§ 37. Das Benehmen der zurückgesetzten Frau.

[313] Unter diesen Gattinnen ist vielleicht auch eine, die ihrem Manne nicht gefällt: wie muß die sich benehmen? – So wird nun gehandelt von dem »Benehmen der zurückgesetzten Frau«:


Eine Frau aber, die ihrem Manne nicht gefällt und unter der Rivalität der Nebenfrauen zu leiden hat, schließe sich an diejenige unter ihnen an, die bei dem Gatten gleichsam die oberste Stelle einnimmt Sie zeige offen ihre Kenntnisse in den Künsten Infolge der Zurücksetzung hat sie keine Geheimnisse.


»Die unter der Rivalität der Nebenfrauen zu leiden hat«: das ist die Frucht der Zurücksetzung! »Sie schließe sich« besonders[313] fest »an diejenige unter ihnen«, den Nebenfrauen, an, »welche gleichsam die oberste Stelle einnimmt«, die von dem Gebieter Liebhaber zur ersten Gattin erhöht worden ist. Nachdem sie sich an diese angeschlossen hat, »zeige sie offen ihre Kenntnisse in den Künsten«, Gewandtheit im Blätterritzen usw. Das Zeigen ihrer Gewandtheit nämlich bewirkt Aufhebung der Zurücksetzung.


Für die Kinder des Liebhabers tue sie Wärterinnendienste.


»Wärterinnendienste«: Salben, Einreihen, Baden usw.


Sie gewinne seine Freunde und lasse durch sie ihre Anhänglichkeit offenbaren.


»Seine Freunde«, die Freunde des Liebhabers. – »Sie gewinne« durch Liebe und Fürsorge. – »Durch sie«, nachdem sie sie gewonnen hat, lasse sie von ihrer Anhänglichkeit berichten, um anzudeuten, daß sie nicht falsch ist.


Bei frommen Handlungen gehe sie voran, ebenso bei Gelübden und Fasten.


»Bei frommen Handlungen«, Totenmahlen usw., »gehe sie voran«, mache sie den Anfang. – »Bei Gelübden und Fasten«, die der Liebhaber abhält, gehe sie ebenfalls voran.


Gegen die Dienerschaft sei sie freundlich. Nicht als etwas Besonderes betrachte sie sich selbst.


»Gegen die Dienerschaft« des Liebhabers »sei sie freundlich«, soll sie Entgegenkommen zeigen. – »Nicht als etwas Besonderes betrachte sie sich selbst«, vor den Nebenfrauen und der Dienerschaft: weil das der Grund der Zurücksetzung ist. – Das ist das äußerliche Benehmen; nun beschreibt (der Verfasser) das innerliche:


Auf dem Lager erwidere sie nach seiner Gepflogenheit seine Leidenschaft.


»Nach seiner Gepflogenheit«, in Willfährigkeit gegen den Liebhaber. Wie der Liebhaber vorgeht, ebenso »erwidere sie«, auch wenn sie kein Verlangen danach hat, »seine Leidenschaft« bis zur Sättigung.


Sie tadele ihn nicht und zeige keine Sprödigkeit.


»Sie tadele ihn nicht«, daß er sie nicht leiden könne »und zeige keine Sprödigkeit«, Abgunst, durch Verhüllen ihrer Glieder.


[314] Mit welcher er entzweit ist, die bringe sie zur Liebe zurück.


»Mit welcher«, Gattin nämlich, »er entzweit ist, die bringe sie zurück«, mache sie wieder geneigt, »zur Liebe«, zur Annäherung. ›Auf diese Weise wird er auch mir geneigt werden!‹


Welche er heimlich liebt, die bringe sie mit ihm zusammen und verstecke sie.


»Welche er heimlich liebt«, eine fremde Frau, »die bringe sie mit ihm zusammen«, indem sie die Botin macht, zum Liebesgenusse und »verstecke sie«, spreche zu keinem andern darüber.


Sie arbeite darauf hin, daß der Liebhaber an ihre Gattentreue und Offenheit glaubt. – Das ist das Benehmen der zurückgesetzten Frau.


»Sie arbeite darauf hin«, bemühe sich. Gewöhnlich sind nämlich Beschränktheit und Bosheit die Gründe der Zurücksetzung.

Quelle:
Das Kāmasūtram des Vātsyāyana. Berlin 71922, S. 313-315.
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