr ganzes Dasein überflüssig und verächtlich scheinen. So hat die Existenz eines jeden einen doppelten Sinn in Beziehung auf das Ganze. Hemme ich in Gedanken den Lauf jenes rastlosen Getriebes, wodurch alles Menschliche ineinander verschlungen und voneinander abhängig gemacht wird, so ist jedes Individuum seinem innern Wesen nach ein notwendiges Ergänzungsstück zur vollkommnen Anschauung der Menschheit. Der eine zeigt mir, wie jedes abgerissene Teilchen derselben, wenn nur der innere Bildungstrieb, der das Ganze beseelt, ruhig darin fortwirken kann, sich gestaltet in zarte und regelmäßige Formen; der andere, wie aus Mangel an belebender und vereinigender Wärme die Härte des irdischen Stoffs nicht bezwungen werden kann, oder wie in einer zu heftig bewegten Atmosphäre der innerste Geist in seinem Handeln gestört und alles unscheinbar und unkenntlich wird; der eine erscheint als der rohe und tierische Teil der Menschheit nur eben von den ersten unbeholfenen Regungen der Humanität bewegt, der andere als der reinste dephlegmierte Geist, der von allem Niedrigen und Unwürdigen getrennt nur mit leisem Fuß über der Erde schwebt, und Alle sind da um durch ihr Dasein zu zeigen, wie diese verschiedenen Teile der menschlichen Natur abgesondert und im Kleinen wirken. Ist es nicht genug, wenn es unter dieser unzähligen Menge doch immer Einige gibt, die als ausgezeichnete und höhere Repräsentanten der Menschheit der eine den, der andere jenen von den melodischen Akkorden anschlagen, die keiner fremden Begleitung und keiner spätern Auflösung bedürfen, sondern durch ihre innere Harmonie die ganze Seele in einem Ton entzücken und zufriedenstellen? Beobachte ich wiederum die ewigen Räder der Menschheit in ihrem Gange, so muß dieses unübersehliche Ineinandergreifen, wo nichts Bewegliches ganz durch sich selbst bewegt wird, und nichts Bewegendes nur sich allein bewegt, mich mächtig beruhigen über Eure Klage, daß Vernunft und Seele, Sinnlichkeit und Sittlichkeit, Verstand und blinde Kraft in so getrennten Massen erscheinen. Warum[53] seht Ihr Alles einzeln, was doch nicht einzeln und für sich wirkt? Die Vernunft der Einen und die Seele des Andern affizieren einander doch so innig, als es nur in einem Subjekt geschehen könnte. Die Sittlichkeit, welche zu jener Sinnlichkeit gehört, ist außer derselben gesetzt; ist ihre Herrschaft deswegen mehr beschränkt, und glaubt Ihr, diese würde besser regiert werden, wenn jene jedem Individuo in kleinen kaum merkbaren Portionen zugeteilt wären? Die blinde Kraft, welche dem großen Haufen zugeteilt ist, ist doch in ihren Wirkungen aufs Ganze nicht sich selbst und einem rohen Ohngefähr überlassen, sondern oft ohne es zu wissen leitet sie doch jener Verstand, den Ihr an andern Punkten in so großer Masse aufgehäuft findet, und sie folgt ihm eben so unwissend in unsichtbaren Banden. So verschwinden mir auf meinem Standpunkt die Euch so bestimmt erscheinenden Umrisse der Persönlichkeit; der magische Kreis herrschender Meinungen und epidemischer Gefühle umgibt und umspielt alles, wie eine mit auflösenden und magnetischen Kräften angefüllte Atmosphäre, sie verschmilzt und vereinigt alles, und setzt durch die lebendigste Verbreitung auch das Entfernteste in eine tätige Berührung, und die Ausflüsse derer, in denen Licht und Wahrheit selbständig wohnen, trägt sie geschäftigt umher, daß sie einige durchdringen und andern die Oberfläche glänzend und täuschend erleuchten. Das ist die Harmonie des Universums, das ist die wunderbare und große Einheit in seinem ewigen Kunstwerk; Ihr aber lästert diese Herrlichkeit mit Euren Forderungen einer jämmerlichen Vereinzelung, weil Ihr im ersten Vorhofe der Moral, und auch bei ihr noch mit den Elementen beschäftigt, die hohe Religion verschmähet. Euer Bedürfnis ist deutlich genug angezeigt, möchtet Ihr es nur erkennen und befriedigen! Sucht unter allen den Begebenheiten, in denen sich diese himmlische Ordnung abbildet, ob Euch nicht eine aufgehen wird als ein göttliches Zeichen. Laßt Euch einen alten verworfenen Begriff gefallen, und sucht unter allen den heiligen Männern, in denen die Menschheit sich unmittelbarer offenbart, einen auf, der der Mittler sein könne zwischen Eurer eingeschränkten Denkungsart und den ewigen Grenzen der Welt; und wenn Ihr ihn gefunden habt, dann durchlauft die[54] ganze Menschheit und laßt alles was Euch bisher anders schien, von dem Widerschein dieses neuen Lichts erhellt werden. – Von diesen Wanderungen durch das ganze Gebiet der Menschheit kehrt dann die Religion mit geschärfterem Sinn und gebildeterem Urteil in das eigne Ich zurück, und sie findet zuletzt alles, was sonst aus den entlegensten Gegenden zusammengesucht wurde, bei sich selbst. In Euch selbst findet ihr, wenn Ihr dahin gekommen seid, nicht nur die Grundzüge zu dem Schönsten und Niedrigsten, zu dem Edelsten und Verächtlichsten, was Ihr als einzelne Seiten der Menschheit an andern wahrgenommen habt. In Euch entdeckt Ihr nicht nur zu verschiedenen Zeiten alle die mannigfaltigen Grade menschlicher Kräfte, sondern alle die unzähligen Mischungen verschiedener Anlagen, die Ihr in den Charakteren anderer angeschaut habt, erscheinen Euch nur als festgehaltene Momente Eures eigenen Lebens. Es gab Augenblicke wo Ihr so dachtet, so fühltet, so handeltet, wo Ihr wirklich dieser und jener Mensch wäret, trotz aller Unterschiede des Geschlechts, der Kultur und der äußeren Umgebungen. Ihr seid alle diese verschiedenen Gestalten in Eurer eignen Ordnung wirklich hindurchgegangen; Ihr selbst seid ein Kompendium der Menschheit, Eure Persönlichkeit umfaßt in einem gewissen Sinn die ganze menschliche Natur und diese ist in allen ihren Darstellungen nichts als Euer eigenes vervielfältigtes, deutlicher ausgezeichnetes, und in allen seinen Veränderungen verewigtes Ich. Bei wem sich die Religion so wiederum nach innen zurückgearbeitet und auch dort das Unendliche gefunden hat, in dem ist sie von dieser Seite vollendet, er bedarf keines Mittlers mehr für irgendeine Anschauung der Menschheit und er kann es selbst sein für viele.

Aber nicht nur in ihrem Sein müßt Ihr die Menschheit anschauen, sondern auch in ihrem Werden; auch sie hat eine größere Bahn, welche sie nicht wiederkehrend sondern fortschreitend durchläuft, auch sie wird durch ihre innere Veränderungen zum Höheren und Vollkommenen fortgebildet. Diese Fortschritte will die Religion nicht etwa beschleunigen oder regieren, sie bescheidet sich, daß das Endliche nur auf das Endliche wirken kann, sondern nur beobachten, und als[55] eine von den größten Handlungen des Universums wahrnehmen. Die verschiedenen Momente der Menschheit aneinander zu knüpfen, und aus ihrer Folge den Geist in dem das Ganze geleitet wird erraten, das ist ihr höchstes Geschäft. Geschichte im eigentlichsten Sinn ist der höchste Gegenstand der Religion, mit ihr hebt sie an und endigt mit ihr – denn Weissagung ist in ihren Augen auch Geschichte und beides gar nicht voneinander zu unterscheiden – und alle wahre Geschichte hat überall zuerst einen religiösen Zweck gehabt und ist von religiösen Ideen ausgegangen. In ihrem Gebiet liegen dann auch die höchsten und erhabensten Anschauungen der Religion. – Hier seht Ihr die Wanderung der Geister und der Seelen, die sonst nur eine zarte Dichtung scheint, in mehr als einem Sinn als eine wundervolle Veranstaltung des Universums, um die verschiedenen Perioden der Menschheit nach einem sichern Maßstabe zu vergleichen. Bald kehrt nach einem langen Zwischenraum, in welchem die Natur nichts ähnliches hervorbringen konnte, irgendein ausgezeichnetes Individuum völlig dasselbe wieder zurück; aber nur die Seher erkennen es und nur sie sollen aus den Wirkungen die es nun hervorbringt, die Zeichen verschiedener Zeiten beurteilen. Bald kommt ein einzelner Moment der Menschheit ganz so wieder, wie Euch eine ferne Vorzeit sein Bild zurückgelassen hat, und Ihr sollt aus den verschiedenen Ursachen durch die er jetzt erzeugt worden ist, den Gang des Universums und die Formel seines Gesetzes erkennen. Bald erwacht der Genius irgendeiner besondern menschlichen Anlage, der hie und da steigend und fallend schon seinen Lauf vollendet hatte, aus seinem Schlummer, und erscheint an einem andern Ort und unter andern Umständen in einem neuen Leben, und sein schnelleres Gedeihen, sein tieferes Wirken, seine schönere kräftigere Gestalt soll andeuten, um wie vieles das Klima der Menschheit verbessert und der Boden zum Nähren edler Gewächse geschickter geworden sei. – Hier erscheinen Euch Völker und Generationen der Sterblichen ebenso wie auf unserer vorigen Ansicht die einzelnen Menschen. Ehrwürdig und geistvoll einige und kräftig wirkend ins Unendliche fort ohne Ansehen des Raums und der Zeit. Gemein und unbedeutend andere, nur[56] bestimmt eine einzelne Form des Lebens oder der Vereinigung eigentümlich zu nuancieren, nur in einem Moment wirklich lebend und merkwürdig, nur um einen Gedanken darzustellen, einen Begriff zu erzeugen, und dann der Zerstörung entgegeneilend, damit dies Resultat ihrer schönsten Blüte einem andem könne eingeimpft werden. Wie die vegetabilische Natur durch den Untergang ganzer Gattungen und aus den Trümmern ganzer Pflanzengenerationen neue hervorbringt und ernährt, so seht Ihr hier auch die geistige Natur aus den Ruinen einer herrlichen und schönen Menschenwelt eine neue erzeugen, die aus den zersetzten und wunderbar umgestalteten Elementen von jener ihre erste Lebenskraft saugt. – Wenn hier in dem Anschauen eines allgemeinen Zusammenhanges Euer Blick so oft unmittelbar vom kleinsten zum größten und von diesem wiederum zu jenem herumgeführt wird, und sich in lebendigen Schwingungen zwischen beiden bewegt, bis er schwindelnd weder großes noch kleines, weder Ursach noch Wirkung, weder Erhaltung noch Zerstörung weiter unterscheiden kann, dann erscheint Euch die Gestalt eines ewigen Schicksals, dessen Züge ganz das Gepräge dieses Zustandes tragen, ein wunderbares Gemisch von starrem Eigensinn und tiefer Weisheit, von roher herzloser Gewalt und inniger Liebe wovon Euch bald das Eine, bald das Andere wechselnd ergreift, und jetzt zu ohnmächtigem Trotz, jetzt zu kindlicher Hingebung einladet. Vergleicht Ihr dann das abgesonderte Streben des Einzelnen, aus diesen entgegengesetzten Ansichten entsprungen, mit dem ruhigen und gleichförmigen Gang des Ganzen, so seht Ihr wie der hohe Weltgeist über alles lächelnd hinwegschreitet, was sich ihm lärmend widersetzt; Ihr seht wie die hehre Nemesis seinen Schritten folgend unermüdet die Erde durchzieht, wie sie Züchtigung und Strafen den Übermütigen austeilt, welche den Göttern entgegenstreben und wie sie mit eiserner Hand auch den Wackersten und Trefflichsten abmäht, der sich, vielleicht mit löblicher und bewunderungswerter Standhaftigkeit, dem sanften Hauch des großen Geistes nicht beugen wollte. Wollt Ihr endlich den eigentlichen Charakter aller Veränderungen und aller Fortschritte der Menschheit ergreifen, so zeigt[57] Euch die Religion wie die lebendigen Götter nichts hassen als den Tod, wie nichts verfolgt und gestürzt werden soll als er, der erste und letzte Feind der Menschheit. Das Rohe, das Barbarische, das Unförmliche soll verschlungen und in organische Bildung umgestaltet werden. Nichts soll tote Masse sein, die nur durch den toten Stoß bewegt wird, und nur durch bewußtlose Friktion widersteht: alles soll eigenes zusammengesetztes, vielfach verschlungenes und erhöhtes Leben sein. Blinder Instinkt, gedankenlose Gewöhnung, toter Gehorsam, alles Träge und Passive, alle diese traurigen Symptome der Asphyxie der Freiheit und Menschheit sollen vernichtet werden. Dahin deutet das Geschäft des Augenblicks und der Jahrhunderte, das ist das große, immer fortgehende Erlösungswerk der ewigen Liebe.

Nur mit leichten Umrissen habe ich einige der hervorstechenden Anschauungen der Religion auf dem Gebiet der Natur und der Menschheit entworfen; aber hier habe ich Euch doch bis an die letzte Grenze Eures Gesichtskreises geführt. Hier ist das Ende der Religion für diejenigen, denen Menschheit und Universum gleichviel gilt; von hier könnte ich Euch nur wieder zurückführen ins Einzelne und Kleinere. Nur glaubt nicht daß dies zugleich die Grenze der Religion sei. Vielmehr kann sie eigentlich hier nicht stehen bleiben, und sieht erst auf der andern Seite dieses Punktes recht hinaus ins Unendliche. Wenn die Menschheit selbst etwas bewegliches und bildsames ist, wenn sie nicht nur im Einzelnen anders darstellt, sondern auch hie und da anders wird, fühlt Ihr nicht daß sie dann unmöglich selbst das Universum sein kann? Vielmehr verhält sie sich zu ihm, wie die einzelnen Menschen sich zu ihr verhalten; sie ist nur eine einzelne Form desselben, Darstellung einer einzigen Modifikation seiner Elemente, es muß andre solche Formen geben, durch welche sie umgrenzt, und denen sie also entgegengesetzt wird. Sie ist nur ein Mittelglied zwischen dem Einzelnen und dem Einen, ein Ruheplatz auf dem Wege zum Unendlichen, und es müßte noch ein höherer Charakter gefunden werden im Menschen als seine Menschheit um ihn und seine Erscheinung unmittelbar aufs Universum zu beziehen.[58] Nach einer solchen Ahndung von etwas außer und über der Menschheit strebt alle Religion um von dem gemeinschaftlichen und höheren in beiden ergriffen zu werden; aber dies ist auch der Punkt wo ihre Umrisse sich dem gemeinen Auge verlieren, wo sie selbst sich immer weiter von den einzelnen Gegenständen entfernt an denen sie ihren Weg festhalten konnte, und wo das Streben nach dem Höchsten in ihr am meisten für Torheit gehalten wird. Auch sei es genug an dieser Andeutung auf dasjenige was Euch so unendlich fernliegt, jedes weitere Wort darüber wäre eine unverständliche Rede, von der Ihr nicht wissen würdet woher sie käme noch wohin sie ginge. Hättet Ihr nur erst die Religion, die Ihr haben könnt, und wäret Ihr Euch nur erst derjenigen bewußt, die Ihr wirklich schon habt! denn in der Tat, wenn Ihr auch nur die wenigen religiösen Anschauungen betrachtet, die ich mit geringen Zügen jetzt entworfen habe, so werdet Ihr finden, daß sie Euch bei weitem nicht alle fremd sind. Es ist wohl eher etwas dergleichen in Euer Gemüt gekommen, aber ich weiß nicht welches das größere Unglück ist, ihrer ganz zu entbehren oder sie nicht zu verstehen; denn auch so verfehlen sie ganz ihre Wirkung im Gemüte und hintergangen seid Ihr dabei auch von Euch selbst. Die Vergeltung welche alles trifft was dem Geist des Ganzen widerstreben will, der überall tätige Haß gegen alles Übermütige und Freche, das beständige Fortschreiten aller menschlichen Dinge zu einem Ziel, ein Fortschreiten welches so sicher ist, daß wir sogar jeden einzelnen Gedanken und Entwurf, der das Ganze diesem Ziele näher bringt, nach vielen gescheiterten Versuchen dennoch endlich einmal gelingen sehen, dies sind Anschauungen, die so in die Augen springen, daß sie mehr für eine Veranlassung als für ein Resultat der Weltbeobachtung gelten können. Viele unter Euch sind sich ihrer auch bewußt, einige nennen sie auch Religion, aber sie wollen, dies soll ausschließend Religion sein; und dadurch wollen sie alles andre verdrängen, was doch aus derselben Handlungsweise des Gemüts und völlig auf dieselbe Art entspringt. Wie sind sie denn zu diesen abgerissenen Bruchstücken gekommen? Ich will es Euch sagen: sie halten dies gar nicht für Religion, welche sie ebenfalls verachten,[59] sondern für Moral und wollen nur den Namen unterschieben, um der Religion selbst – dem nämlich was sie dafür halten – den letzten Stoß zu geben. Wenn sie das nicht zugeben wollen, so fraget sie doch warum sie mit der wunderbarsten Einseitigkeit dies alles nur auf dem Gebiete der Sittlichkeit finden? Die Religion weiß nichts von einer solchen parteiischen Vorliebe; die moralische Welt ist ihr auch nicht das Universum, und was nur für diese gälte, wäre ihr keine Anschauung des Universums. In allem was zum menschlichen Tun gehört, im Spiel wie im Ernst, im kleinsten wie im größten weiß sie die Handlungen des Weltgeistes zu entdecken und zu verfolgen; was sie wahrnehmen soll muß sie überall wahrnehmen können, denn nur dadurch wird es das ihrige, und so findet sie auch eben darin eine göttliche Nemesis, daß eben die, welche, weil in ihnen selbst nur das sittliche oder rechtliche dominiert, auch aus der Religion nur einen unbedeutenden Anhang der Moral machen, und nur das aus ihr nehmen wollen, was sich dazu gestalten läßt, sich eben damit ihre Moral, so viel auch schon an ihr gereinigt sein mag, unwiderbringlich verderben und den Keim neuer Irrtümer hineinstreuen. Es klingt sehr schön; wenn man beim moralischen Handeln untergehe, sei es der Wille des ewigen Wesens, und was nicht durch uns geschehe, werde ein andermal zustande kommen; aber auch dieser erhabene Trost gehört nicht für die Sittlichkeit; kein Tropfen Religion kann unter diese gemischt werden, ohne sie gleichsam zu phlogistisieren und ihrer Reinigkeit zu berauben.

Am deutlichsten offenbart sich dieses gänzliche Nichtwissen um die Religion bei ihren Gefühlen, die noch am weitesten unter Euch verbreitet sind. Wie innig sie auch mit jenen Anschauungen verbunden sind, wie notwendig sie auch aus ihnen herfließen und nur aus ihnen erklärt werden können, sie werden dennoch durchaus mißverstanden. – Wenn der Weltgeist sich uns majestätisch offenbart hat, wenn wir sein Handeln nach so groß gedachten und herrlichen Gesetzen belauscht haben, was ist natürlicher als von inniger Ehrfurcht vor dem ewigen und unsichtbaren durchdrungen zu werden? Und wenn wir das Universum angeschaut[60] haben, und von dann zurücksehen auf unser Ich, wie es in Vergleichung mit ihm ins unendlich kleine verschwindet, was kann dem Sterblichen dann näher liegen als wahre ungekünstelte Demut? Wenn wir in der Anschauung der Welt auch unsre Brüder wahrnehmen, und es uns klar ist, wie jeder von ihnen ohne Unterschied in diesem Sinne gerade dasselbe ist was wir sind, eine eigne Darstellung der Menschheit, und wie wir ohne das Dasein eines Jeden es entbehren müßten diese anzuschauen, was ist natürlicher als sie Alle ohne Unterschied selbst der Gesinnung und der Geisteskraft mit inniger Liebe und Zuneigung zu umfassen? Und wenn wir von ihrer Verbindung mit dem Ganzen zurücksehen auf ihren Einfluß in unsere Ereignisse, und sich uns dann diejenigen darstellen, die von ihrem eigenen vergänglichen Sein und dem Streben es zu erweitern und zu isolieren nachgelassen haben, um das unsrige zu erhalten, wie können wir uns da erwehren jenes Gefühls einer besondern Verwandtschaft mit denen, deren Handlungen einmal unsere Existenz verfochten und durch ihre Gefahren glücklich hindurch geführt haben? jenes Gefühls der Dankbarkeit, welches uns antreibt sie zu ehren als solche, die sich mit dem Ganzen schon geeinigt haben, und sich ihres Lebens in demselben bewußt sind? – Wenn wir im Gegenteil das gewöhnliche Treiben der Menschen betrachten die von dieser Abhängigkeit nichts wissen, wie sie dies und das ergreifen und festhalten, um ihr Ich zu verschanzen und mit mancherlei Außenwerken zu umgeben, damit sie ihr abgesondertes Dasein nach eigner Willkür leiten mögen, und der ewige Strom der Welt ihnen nichts daran zerrütte, und wie dann notwendigerweise das Schicksal dies alles verschwemmt, und sie selbst auf tausend Arten verwundet und quält; was ist dann natürlicher als das herzlichste Mitleid mit allem Schmerz und Leiden, welches aus diesem ungleichen Streit entsteht, und mit allen Streichen, welche die furchtbare Nemesis auf allen Seiten austeilt? – und wenn wir erkundet haben was denn dasjenige ist, was im Gange der Menschheit überall aufrecht erhalten und gefördert wird, und das was unvermeidlich früher oder später besiegt und zerstört werden muß, wenn es sich nicht umgestalten und verwandeln[61] läßt, und wir dann von diesem Gesetz auf unser eignes Handeln in der Welt hinsehen, was ist natürlicher als zerknirschende Reue über alles dasjenige in uns, was dem Genius der Menschheit feind ist, als der demütige Wunsch die Gottheit zu versöhnen, als das sehnlichste Verlangen umzukehren und uns mit allem was uns angehört in jenes heilige Gebiet zu retten, wo allein Sicherheit ist gegen Tod und Zerstörung. Alle diese Gefühle sind Religion, und ebenso alle andere, bei denen das Universum der eine, und auf irgend eine Art Euer eignes Ich, der andere von den Punkten ist zwischen denen das Gemüt schwebt. Die Alten wußten das wohl: Frömmigkeit nannten sie all diese Gefühle, und bezogen sie unmittelbar auf die Religion, deren edelster Teil sie ihnen waren. Auch Ihr kennt sie, aber wenn Euch so etwas begegnet, so wollt Ihr Euch überreden es sei etwas sittliches, und in der Moral wollt Ihr diesen Empfindungen ihren Platz anweisen; sie begehrt sie aber nicht und leidet sie nicht. Sie mag keine Liebe und Zuneigung, sondern Tätigkeit, die ganz von innen herauskommt, und nicht durch Betrachtung ihres äußern Gegenstandes erzeugt ist, sie kennt keine Ehrfurcht als die vor ihrem Gesetz, sie verdammt als unrein und selbstsüchtig, was aus Mitleid und Dankbarkeit geschehen kann, sie demütigt, ja verachtet die Demut, und wenn Ihr von Reue sprecht, so redet sie von verlorner Zeit die Ihr unnütz vermehrt. Auch muß Euer innerstes Gefühl ihr darin beipflichten, daß es mit allen diesen Empfindungen nicht auf Handeln abgesehen ist, sie kommen für sich selbst und endigen in sich selbst als Funktionen Eures Innersten und höchsten Lebens. Was windet Ihr Euch also und bittet um Gnade für sie da, wo sie nicht hingehören? Lasset es Euch doch gefallen einzusehen, daß sie Religion sind, so braucht Ihr nichts für sie zu fordern als ihr eignes strenges Recht, und werdet Euch selbst nicht betrügen mit unbegründeten Ansprüchen, die Ihr in ihrem Namen zu machen geneigt seid. Es sei nun bei der Moral oder irgend sonst, wo Ihr ähnliche Gefühle findet, sie sind nur usurpiert; bringt sie der Religion zurück, ihr allein gehört dieser Schatz, und als Besitzerin desselben ist sie der Sittlichkeit und allem andern was ein Gegenstand des menschlichen Tuns ist, nicht Dienerin,[62] aber unentbehrliche Freundin und ihre vollgültige Fürsprecherin und Vermittlerin bei der Menschheit. Das ist die Stufe auf welcher die Religion steht und besonders das Selbsttätige in ihr, ihre Gefühle. Daß sie allein dem Menschen Universalität gibt, habe ich schon einmal angedeutet; jetzt kann ich es näher erklären. In allem Handeln und Wirken, es sei sittlich oder philosophisch oder künstlerisch, soll der Mensch nach Virtuosität streben, und alle Virtuosität beschränkt und macht kalt, einseitig und hart. Auf einen Punkt richtet sie zunächst das Gemüt des Menschen und dieser eine Funkt ist immer etwas endliches. Kann der Mensch so von einem beschränkten Werk fortschreitend zum andern seine ganze unendliche Kraft wirklich verbrauchen? und wird nicht vielmehr der größere Teil derselben unbenutzt liegen, und sich deshalb gegen ihn selbst wenden und ihn verzehren? Wie viele von Euch gehen nur deshalb zugrunde weil sie sich selbst zu groß sind; ein Überfluß an Kraft und Trieb der sie nicht einmal zu einem Werk kommen läßt, weil doch keines ihm angemessen wäre, treibt sie unstet umher und ist ihr Verderben. Wollt Ihr etwa auch diesem Übel wieder so steuern, daß der, welchem einer zu groß ist, alle jene drei Gegenstände des menschlichen Strebens, oder wenn Ihr deren noch mehr wißt, auch diese vereinigen soll? Das wäre freilich Euer altes Begehren, die Menschheit überall aus einem Stück zu haben, welches immer wiederkehrt – aber wenn es nur möglich wäre! wenn nur nicht jene Gegenstände, sobald sie einzeln ins Auge gefaßt werden, so sehr auf gleiche Weise das Gemüt anregten und zu beherrschen strebten! Jeder von ihnen will Werke ausführen, jeder hat ein Ideal dem er entgegenstrebt und eine Totalität, welche er erreichen will, und diese Rivalität kann nicht anders endigen als daß einer den andern verdrängt. Wozu also soll der Mensch die Kraft verwenden, die ihm jede geregelte und kunstmäßige Anwendung seines Bildungstriebes übrig läßt? Nicht so daß er wieder etwas anderes bilden wolle, und auf etwas anderes Endliches tätig arbeite, sondern dazu, daß er sich ohne bestimmte Tätigkeit vom Unendlichen affizieren lasse und durch jede Gattung religiöser Gefühle seine Gegenwirkung gegen diese Einwirkung offenbare.[63] Welchen jener Gegenstände Eures freien und kunstmäßigen Handels Ihr auch gewählt habt, es gehört nur wenig Sinn dazu, um von jedem aus das Universum zu finden, und in diesem entdeckt Ihr denn auch die übrigen als Gebot oder als Eingebung oder als Offenbarung desselben; so im Ganzen sie beschauen und betrachten nicht als etwas abgesondertes und in sich bestimmtes, das ist die einzige Art wie Ihr Euch bei einer schon gewählten Richtung des Gemüts auch das, was außer derselben liegt, aneignen könnt, nicht wiederum aus Willkür als Kunst, sondern Instinkt fürs Universum als Religion, und weil sie auch in der religiösen Form wieder rivalisieren, so erscheint auch die Religion öfter vereinzelt als Naturpoesie, Naturphilosophie oder Naturmoral, als in ihrer ganzen Gestalt vollendet und alles vereinigend. So setzt der Mensch dem Endlichen, wozu seine Willkür ihn hintreibt ein Unendliches, dem zusammenziehenden Streben nach etwas Bestimmtem und Vollendetem das erweiternde Schweben im Unbestimmten und Unerschöpflichen an die Seite; so schafft er seiner überflüssigen Kraft einen unendlichen Ausweg, und stellt das Gleichgewicht und die Harmonie seines Wesens wieder her, welche unwiderbringlich verloren geht, wenn er sich, ohne zugleich Religion zu haben, einer einzelnen Direktion überläßt. Die Virtuosität eines Menschen ist nur gleichsam die Melodie seines Lebens, und es bleibt bei einzelnen Tönen, wenn er ihr nicht die Religion beifügt. Diese begleitet jene in unendlich reicher Abwechselung mit allen Tönen die ihr nur nicht ganz widerstreben, und verwandelt so den einfachen Gesang des Lebens in eine vollstimmige und prächtige Harmonie.

Wenn dies was ich, hoffentlich für Euch Alle verständlich genug, angedeutet habe, eigentlich das Wesen der Religion ausmacht, so ist die Frage, wohin denn jene Dogmen und Lehrsätze eigentlich gehören, die gemeiniglich für den Inhalt der Religion ausgegeben werden, nicht schwer zu beantworten. Einige sind nur abstrakte Ausdrücke religiöser Anschauungen, andre sind freie Reflexion über die ursprünglichen Verrichtungen des religiösen Sinnes, Resultate einer Vergleichung der religiösen Ansicht mit der gemeinen. Den Inhalt einer Reflexion für das Wesen der Handlung zu nehmen,[64] über welche reflektiert wird, das ist ein so gewöhnlicher Fehler, daß es Euch wohl nicht wundernehmen darf ihn auch hier anzutreffen. Wunder, Eingebungen, Offenbarungen, übernatürliche Empfindungen – man kann viel Religion haben, ohne auf irgendeinen dieser Begriffe gestoßen zu sein; aber wer über seine Religion vergleichend reflektiert, der findet sie unvermeidlich auf seinem Wege und kann sie ohnmöglich umgehen. In diesem Sinn gehören allerdings alle diese Begriffe in das Gebiet der Religion, und zwar unbedingt, ohne daß man über die Grenzen ihrer Anwendung das geringste bestimmen dürfte. Das Streiten, welche Begebenheit eigentlich ein Wunder sei, und worin der Charakter desselben eigentlich bestehe, wieviel Offenbarung es wohl gebe, und wiefern und warum man eigentlich daran glauben dürfe, und das offenbare Bestreben, so viel sich mit Anstand und Rücksicht tun läßt, davon abzuleugnen und auf die Seite zu schaffen, in der törichten Meinung der Philosophie und der Vernunft einen Dienst damit zu leisten, das ist eine von den kindischen Operationen der Metaphysiker und Moralisten in der Religion. Sie werfen alle Gesichtspunkte untereinander und bringen die Religion in das Geschrei, der Totalität wissenschaftlicher und physischer Urteile zu nahe zu treten. Ich bitte laßt Euch nicht durch ihr sophistisches Disputieren und ihr scheinheiliges Verbergen desjenigen was sie gar zu gern kund machen möchten, zum Nachteil der Religion verwirren. Diese läßt Euch, so laut sie auch alle jene verschriene Begriffe zurückfordert, Eure Physik, und so Gott will, auch Eure Psychologie unangetastet. Was ist denn ein Wunder! sagt mir doch in welcher Sprache – ich rede freilich nicht von denen, die wie die unsrige nach dem Untergange aller Religion entstanden sind – es denn etwas anders heißet als ein Zeichen, eine Andeutung? Und so besagen alle jene Ausdrücke nichts, als die unmittelbare Beziehung einer Erscheinung aufs Unendliche, aufs Universum; schließet das aber aus, daß es nicht eine ebenso unmittelbare aufs Endliche und auf die Natur gibt? Wunder ist nur der religiöse Name für Begebenheit, jede, auch die allernatürlichste und gewöhnlichste, sobald sie sich dazu eignet, daß die religiöse Ansicht von ihr die herrschende sein kann,[65] ist ein Wunder. Mir ist alles Wunder, und in Eurem Sinn ist mir nur das ein Wunder, nämlich etwas Unerklärliches und Fremdes, was keines ist in meinem. Je religiöser Ihr wäret, desto mehr Wunder würdet Ihr überall sehen, und jedes Streiten hin und her über einzelne Begebenheiten, ob sie so zu heißen verdienen, gibt mir nur den schmerzhaften Eindruck wie arm und dürftig der religiöse Sinn der Streitenden ist. Die einen beweisen es dadurch daß sie überall protestieren gegen Wunder und die andern dadurch, daß es ihnen auf dieses und jenes besonders ankommt, und daß eine Erscheinung eben wunderlich gestaltet sein muß um ihnen ein Wunder zu sein. Was heißt Offenbarung? jede ursprüngliche und neue Anschauung des Universums ist eine, und Jeder muß doch wohl am besten wissen was ihm ursprünglich und neu ist, und wenn etwas von dem, was in ihm ursprünglich war, für Euch noch neu ist, so ist seine Offenbarung auch für Euch eine, und ich will Euch raten sie wohl zu erwägen. Was heißt Eingebung? Es ist nur der religiöse Name für Freiheit. Jede freie Handlung, die eine religiöse Tat wird, jedes Wiedergeben einer religiösen Anschauung, jeder Ausdruck eines religiösen Gefühls, der sich wirklich mitteilt, so daß auch auf andre die Anschauung des Universums übergeht, war auf Eingebung geschehen; denn es war ein Handeln des Universums durch den Einen auf die Andern, jedes Antizipieren der Hälfte einer religiösen Begebenheit, wenn die eine gegeben ist, ist eine Weissagung, und es war sehr religiös von den alten Hebräern die Göttlichkeit eines Propheten nicht darnach abzumessen, wie schwer das Weissagen war, sondern ganz einfältig nach dem Ausgang; denn eher kann man nicht wissen ob sich einer auf die Religion versteht, bis man sieht, ob er die religiöse Ansicht gerade dieses bestimmten Dinges, welches ihn affizierte, auch richtig gefaßt hat. – Was sind Gnadenwirkungen? Alle religiösen Gefühle sind übernatürlich, denn sie sind nur insofern religiös, als sie durchs Universum unmittelbar gewirkt sind, und ob sie religiös sind in Jemand, das muß er doch am besten beurteilen. Alle diese Begriffe sind, wenn die Religion einmal Begriffe haben soll, die ersten und wesentlichsten; sie bezeichnen auf die eigentümlichste Art das Bewußtsein[66] eines Menschen von seiner Religion; sie sind um so wichtiger deswegen, weil sie nicht nur etwas bezeichnen, was allgemein sein darf in der Religion, sondern gerade dasjenige was allgemein sein muß in ihr. Ja, wer nicht eigne Wunder sieht auf seinem Standpunkt zur Betrachtung der Welt, in wessen Innern nicht eigene Offenbarungen aufsteigen, wenn seine Seele sich sehnt die Schönheit der Welt einzusaugen, und von ihrem Geiste durchdrungen zu werden; wer nicht hie und da mit der lebendigsten Überzeugung fühlt, daß ein göttlicher Geist ihn treibt und daß er aus heiliger Eingebung redet und handelt; wer sich nicht wenigstens – denn dies ist in der Tat der geringste Grad – seiner Gefühle als unmittelbarer Einwirkungen des Universums bewußt ist, und etwas eignes in ihnen kennt was nicht nachgebildet sein kann, sondern ihren reinen Ursprung aus seinem Innersten verbürgt, der hat keine Religion. Glauben, was man gemeinhin so nennt, annehmen was ein anderer getan hat, nachdenken und nachfühlen wollen was ein Anderer gedacht und gefühlt hat, ist ein harter und unwürdiger Dienst, und statt das höchste in der Religion zu sein, wie man wähnt, muß er grade abgelegt werden von Jedem, der in ihr Heiligtum dringen will. Ihn haben und behalten wollen, beweiset daß man der Religion unfähig ist; ihn von andern fordern, zeigt daß man sie nicht versteht. Ihr wollt überall auf Euren eignen Füßen stehn und auf Euren eignen Weg gehen, aber dieser würdige Wille schrecke Euch nicht zurück von der Religion. Sie ist kein Sklavendienst und keine Gefangenschaft; auch hier sollt Ihr Euch selbst angehören, ja dies ist sogar die einzige Bedingung unter welcher Ihr ihrer teilhaftig werden könnt. Jeder Mensch, wenige Auserwählte ausgenommen, bedarf allerdings eines Mittlers, eines Anführers, der seinen Sinn für Religion aus dem ersten Schlummer wecke und ihm eine erste Richtung gebe, aber dies soll nur ein vorübergehender Zustand sein; mit eignen Augen soll dann jeder sehen und selbst einen Beitrag zu tage fördern zu den Schätzen der Religion, sonst verdient er keinen Platz in ihrem Reich und erhält auch keinen. Ihr habt recht die dürftigen Nachbeter zu verachten, die ihre Religion ganz von einem Andern ableiten, oder an einer toten Schrift hängen,[67] auf sie schwören und aus ihr beweisen. Jede heilige Schrift ist nur ein Mausoleum der Religion ein Denkmal, daß ein großer Geist da war, der nicht mehr da ist; denn wenn er noch lebte und wirkte, wie würde er einen so großen Wert auf den toten Buchstaben legen, der nur ein schwacher Abdruck von ihm sein kann? Nicht der hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern der welcher keiner bedarf, und wohl selbst eine machen könnte. Und eben diese Eure Verachtung gegen die armseligen und kraftlosen Verehrer der Religion, in denen sie aus Mangel an Nahrung vor der Geburt schon gestorben ist, eben diese beweiset mir, daß in Euch selbst eine Anlage ist zur Religion und die Achtung die Ihr allen ihren wahren Helden immer erzeiget, wie sehr Ihr Euch auch auflehnt gegen die Art wie sie gemißbraucht und durch Götzendienst geschändet worden, bestätigt mich in dieser Meinung. – Ich habe Euch gezeigt was eigentlich Religion ist, habt Ihr irgend etwas darin gefunden was Eurer und der höchsten menschlichen Bildung unwürdig wäre? Müßt Ihr Euch nicht nach den ewigen Gesetzen der geistigen Natur um so ängstlicher nach dem Universum sehnen und nach einer selbstgewirkten Vereinigung mit ihm streben, je mehr Ihr durch die bestimmteste Bildung und Individualität in ihm gesondert und isoliert seid? und habt Ihr nicht oft diese heilige Sehnsucht als etwas unbekanntes gefühlt? Werdet Euch doch, ich beschwöre Euch, des Rufs Eurer innersten Natur bewußt, und folgt ihm. Verbannet die falsche Scham vor einem Zeitalter welches nicht Euch bestimmen, sondern von Euch bestimmt und gemacht werden soll! Kehret zu demjenigen zurück was Euch, gerade Euch so nahe liegt, und wovon die gewaltsame Trennung doch unfehlbar den schönsten Teil Eurer Existenz zerstört.

Es scheint mir aber als ob Viele unter Euch nicht glaubten, daß ich mein gegenwärtiges Geschäft hier könne endigen wollen, als ob Ihr dennoch der Meinung wäret, es könne vom Wesen der Religion nicht gründlich geredet worden sein, wo von der Unsterblichkeit gar nicht, und von der Gottheit so gut als nichts gesagt worden ist. Erinnert Euch doch, ich bitte Euch, wie ich mich von Anfang an dagegen erklärt habe, daß[68] dies nicht die Angel und Hauptstücke der Religion seien; erinnert Euch, daß als ich die Umrisse derselben zeichnete, ich auch den Weg angedeutet habe, auf welchem die Gottheit zu finden ist; was verliert Ihr also noch? und warum soll ich einer religiösen Anschauungsart mehr tun als den übrigen? Damit Ihr aber nicht denket ich fürchte mich ein ordentliches Wort über die Gottheit zu sagen, weil es gefährlich werden will davon zu reden, bevor eine zu Recht und Gericht beständige Definition von Gott und Dasein ans Licht gebracht und im Deutschen Reich sanktioniert worden ist; oder damit Ihr nicht auf der andern Seite glaubt ich spiele einen frommen Betrug und wolle, um Allen Alles zu werden, mit scheinbarer Gleichgültigkeit dasjenige herabsetzen, was für mich von ungleich größerer Wichtigkeit sein muß als ich gestehen will; so will ich Euch noch einen Augenblick Rede stehen, und Euch deutlich zu machen suchen, daß für mich die Gottheit nichts anderes sein kann, als eine einzelne religiöse Anschauungsart, von der wie von jeder andern die übrigen unabhängig sind, und daß auf meinem Standpunkt und nach meinen Euch bekannten Begriffen der Glaube »kein Gott, keine Religion« gar nicht stattfinden kann, und auch von der Unsterblichkeit will ich Euch unverhohlen meine Meinung sagen.

Zuerst saget mir doch, was meinen sie von der Gottheit, und was wollt Ihr damit meinen? denn jene rechtskräftige Definition ist doch noch nicht vorhanden, und es liegt am Tage daß die größten Verschiedenheiten darüber statt haben. Den mehrsten ist offenbar Gott nichts anderes als der Genius der Menschheit. Der Mensch ist das Urbild ihres Gottes, die Menschheit ist ihr alles, und nach demjenigen, was sie für ihre Ereignisse und Führungen halten, bestimmen sie die Gesinnungen und das Wesen ihres Gottes. Nun aber habe ich Euch deutlich genug gesagt, daß die Menschheit nicht mein Alles ist, daß meine Religion nach einem Universum strebt, wovon sie mit allem was ihr angehört, nur ein unendlich kleiner Teil, nur eine einzelne vergängliche Form ist: kann also ein Gott, der nur der Genius der Menschheit wäre, das höchste meiner Religion sein? Es mag dichterischere Gemüter geben, und ich gestehe ich glaube, daß diese[69] höher stehen, denen Gott ein von der Menschheit gänzlich unterschiedenes Individuum, ein einziges Exemplar einer eigenen Gattung ist, und wenn sie mir die Offenbarungen zeigen, durch welche sie einen solchen Gott kennen – einen oder mehrere, ich verachte in der Religion nichts so sehr als die Zahl – so soll er mir eine erwünschte Entdeckung sein, und gewiß werden sich aus dieser Offenbarung in mir mehrere entwickeln; aber ich strebe nach noch mehr Gattungen außer und über der Menschheit als nach einer, und jede Gattung mit ihrem Individuum ist dem Universum untergeordnet: kann also Gott in diesem Sinne für mich etwas anders sein als eine einzelne Anschauung? Doch dies mögen nur unvollständige Begriffe von Gott sein, laßt uns gleich zu dem höchsten gehen, zu dem von einem höchsten Wesen, von einem Geist des Universums, der es mit Freiheit und Verstand regiert, so ist doch auch von dieser Idee die Religion nicht abhängig. Religion haben, heißt das Universum anschauen, und auf der Art, wie Ihr es anschauet, auf dem Prinzip, welches Ihr in seinen Handlungen findet, beruht der Wert Eurer Religion. Wenn Ihr nun nicht leugnen könnt, daß sich die Idee von Gott zu jeder Anschauung des Universums bequemt, so müßt Ihr auch zugeben, daß eine Religion ohne Gott besser sein kann, als ein andre mit Gott.

Das Universum stellt sich in seinen Handlungen dem rohen Menschen, der nur eine verwirrte Idee vom Ganzen und Unendlichen hat, und nur einen dunkeln Instinkt, als eine Einheit dar, in der nichts mannigfaltiges zu unterscheiden ist, als ein Chaos gleichförmig in der Verwirrung, ohne Abteilung, Ordnung und Gesetz, woraus nichts einzelnes gesondert werden kann, als indem es willkürlich abgeschnitten wird in Zeit und Raum. Ohne den Drang es zu beseelen, repräsentiert ihm ein blindes Geschick den Charakter des Ganzen; mit diesem Drang wird sein Gott ein Wesen ohne bestimmte Eigenschaften, ein Götze, ein Fetisch, und wenn er mehrere annimmt, so sind sie durch nichts zu unterscheiden, als durch die willkürlich gesetzten Grenzen ihres Gebiets. Auf einer andern Stufe der Bildung stellt sich das Universum dar als eine Vielheit ohne Einheit, als ein unbestimmtes Mannigfaltiges heterogener Elemente und Kräfte,[70] deren beständiger und ewiger Streit seine Erscheinungen bestimmt. Nicht ein blindes Geschick bezeichnet seinen Charakter, sondern eine motivierte Notwendigkeit, in welcher die Aufgabe liegt, nach Grund und Zusammenhang zu forschen, mit dem Bewußtsein ihn nie finden zu können. Wird zu diesem Universum die Idee eines Gottes gebracht, so zerfällt sie natürlich in unendlich viele Teile, jede dieser Kräfte und Elemente, in denen keine Einheit ist, wird besonders beseelt, Götter entstehen in unendlicher Anzahl, unterscheidbar durch verschiedene Objekte ihrer Tätigkeit, durch verschiedene Neigungen und Gesinungen. Ihr müßt zugeben, daß diese Anschauung des Universums unendlich würdiger ist als jene, werdet Ihr nicht auch gestehen müssen, daß derjenige, der sich bis zu ihr erhoben hat, aber sich ohne die Idee von Göttern vor der ewigen und unerreichbaren Notwendigkeit beugt, dennoch mehr Religion hat als der rohe Anbeter eines Fetisches? Nun laßt uns höher steigen, dahin wo alles streitende sich wieder vereinigt, wo das Universum sich als Totalität, als Einheit in der Vielheit, als System darstellt, und so erst seinen Namen verdient; sollte nicht der, der es so anschaut als Eins und Alles, auch ohne die Idee eines Gottes mehr Religion haben, als der gebildetste Polytheist? Sollte nicht Spinoza ebensoweit über einem frommen Römer stehen, als Lukrez über einem Götzendiener? Aber das ist die alte Inkonsequenz, das ist das schwarze Zeichen der Unbildung, daß sie die am weitesten verwerfen, die auf einer Stufe mit ihnen stehen, nur auf einem andern Punkt derselben! welche von diesen Anschauungen des Universums ein Mensch sich zueignet, das hängt ab von seinem Sinn fürs Universum, das ist der eigentliche Maßstab seiner Religiosität, ob er zu seiner Anschauung einen Gott hat, das hängt ab von der Richtung seiner Phantasie. In der Religion wird das Universum angeschaut, es wird gesetzt als ursprünglich handelnd auf den Menschen. Hängt nun Eure Phantasie an dem Bewußtsein Eurer Freiheit so daß sie es nicht überwinden kann dasjenige was sie als ursprünglich wirkend denken soll anders als in der Form eines freien Wesens zu denken; wohl, so wird sie den Geist des Universums personifizieren und Ihr werdet einen Gott haben; hängt sie[71] am Verstande, so daß es Euch immer klar vor Augen steht, Freiheit habe nur Sinn im Einzelnen und fürs Einzelne; wohl, so werdet Ihr eine Welt haben und keinen Gott. Ihr, hoffe ich, werdet es für keine Lästerung halten, daß Glaube an Gott abhängt von der Richtung der Phantasie; Ihr werdet wissen daß Phantasie das höchste und ursprünglichste ist im Menschen, und außer ihr alles nur Reflexion über sie; Ihr werdet es wissen daß Eure Phantasie es ist, welche für Euch die Welt erschafft, und daß Ihr keinen Gott haben könnt ohne Welt. Auch wird er dadurch niemanden Ungewisser werden, noch wird sich jemand von der fast unabänderlichen Notwendigkeit ihn anzunehmen um desto besser losmachen, weil er darum weiß, woher ihm diese Notwendigkeit kommt. In der Religion also steht die Idee von Gott nicht so hoch als Ihr meint, auch gab es unter wahrhaft religiösen Menschen nie Eiferer, Enthusiasten oder Schwärmer für das Dasein Gottes; mit großer Gelassenheit haben sie das, was man Atheismus nennt, neben sich gesehen, und es hat immer etwas gegeben, was ihnen irreligiöser schien als dieses. Auch Gott kann in der Religion nicht anders vorkommen als handelnd, und göttliches Leben und Handeln des Universums hat noch niemand geleugnet, und mit dem seienden und gebietenden Gott hat sie nichts zu schaffen, so wie ihr Gott den Physikern und Moralisten nichts frommt, deren traurige Mißverständnisse dies eben sind, und immer sein werden. Der handelnde Gott der Religion kann aber unsere Glückseligkeit nicht verbürgen; denn ein freies Wesen kann nicht anders wirken wollen auf ein freies Wesen, als nur daß es sich ihm zu erkennen gebe, einerlei ob durch Schmerz oder Lust. Auch kann es uns zur Sittlichkeit nicht reizen, denn es wird nicht anders betrachtet als handelnd, und auf unsere Sittlichkeit kann nicht gehandelt und kein Handeln auf sie kann gedacht werden.

Was aber die Unsterblichkeit betrifft, so kann ich nicht bergen, die Art, wie die meisten Menschen sie nehmen und ihre Sehnsucht darnach ist ganz irreligiös, dem Geist der Religion gerade zuwider, ihr Wunsch hat keinen andern[72] Grund, als die Abneigung gegen das was das Ziel der Religion ist. Erinnert Euch wie in ihr alles darauf hinstrebt, daß die scharf abgeschnittenen Umrisse unsrer Persönlichkeit sich erweitern und sich allmählich verlieren sollen ins Unendliche, daß wir durch das Anschauen des Universums so viel als möglich eins werden sollen mit ihm; sie aber sträuben sich gegen das Unendliche, sie wollen nicht hinaus; sie wollen nichts sein als sie selbst und sind ängstlich besorgt um ihre Individualität. Erinnert euch wie es das höchste Ziel der Religion war, ein Universum jenseits und über der Menschheit zu entdecken, und ihre einzige Klage, daß es damit nicht recht gelingen will auf dieser Welt; Jene aber wollen nicht einmal die einzige Gelegenheit ergreifen, die ihnen der Tod darbietet, um über die Menschheit hinauszukommen; sie sind bange, wie sie sie mitnehmen werden jenseits dieser Welt und streben höchstens nach weiteren Augen und besseren Gliedmaßen. Aber das Universum spricht zu ihnen wie geschrieben steht: wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es erhalten, und wer es erhalten will, der wird es verlieren. Das Leben was sie erhalten wollen ist ein erbärmliches, denn wenn es ihnen um die Ewigkeit ihrer Person zu tun ist, warum kümmern sie sich nicht ebenso ängstlich um das was sie gewesen sind, als um das was sie sein werden und was hilft ihnen das vorwärts wenn sie doch nicht rückwärts können? Über die Sucht nach einer Unsterblichkeit, die keine ist, und über die sie nicht Herren sind, verlieren sie die, welche sie haben könnten, und das sterbliche Leben dazu mit Gedanken, die sie vergeblich ängstigen und quälen. Versucht doch aus Liebe zum Universum Euer Leben aufzugeben. Strebt darnach schon hier Eure Individualität zu vernichten, und im Einen und Allen zu leben, strebt darnach mehr zu sein als Ihr selbst, damit Ihr wenig verliert, wenn Ihr Euch verliert; und wenn Ihr so mit dem Universum, soviel ihr hier davon findet, zusammengeflossen seid, und eine größere und heiligere Sehnsucht in Euch entstanden ist, dann wollen wir weiter reden über die Hoffnungen, die uns der Tod gibt, und über die Unendlichkeit zu der wir uns durch ihn unfehlbar emporschwingen.

Das ist meine Gesinnung über diese Gegenstände. Gott ist[73] nicht Alles in der Religion sondern Eins, und das Universum ist mehr; auch könnt Ihr ihm nicht glauben willkürlich, oder weil Ihr ihn brauchen wollt zu Trost und Hilfe, sondern weil Ihr müßt. Die Unsterblichkeit darf kein Wunsch sein, wenn sie nicht erst eine Aufgabe gewesen ist, die Ihr gelöst habt. Mitten in der Endlichkeit Eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein in einem Augenblick, das ist die Unsterblichkeit der Religion.[74]

Quelle:
Friedrich Schleiermacher: Über die Religion. Hamburg 1958, S. 22-75.
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