Zweites Buch.

[46] 1. Die prozesse soll der könig prüfen mit kundigen Brâhmańas, nach der vorschrift der rechtsbücher, frei von zorn und begierde1.

2. Männer mit der kenntniss der wissenschaften und der Vedas begabt, rechtskundig, wahrheitredend soll der könig zu richtern machen, und solche die gegen feind und freund gleich sind.

3. Wenn der könig wegen anderer geschäfte die prozesse nicht prüfen kann, so soll er neben den richtern einen Brâhmańa der alles rechtes kundig ist damit beauftragen2.

4. Richter welche aus leidenschaft, begierde oder furcht den rechtsbüchern entgegen handeln, sollen jeder das doppelte der summe des streites als strafe zahlen.

5. Wenn jemand auf eine mit den rechtsvorschriften und dem herkommen streitende weise von anderen unterdrückt wird, und dies dem könige anzeigt, so ist dies grund eines prozesses.

[47] 6. Die klage ist in gegenwart des verklagten niederzuschreiben, wie sie von dem kläger vorgebracht ist, und mit jahr, monat, monatshälfte, tag, namen, kaste u.s.w. zu bezeichnen.

7. Die antwort des verklagten, wenn er die sache gehört, ist niederzuschreiben in gegenwart des klägers welcher zuerst gesprochen, und dann soll der kläger sogleich den beweis seiner behauptung niederschreiben lassen.

8. Beweist er sie, so gewinnt er, sonst verliert er. So ist der prozess bei streitigkeiten als vierfach dargestellt.

9. So lange der verklagte die beschuldigung nicht zurückgewiesen hat, soll er keine gegenklage anbringen, noch auch soll einer den von einem anderen verklagten verklagen. Das einmal ausgesagte soll er nicht abändern.

10. Eine gegenklage soll er gestatten bei zank und gewaltthätigkeiten. Für beide, kläger und verklagten, ist ein bürge anzunehmen welcher im stande ist, die sache durchzuführen.

11. Wer leugnet und überführt wird, soll das geld zahlen und eben so viel an den könig. Wer eine falsche klage vorbringt, soll das doppelte der geforderten summe zahlen3.

12. Bei gewalt, diebstahl, beleidigung, einer kuh, schwerer beschuldigung, angriff oder einer frau soll der richter sogleich antworten lassen; in anderen fällen ist beliebige zeit gestattet.

13. Wer von einer stelle zur anderen geht, in beiden mundwinkeln umherleckt, wessen stirn schwitzt und antlitz sich entfärbt,

[48] 14. Wer mit trockener, stotternder stimme viel widersprechendes redet, anrede und anblick nicht erwiedert und die lippen verzieht;

15. Wer so von selbst sich verändert in den verrichtungen des geistes, der stimme und des körpers, der ist als ein falscher in der anklage oder im zeugniss bezeichnet4.

16. Wer eine zweifelhafte sache eigenmächtig zu ende bringt, wer entflieht, und wer aufgefordert nichts sagt, der soll verurtheilt und bestraft werden5.

17. Wenn zeugen auf beiden seiten sind, so sollen zuerst die zeugen desjenigen befragt werden welcher die früheren ansprüche macht; und wenn die frühere partei verloren hat, die zeugen desjenigen welcher die späteren ansprüche macht.

18. Wenn mit dem prozesse eine wette verbunden war, so soll der richter den verlierenden die strafe und seine wette an den könig bezahlen lassen, und an den gläubiger das geld.

19. Der könig soll, die täuschung vertilgend, die prozesse nach der thatsache führen; selbst die thatsache, wenn sie nicht dargelegt wird, verliert im prozesse.

20. Wer eine mehrfache beschuldigung leugnet, und in einem punkte überführt wird, den soll der könig die ganze schuld bezahlen lassen. Etwas früher nicht angezeigtes aber ist nicht zu berücksichtigen.

21. Wenn zwei rechtsvorschriften im widerspruch stehen, so soll eine folgerung gelten welche sich aus dem prozesse ergiebt; aber eine vorschrift über das recht gilt mehr als eine vorschrift welche den nutzen betrifft. Dies steht fest.

[49] 22. Als beweis gilt eine schrift, der genuss und zeugen; wenn eins von diesen fehlt, so gilt eins von den gottesurtheilen.

23. In allen streitigen sachen ist der letzte akt der gültige; bei pfand, geschenk und kauf aber gilt der frühere akt mehr.

24. Ein stück land welches von einem fremden benutzt wird, geht in zwanzig jahren verloren, wenn der eigenthümer es sieht und nichts dazu sagt; anderes eigenthum in zehn jahren6.

25. Ausgenommen hiervon sind pfand, grenzen, deposita, eigenthum von schwachsinnigen und kindern, anvertrautes gut, eigenthum des königs, einer frau und eines Veda-kundigen Brâhmańa7.

26. Wer ein solches pfand oder anderes gut wegnimmt, den soll der richter das gut an den eigenthümer erstatten lassen, und eine geldstrafe von gleicher höhe, oder im verhältniss zu seinem vermögen, an den könig.

27. Erwerb gilt mehr als genuss, ausser wenn dieser schon von den vorfahren stammt; aber selbst erwerb hat keine kraft, wenn gar kein genuss da ist8.

28. Wer den erwerb vollzogen hat, der soll ihn nachweisen, wenn er verklagt wird; nicht sein sohn oder dessen sohn: bei diesen gilt der besitz mehr.

29. Wenn einer der verklagt worden stirbt, so soll der welcher in den besitz seiner güter gekommen ist, den erwerb nachweisen, in diesem falle gilt nicht der genuss welcher ohne erwerb eingetreten ist.

[50] 30. Richter die vom könige angestellt sind, versammlungen, corporationen und familien: von diesen sind jedesmal die früheren von grösserem gewichte in der entscheidung der processe unter den menschen.

31. Prozesse welche durch gewalt oder betrug beendigt sind, soll der könig für ungültig erklären; eben so solche welche durch frauen, bei nacht, im inneren hause, ausserhalb des ortes oder durch feinde verursacht sind.

32. Ein prozess welcher durch einen betrunkenen, geisteskranken, einen mit krankheit behafteten, ein kind, einen von furcht getriebenen und ähnliche angeknüpft, oder welcher durch einen unbefugten eingeleitet worden, ist nicht gültig9.

33. Verlorenes gut welches gefunden worden, soll durch den könig dem eigenthümer zurückgegeben werden; wenn dieser es nicht durch kennzeichen beweist, so soll er eine gleiche geldstrafe geben10.

34. Wenn der könig einen schatz findet, soll er die hälfte den Brâhmańen geben; ein gelehrter Brâhmańa soll ihn ganz behalten, weil er der herr von allem ist11.

35. Wenn ein anderer einen schatz gefunden, soll der könig den sechsten theil davon empfangen; wenn ein solcher es nicht anzeigt, und es bekannt wird, soll er ihn ganz abgeben und eine geldstrafe12.

36. Einen gegenstand welchen diebe einem bewohner des landes entwendet haben, soll der könig diesem wiedergeben; denn wenn er ihn nicht wiedergiebt, erhält er die sünde dessen welchem jener gegenstand gehört13.

[51] 37. Der achtzigste theil soll als zinsen bezahlt werden für jeden monat, wenn ein pfand gegeben ist: sonst nach der reihe der kasten zwei, drei, vier, und fünf vom hundert14.

38. Leute welche in wälder gehen sollen zehn und seefahrer zwanzig vom hundert bezahlen, oder alle an leute aller klassen die von ihnen festgesetzten zinsen15.

39. Von vieh und weibern sollen ihre abkömmlinge die zinsen sein, flüssigkeit soll höchstens auf das achtfache anwachsen, kleider, getreide und gold auf das vier- drei- und zweifache16.

40. Wer eine anerkannte schuld eintreibt, soll nicht vom könige getadelt werden; wenn der, von dem sie eingetrieben wird, zum könige geht, soll er bestraft und gezwungen werden, das geld zu bezahlen17.

41. Der schuldner soll gezwungen werden, die gläubiger zu bezahlen in der reihe wie er von ihnen geld empfangen hat, aber so dass er zuerst einen Brâhmańa bezahlt und nach diesem den könig.

42. Der könig soll den schuldner zwingen von dem eingetriebenen gelde ihm zehn vom hundert zu zahlen, und der gläubiger welcher sein geld wieder empfangen, soll ihm fünf vom hundert bezahlen18.

43. Einen mann aus niederer kaste, der unvermögend ist, kann man zwingen für eine schuld zu arbeiten, ein Brâhmańa aber welcher arm ist, soll es allmälig bezahlen im verhältniss zu seinem erwerbe19.

44. Wenn jemand geborgtes geld welches ihm zurückgegeben wird, nicht annimmt, so soll dasselbe einem unparteiischen übergeben werden, und wird von da an nicht weiter verzinst.

[52] 45. Eine schuld welche von ungetheilten verwandten des haushalts wegen gemacht ist, sollen, wenn der herr des hauses stirbt oder auswandert, die theilnehmer an dem gelde bezahlen20.

46. Eine frau braucht nicht die von ihrem mann oder sohn gemachte schuld zu bezahlen, noch der vater die vom sohn gemachte, ausgenommen wenn sie für die familie gemacht ist. Auch braucht der mann nicht die von der frau gemachte schuld zu bezahlen.

47. Schulden für geistige getränke, liebesausschweifungen, spiel, oder die von einer geldstrafe oder zoll noch übrig sind, und eben so unnöthige geschenke braucht der sohn hier für den vater nicht zu bezahlen21.

48. Die schulden der frauen von hirten, verfertigern geistiger getränke, schauspielern, wäschern oder jägern soll der mann derselben bezahlen, weil sein lebensunterhalt von der frau abhängt.

49. Eine von dem manne anerkannte schuld ist von der frau zu bezahlen, oder eine welche von ihr mit dem manne gemacht ist, oder eine welche von ihr selbst gemacht ist. Eine andere braucht die frau nicht zu bezahlen.

50. Wenn der vater ausgewandert oder gestorben oder in laster versunken ist, soll die schuld von den söhnen oder enkeln bezahlt werden. Wenn diese sie läugnen, muss sie durch zeugen bewiesen werden.

51. Die schulden eines erblassers welcher keinen der verwaltung des vermögens fähigen sohn hat, soll bezahlen, wer das vermögen empfängt, und eben so der welcher die frau nimmt, oder der sohn, wenn der besitz nicht auf einen anderen übergegangen ist.

[53] 52. Zwischen brüdern, mann und frau, vater und sohn ist bürgschaft, schuldenmachen und zeugniss abgeben nicht erlaubt, wenn das vermögen nicht getheilt ist.

53. Für erscheinen, zutrauen und bezahlen ist bürgschaft angeordnet; die beiden ersten müssen bei nichterfüllung bezahlen; bei dem letzten auch die söhne22.

54. Wenn ein bürge für erscheinen gestorben ist, oder einer für zutrauen, so brauchen seine söhne die schuld nicht zu bezahlen; aber die söhne eines bürgen für bezahlen sollen bezahlen23.

55. Wenn mehrere bürgen sind, sollen sie jeder nach seinem theile das geld bezahlen; wenn sie aber alle in denselben schatten getreten sind, haften sie für die schuld nach dem belieben des gläubigers.

56. Wenn ein bürge öffentlich gezwungen wird, dem gläubiger das geld zu bezahlen, so soll der schuldner es ihm doppelt wieder erstatten.

57. Für weiber und vieh soll er deren abkömmlingen mit zurückgeben; getreide dreifach, kleider vierfach, flüssigkeit achtfach.

58. Ein pfand geht verloren, wenn es nicht eingelöst wird, nachdem das geliehene kapital verdoppelt ist; ein pfand welches auf eine bestimmte zeit gegeben ist, geht zu der zeit verloren; ein pfand von welchem man den genuss haben soll, geht nicht verloren24.

59. Wenn ein bloss aufzubewahrendes pfand benutzt wird, so sollen keine zinsen bezahlt werden, noch auch wenn ein zu benutzendes beschädigt wird25. Ein verdorbenes oder vernichtetes soll ersetzt werden, ausser wenn es durch das schicksal oder durch den könig geschehen ist.

[54] 60. Ein pfand wird gültig durch die annahme; wenn dasselbe, obwohl gehütet, verdorben wird, so ist ein anderes zu geben, oder der gläubiger soll sein geld empfangen.

61. Geld welches jemandem unter verpfändung seines lebenswandels geliehen ist, soll ihn der könig mit den zinsen erstatten lassen; eine summe welche jemandem auf sein versprechen geliehen ist, soll er doppelt wiederzugeben gezwungen werden.

62. Wenn der schuldner kommt, soll ihm der gläubiger das pfand geben, sonst ist er ein dieb; wenn der gläubiger nicht da ist, darf der schuldner das geld der familie geben und sein pfand nehmen.

63. Oder nachdem der werth den es zu der zeit hat geschätzt ist, mag es dort bleiben, frei von zinsen, oder in abwesenheit des schuldners mag der gläubiger es verkaufen vor zeugen.

64. Wenn aber eine schuld auf ein pfand doppelt geworden ist, so ist das pfand zurückzugeben, wenn der gläubiger aus der benutzung desselben das doppelte des kapitals gezogen hat.

65. Einen gegenstand welcher in einem behältniss befindlich einem andern in die hand übergeben wird, ohne ihm den betrag zu sagen, nennt man ein depositum. Dieses muss eben so zurückgegeben werden26.

66. Der empfänger soll aber nicht gezwungen werden es zurückzugeben, wenn es ihm durch den könig, durch das schicksal oder durch räuber genommen ist27; tritt der verlust ein, nachdem es zurückgefordert aber nicht zurückgegeben ist, so soll er es ersetzen und eine gleiche geldstrafe geben.

[55] 67. Wer solchen gegenstand nach willkür benutzt, soll eine strafe zahlen, und ihn mit zinsen zurückgeben. Diese vorschrift bezieht sich auch auf geborgte sachen (yâcita), solche welche einem übergeben werden, damit er sie ihrem eigenthümer zurückgebe (anvâhita), deposita welche man in abwesenheit des herrn in seinem hause deponirt hat (nyâsa), unterpfänder (nikshepa) und ähnliche.

68. Der busse ergebene, freigebige, aus guter familie stammende, wahrheit redende, das recht achtende, aufrichtige, väter von söhnen, wohlhabende28;

69. Wenigstens drei zeugen sollen sein29; den vorschriften der Vedas und der rechtsbücher ergeben, von demselben geschlechte wie der, für den sie zeugen, und von derselben kaste, oder wenn solche fehlen, kann jeder für jeden zeugniss geben30.

70. Frauen, kinder, alte, spieler, berauschte, geisteskranke, bescholtene, schauspieler, ketzer, fälscher, menschen mit kranken sinneswerkzeugen,

71. Gefallene, freunde, bei der sache interessirte, genossen, feinde, diebe, ein gewaltthätiger, ein als schlecht bekannter, verstossene und ähnliche sollen nicht als zeugen zugelassen werden31.

72. Auch ein einzelner gilt als zeuge, wenn er von beiden zeugen genehmigt wird und des rechtes kundig ist. Jeder gilt als zeuge bei unzucht, raub, beleidigung und gewaltthat32.

73. Der richter soll in gegenwart des klägers und verklagten die zeugen so anreden: »Zu den welten welche verbrechern und grossen verbrechern bestimmt sind,«

[56] 74. »Und zu den welten welche brandstiftern und frauen- und kindermördern bestimmt sind, zu allen diesen welten gelangt derjenige, welcher ein falsches zeugniss sagt33

75. »Alles gute, was du in hundert früheren geburten gethan hast, das alles wird dem zu theil, welchen du durch unwahrheit besiegst34

76. Den mann, welcher sein zeugniss nicht ausspricht, soll der könig die ganze schuld bezahlen lassen, mit einem zehntel derselben als strafe am sechsundvierzigsten tage35.

77. Der schlechte mensch, welcher kein zeugniss abgiebt, obwohl er die sache weiss, ist an verbrechen und an strafe den falschen zeugen gleich zu stellen.

78. Wenn zwiespalt stattfindet, so ist die aussage der mehrzahl anzunehmen; bei gleicher zahl die der ausgezeichneten; bei zwiespalt von ausgezeichneten aber die aussage derer, welche am meisten ausgezeichnet sind36.

79. Der kläger, dessen behauptung die zeugen für wahr erklären, soll den prozess gewinnen; der aber, dessen behauptung sie für falsch erklären, soll verlieren.

80. Wenn auch von zeugen zeugniss abgegeben ist, und andere ausgezeichnetere oder doppelt so viele das gegentheil aussagen, so sollen die ersten zeugen als falsche gelten.

81. Wer zeugen besticht und die bestochenen zeugen selbst sollen einzeln das doppelte der streitigen summe als strafe zahlen; ein Brâhmańa aber soll verbannt werden37.

82. Wer ein zeugniss welches ihm von andern zu ohren gekommen, verhehlt, von finsterniss umhüllt, der soll achtfache strafe zahlen; einen Brâhmańa aber soll man verbannen.

[57] 83. Wo der tod eines menschen irgend einer kaste davon abhängt, da soll der zeuge unwahr sprechen: zur reinigung dafür sollen zwiegeborene ein opfer an die Sarasvatî darbringen38.

84. Wenn über irgend eine sache mit gegenseitiger beistimmung eine übereinkunft getroffen ist, so ist darüber eine schrift aufzusetzen mit zuziehung von zeugen, in welcher der name des gläubigers voransteht.

85. Dieselbe muss bezeichnet sein mit dem jahre, monate, halbmonate, tage, dem namen, der kaste und familie, mit der benennung der Veda-studien, und den namen der väter der personen u.s.w.

86. Wenn die verhandlung vollendet ist, soll der schuldner seinen namen mit eigener hand darunter schreiben: »was hier oben geschrieben ist, dem stimme ich, der sohn von N.N., bei.«

87. Und die zeugen sollen allesammt mit eigener hand nebst dem namen ihres vaters schreiben: »hierin bin ich N.N. zeuge.«

88. Darauf soll der schreiber am ende schreiben: »dies ist auf bitten beider parteien geschrieben von mir N.N., dem sohne des N.N.«

89. Auch ohne zeugen soll jede schrift, welche von der eigenen hand des schuldners geschrieben ist, als beweis gelten, ausser wenn sie mit gewalt39 oder durch betrug erlangt ist.

90. Eine schuld welche auf einen schuldschein contrahirt worden, soll nur von drei männern bezahlt werden; ein pfand aber wird so lange genossen, als die schuld nicht bezahlt wird.

[58] 91. Wenn die schrift in einem anderen lande ist, oder falsch geschrieben, zerstört, ausgeblichen, zerrissen, verbrannt oder zerschnitten, so soll man eine andere schrift anfertigen lassen.

92. Eine zweifelhafte schrift soll geprüft werden nach der eigenen handschrift und ähnlichen anzeichen, nach erwägung der wahrscheinlichkeit, nach der ausfertigung, nach einzelnen zeichen, nach der verbindung beider parteien mit einander und nach früheren massregeln.

93. Der schuldner schreibe es auf die rückseite des schuldscheines, wenn er zu verschiedenen malen einen theil der schuld bezahlt hat, oder der gläubiger gebe ihm einen empfangschein, den er eigenhändig gezeichnet hat.

94. Wenn er die schuld bezahlt hat, so soll er den schein zerreissen lassen, oder sich einen anderen zu seiner reinigung ausfertigen lassen. Aber eine schuld, welche vor zeugen contrahirt ist, muss vor zeugen bezahlt werden.

95. Wage, feuer, wasser, gift und das weihwasser sind hier die gottesurtheile zur reinigung40; diese werden bei grossen anklagen angewandt, wenn der kläger zu einer geldstrafe bereit ist.

96. Einer von beiden nach gefallen soll die probe machen, der andere zur strafe bereit sein; auch ohne die strafe soll er sie machen bei einem vergehen gegen den könig oder einem grossen verbrechen.

97. Der richter soll ihn in seinen kleidern gebadet herbeirufen bei sonnenaufgang, noch nüchtern und ihn alle gottesproben machen lassen in gegenwart des königs und der Brâhmańas.

[59] 98. Die wage ist für frauen, kinder, greise, blinde, lahme, Brâhmańas und kranke; das feuer oder wasser oder sieben weizenkörner gift für einen Śûdra.

99. Ausser wenn die sache tausend pańas betrifft, soll der verklagte nicht die eiserne pflugschaar nehmen, noch auch das gift oder die wage; bei einer sache gegen den könig aber und bei schwerer beschuldigung sollen sie immer die probe machen, nachdem sie sich gereinigt.

100. Der verklagte soll in die wage steigen, und nachdem er von leuten die das wägen verstehen mit einem gegengewichte gleich gemacht, und dies durch eine linie bezeichnet worden, soll man ihn heraussteigen lassen.

101. »Du, o wage, bist als wohnung der wahrheit ehemals von den göttern geschaffen worden, deshalb rede die wahrheit, o heil bringende, befreie mich vom Zweifel.«

102. »Wenn ich unrecht gethan, o mutter, so führe mich abwärts; bin ich rein, so lass mich aufwärts steigen.« So soll er zu der wage sprechen.

103. Nachdem er reiss zerrieben, soll man seine hände genau prüfen und dann sieben Aśvattha-blätter in dieselben legen, und diese eben so oft mit einem faden festbinden.

104. »Du, o feuer, wandelst in allen wesen, o reiniger, als zeuge, sage von reinheit und schuld das wahre in meiner hand.«

105. Wenn er so gesprochen hat, soll man eine glühende, fünfzig palas schwere, glatte, feuerfarbige kugel in seine hände legen.

106. Wenn er diese empfangen, soll er langsam durch sieben kreise schreiten. Jeder kreis soll sechszehn finger sein, und eben so breit jeder zwischenraum.

[60] 107. Nachdem er das feuer weggeworfen, soll er wieder reiss zerreiben, und wenn er nicht verbrannt ist, so ist er rein. Wenn die kugel während seines gehens niederfällt, oder wenn ein zweifel obwaltet, so soll er sie nochmal nehmen.

108. »Durch wahrheit schütze du mich, o Varuńa!« nachdem er so das wasser angerufen, soll er die schenkel eines mannes fassen welcher bis an den nabel im wasser steht, und unter das wasser tauchen.

109. Ein schneller mann soll einen zu derselben zeit abgeschossenen pfeil herbeibringen, und wenn er den beschuldigten noch mit untergetauchtem körper findet, so soll dieser rein sein.

110. »Du, o gift, bist Brahma's kind, in wahrheit und recht beharrend; rette mich von dieser beschuldigung, durch wahrheit werde mir unsterblichkeitstrank.«

111. Nachdem er so gesprochen, soll er gift verschlucken welches aus dem Śringa-baum auf dem Himâlaya bereitet, und wenn dies ohne üble wirkung verdauet wird, soll man ihn für unschuldig erklären.

112. Der richter soll schreckliche götter verehren, und wasser, in welchem sie gebadet, nehmen und von diesem wasser den verklagten drei handvoll trinken lassen, nachdem er es angerufen.

113. Wenn ihm in vierzehn tagen hierauf kein schrecklicher unfall vom könige oder vom schicksal zustösst, so soll er rein sein ohne zweifel.

114. Wenn der vater die erbtheilung macht, so theile er unter seine söhne nach seinem belieben; er gebe entweder dem ältesten den besten theil41, oder alle können gleiche theile empfangen.

[61] 115. Wenn er gleiche theile macht, so müssen auch seine frauen gleiche theile bekommen, welchen kein vermögen gegeben ist, weder von ihrem manne noch von ihrem schwiegervater.

116. Wer fähig ist sich selbst zu ernähren und nichts vom väterlichen vermögen wünscht, dem soll er etwas geben, und ihn trennen42. Eine theilung nach grösseren oder kleineren theilen welche gesetzmässig vom vater gemacht worden, wird als gültig erwähnt.

117. Die söhne sollen nach dem tode beider eltern vermögen und schulden gleich theilen43. Die töchter das vermögen der mutter welches nach bezahlung der schulden übrig bleibt; wenn keine töchter da sind, die nachkommen44.

118. Was sonst einer der erben selbst erworben, ohne nachtheil des väterlichen vermögens45, als geschenk von einem freunde oder hochzeitsgeschenk46, das soll nicht den miterben zufallen.

119. Wer durch nachfolge erworbenes gut, welches weggenommen war, wieder erlangt47, der soll dasselbe nicht den miterben geben; auch nicht das, was er durch seine wissenschaft erworben hat48.

120. Wenn das gemeinschaftliche vermögen vermehrt worden, so ist gleiche theilung vorgeschrieben49. Die vertheilung unter enkel von verschiedenen vätern geschieht nach verhältniss der väter.

121. Denn wenn ein land oder ein fixirtes einkommen oder ein vermögen von dem grossvater erworben ist, so haben vater und sohn gleiches eigenthumsrecht auf dasselbe.

[62] 122. Ein sohn, welcher von einer frau derselben kaste geboren wird, nachdem die theilung schon geschehen50, nimmt theil daran. Sein theil soll aus dem sichtbaren vermögen genommen werden, nachdem dasselbe nach einkommen und ausgaben gereinigt ist.

123. Vermögen welches einem der kinder von den eltern gegeben ist, soll diesem gehören. Wenn sie nach dem tode des vaters theilen, soll auch die mutter einen theil bekommen.

124. Ungeweihete sollen von den früher geweiheten brüdern geweihet werden; schwestern ebenfalls, aber so dass die brüder ihnen den vierten theil eines brudertheiles geben51.

125. Die söhne eines Brâhmańa sollen nach der kaste der mutter vier, drei, zwei oder einen theil haben; die söhne eines Kshatriya drei, zwei, oder einen theil; die söhne eines Vaiśya aber zwei oder einen theil52.

126. Wenn vermögen, welches einer dem andern genommen, nach der theilung zum vorschein kommt, so soll dies wieder zu gleichen theilen getheilt werden. Dies ist regel53.

127. Ein sohn welcher von einem kinderlosen mit der frau eines anderen nach dem auftrage erzeugt ist, der ist dem rechte nach erbe beider väter und bringt die todtenopfer für beide54.

128. Ein leiblicher sohn ist der von einer rechtmässigen gattin geborne55; dem gleich ist der sohn einer tochter56. Frauensohn ist der mit der frau durch einen näheren oder ferneren verwandten ihres mannes erzeugte57.

[63] 129. Der sohn welcher heimlich im hause geboren ist, wird ein heimlich geborener genannt58. Ein jungfrauensohn ist der einem unverheiratheten mädchen geborene59; er wird als sohn seines mütterlichen grossvaters betrachtet.

130. Sohn einer wiederverheiratheten ist der von einer entweder früher noch nicht verletzten oder schon verletzten frau geborene60. Der sohn welchen seine mutter oder sein vater einem anderen manne giebt, ist ein gegebener61.

131. Ein gekaufter ist der von den eltern verkaufte62; ein künstlicher den man selbst adoptirt63. Ein sohn der sich selbst einem anderen giebt, ist ein selbst gegebener. Ein im mutterleibe gefundener, ist der sohn einer frau welche schwanger war, als sie heirathete64.

132. Ein sohn welcher als ein verlassener angenommen wird, soll als ein verstossener angesehen werden65. Wenn ein früherer von diesen fehlt, so soll jedesmal der auf ihn folgende die todtenopfer bringen und das erbe nehmen66.

133. Diese vorschrift ist von mir verkündet über söhne gleicher kaste. Ein sohn den ein Śûdra mit einer sklavin erzeugt, soll einen beliebigen erbtheil empfangen67.

134. Wenn der vater gestorben ist, sollen die brüder ihm einen halben theil geben; wenn er keine brüder hat, soll er das ganze nehmen, ausser wenn söhne von töchtern da sind.

135. Die frau, die töchter, die eltern und die brüder, ein brudersohn, ein verwandter, ein verschwägerter, ein schüler und mitschüler:

[64] 136. Wenn von diesen ein früherer fehlt, so soll jedesmal der folgende das vermögen desjenigen empfangen, welcher in den himmel gegangen ist, und keine söhne hinterlässt68. Diese regel gilt für alle kasten.

137. Das vermögen eines einsiedlers, eines büssenden und eines geistlichen schülers fällt der reihe nach an seinen lehrer, einen tüchtigen schüler oder an einen durch frömmigkeit ihm verbrüderten, der in derselben einsiedelei wohnt.

138. Den theil eines wiedervereinigten bruders soll der wiedervereinigte geben oder empfangen, den eines leiblichen bruders aber der leibliche bruder, wenn jener geboren wird oder stirbt69.

139. Ein halbbruder der sich wieder vereinigt soll das vermögen bekommen, nicht aber ein blosser halbbruder der sich nicht vereinigt; ein leiblicher bruder aber soll es bekommen, auch wenn er sich nicht vereinigt hat; nicht aber ein von einer anderen mutter geborener.

140. Ein zwitter oder ein gefallener und dessen sohn, ein lahmer, ein toller, ein geistesschwacher, ein blinder, ein mit unheilbarer krankheit behafteter und ähnliche sollen ernährt werden, ohne einen erbtheil zu bekommen70.

141. Ihre leiblichen oder frauensöhne aber, wenn sie fehlerfrei sind, bekommen erbtheil71, und ihre töchter sollen ernährt werden, bis sie gatten bekommen.

142. Ihre kinderlosen frauen sollen ernährt werden, wenn sie tadellos leben; sie sollen aber fortgejagt werden, wenn sie ausschweifend sind, und ebenso wenn sie boshaft sind.

[65] 143. Was einer frau von vater, mutter, mann oder bruder gegeben, oder was sie bei der hochzeit empfangen, oder bei der verheirathung des mannes mit einer anderen frau und ähnliches, das heisst frauenvermögen72.

144. Geschenke von verwandten, ihre morgengabe oder was ihr nachher gegeben, das sollen die verwandten bekommen73, wenn sie ohne kinder stirbt.

145. Das vermögen einer kinderlosen frau fällt dem gatten zu, wenn sie in einer von den vier ehen Brâhma u.s.w. geheirathet worden74, und wenn sie kinder hat, ihren töchtern; ist sie in einer der übrigen eheformen geheirathet worden, so fällt es ihren eltern zu75.

146. Wer eine tochter, die er versprochen hat, zurückhält, soll eine geldstrafe zahlen, und die ausgaben mit den zinsen erstatten; wenn sie stirbt, soll der bräutigam die geschenke zurücknehmen, nachdem er die beiderseitigen ausgaben berichtigt.

147. Das frauenvermögen welches der mann in hungersnoth oder zu erfüllung einer pflicht, in krankheit oder im gefängniss genommen hat, braucht er der frau nicht wiederzugeben.

148. Einer frau, neben welcher er eine zweite heirathet, soll er eben so viel für die hintansetzung geben, wenn ihr kein frauenvermögen gegeben ist; ist ihr dies gegeben, so ist nur die hälfte bestimmt.

149. Wenn theilung geleugnet wird, so soll man sich von ihr überzeugen durch verwandte, verschwägerte, zeugen oder schrift, oder durch getrennten besitz von haus und feld.

[66] 150. Bei einem streit um die grenzen sollen die nachbaren des feldes, die alten männer und andere, kuhhirten, solche die das feld nahe an der grenze bauen und alle welche im walde beschäftigt sind76,

151. Die grenze bestimmen, wie sie durch erhöhungen, kohlen, hülsen, bäume, brücken, ameisenhaufen, vertiefungen, knochen, denksteine und andere zeichen kenntlich gemacht wird77.

152. Oder vier, acht oder zehn nachbaren aus demselben dorfe mit rothen kränzen und kleidern sollen die grenze bestimmen, indem sie erde tragen78.

153. Wenn sie die unwahrheit sagen, sind sie einzeln vom könige zu bestrafen mit der mittleren geldstrafe79. Wenn niemand da ist der die grenze kennt und auch kein zeichen derselben, soll der könig sie festsetzen80.

154. Eben dieselbe vorschrift gilt für streitigkeiten über obstgärten, scheunen, dörfer, wasserbehälter, lustgärten, häuser, behälter von regenwasser u.s.w.81.

155. Für das zerreissen des grenzstreifens aber, für das überschreiten der grenze und für die wegnahme von feld gelten die niedrigste, die höchste und die mittlere geldstrafe82.

156. Ein nützlicher damm welcher geringen nachtheil verursacht, soll nicht verhindert werden, eben so ein wasserreicher brunnen von geringem umfange, welcher fremdes feld wegnimmt.

157. Wenn jemand auf einem felde einen damm errichtet, ohne den besitzer gefragt zu haben, so soll, wenn der damm fertig ist, der herr des feldes den genuss haben, oder wenn kein solcher da ist, der könig.

[67] 158. Wenn jemand ein feld eines anderen welches er schon gepflügt hat, nicht weiter bestellt oder bestellen lässt, so soll er dem eigenthümer den werth der ernte bezahlen, und das feld durch einen anderen bestellt werden.

159. Acht Mâshas soll ein weiblicher büffel bezahlen welcher getreide beschädigt; die hälfte davon eine kuh, und die hälfte hiervon ziegen und schafe.

160. Wenn die thiere, nachdem sie gefressen, sich in dem getreide lagern, so sollen sie das doppelte der genannten strafe zahlen; dieselbe strafe trifft sie auf einem umzäunten weideplatze; esel und kamele stehen den büffeln gleich.

161. Wie viel getreide vernichtet wird, so viel soll dem herrn des feldes ersetzt werden83; der hirte des viehes soll schläge bekommen, der herr desselben aber die oben erwähnte strafe zahlen.

162. Geschieht die beschädigung auf einem felde welches am wege, an dem dorfe oder an dem weideplatze liegt84, so trifft den herrn keine schuld, wenn es unabsichtlich geschieht; wird das vieh absichtlich hingetrieben, so soll der herr wie ein dieb bestraft werden.

163. Ein bulle, freigelassenes vieh, eine kuh welche gekalbt hat, verirrtes vieh und andere, bei welchen kein hüter ist, sollen freigelassen werden85, da sie vom schicksal oder vom könige getrieben werden.

164. Ein hirte soll das vieh am abend zurückgeben, wie es ihm übergeben ist86; die durch seine nachlässigkeit gestorbenen oder verlorenen soll er erstatten87, wenn er lohn empfängt.

[68] 165. Bei einem verluste durch die schuld des hüters soll dieser 131/2 pańas als strafe zahlen, und dem herrn den werth ersetzen.

166. Das weideland soll bestimmt werden durch den wunsch der dorfbewohner, oder nach der grösse des gebietes oder durch den könig; ein Brâhmańa darf gras, brennholz und blumen überall nehmen88, als wenn sie ihm gehörten.

167. Zwischen den feldern und einem dorfe soll ein zwischenraum von hundert bogen sein; von zweihundert bei einem flecken und von vierhundert bei einer stadt89.

168. Ein eigenthum welches von einem andern verkauft ist, darf man zurücknehmen90; der käufer verdient tadel, wenn er heimlich kauft; wenn er von einem niedrigen menschen heimlich zu niedrigem preise zu ungehöriger zeit kauft, ist er ein dieb.

169. Wer ein verlorenes oder gestohlenes gut gekauft hat, soll dafür sorgen, dass der mann welcher es genommen hat, ergriffen werde; wenn ort und zeit dies nicht gestatten, so soll der welcher es gekauft hat, es selbst zurückgeben.

170. Wenn er den verkäufer nachweist, soll er frei sein; der eigenthümer bekommt sein gut, der könig eine geldstrafe, der käufer den preis von demjenigen welcher das gut verkauft hat.

171. Ein verlorenes gut muss der eigenthümer beweisen durch nachweis der erwerbung oder des gebrauches; sonst, wenn er dies nicht nachweist, soll er den fünften theil des werthes als strafe an den könig zahlen.

[69] 172. Wer ein gut welches ihm gestohlen oder verloren gegangen ist, aus der hand eines fremden zurücknimmt, ohne es dem könige zu melden, der soll 96 pańas strafe zahlen.

173. Ein verlorenes oder gestohlenes gut, welches die steuereinnehmer oder wächter des ortes wieder erlangt haben, soll bis nach einem jahre der eigenthümer zurücknehmen; später gehört es dem könige.

174. Für ein einhufiges thier soll der eigenthümer vier pańas zahlen, für einen menschen fünf pańas, für einen büffel, ein kamel oder ein rind je zwei, für eine ziege oder ein schaf je einen viertel pańa.

175. Eigenthum darf man verschenken, wenn der haushalt nicht dadurch leidet, ausgenommen frau und söhne; nicht aber das ganze vermögen, wenn nachkommenschaft da ist, noch auch das, was man einem anderen versprochen hat.

176. Die annahme soll öffentlich sein, besonders von unbeweglichem gut; wer etwas verschenkbares und versprochenes weggegeben hat, soll es nicht wieder zurücknehmen.

177. Die prüfungszeit von samenkorn ist zehn tage91, von eisen ein tag, von lastthieren fünf tage, von edelsteinen sieben tage, von frauen ein monat, von milchkühen drei tage, von männern ein monat.

178. Gold darf im feuer nicht verlieren; hundert palas silber verlieren zwei palas; hundert palas zinn oder blei verlieren acht palas, kupfer fünf, eisen zehn.

[70] 179. Bei wollen- oder baumwollengeweben nehmen hundert palas um zehn palas zu92, gewebe von mittlerer feinheit um fünf palas, feine aber um drei palas.

180. Bei buntem gewebe und haargewebe geht der dreissigste theil verloren; weder verlust noch zunahme findet statt bei seiden – oder bastgewebe.

181. Wenn etwas verloren ist, so soll der handwerker unweigerlich das bezahlen, was sachverständige sagen, nachdem sie den ort, die zeit, den gebrauch und die stärke oder schwäche des stoffes geprüft haben.

182. Wer mit gewalt zum sklaven gemacht und wer von räubern verkauft worden ist, soll freigelassen werden; eben so wer seinem herrn das leben rettet, oder wer den unterhalt aufgiebt, oder wer sich loskauft.

183. Wer den stand des frommen bettlers aufgiebt, wird ein sklave des königs bis zu seinem tode. Sklaverei93 findet nur statt in grader ordnung der kasten, nicht gegen die ordnung.

184. Ein lehrling soll, wenn er auch seine kunst schon erlernt hat, bis zum ende der verabredeten zeit im hause des lehrers wohnen, von dem lehrer den unterhalt empfangend, und ihm das gebend was er erwirbt.

185. Der könig soll in der stadt ein gebäude errichten, und Brâhmańas in dasselbe setzen, als Vedakundige körperschaft, denen er ihren unterhalt anweist, und zu ihnen sprechen: »beobachtet eure pflicht.«

186. Jede vertragmässige pflicht welche mit ihren eigenen pflichten nicht in widerspruch steht, sollen sie mit sorgfalt erfüllen, sowie auch jede pflicht welche der könig ihnen auflegt.

[71] 187. Wer das vermögen der körperschaft veruntreut und wer den vertrag verletzt, dem soll er sein vermögen nehmen und ihn aus dem reiche verbannen.

188. Welche zum wohl der gemeinschaft rathen, deren rede ist von allen zu befolgen; wer diesem entgegenhandelt, der soll die erste geldstrafe zahlen.

189. Diejenigen welche wegen einer angelegenheit der gemeinschaft gekommen sind, soll der könig entlassen, wenn sie die angelegenheit vollendet, nachdem er sie mit geschenken, beweisen der achtung und bewirthung geehrt hat.

190. Was einer, der in angelegenheiten der gemeinschaft abgesendet ist, empfängt, das soll er abgeben; wenn er es nicht von selbst abgiebt, so soll er das eilffache desselben zahlen.

191. Pflichtkundige, reine, uneigennützige sollen die geschäftsführer sein; ihre rede ist zu befolgen, wenn sie zum wohl der gemeinschaft rathen.

192. Diese vorschrift gilt auch für handwerker, kaufleute, ketzer und andere körperschaften; der könig soll ihren unterschied festhalten, und sie bei ihrer ursprünglichen lebensweise bleiben lassen94.

193. Wenn einer, der seinen lohn schon empfangen hat, die arbeit aufgiebt95, so soll er das doppelte des lohnes zahlen; hat er ihn noch nicht empfangen, so soll er den betrag desselben zahlen. Die diener sollen die geräthe in acht nehmen.

194. Wer eine arbeit verrichten lässt, ohne den lohn festgesetzt zu haben, den soll der könig den zehnten theil des gewinnstes an vieh oder getreide als lohn zahlen lassen.

[72] 195. Wer ort und zeit überschreitet und wer den gewinnst vereitelt, gegen den hat der herr freien willen; mehr soll er geben, wenn mehr gethan wurde.

196. Wie viel von einer arbeit einer von zwei arbeitern verrichtet, so viel lohn soll er empfangen, wenn die ganze arbeit von beiden nicht vollendet werden kann; kann sie vollendet werden, so soll man die übereinkunft erfüllen.

197. Ein träger soll ein frachtstück ersetzen welches verloren worden, ausser wenn der verlust von dem könige oder dem schicksale verursacht ist; wenn er die absendung verhindert, so soll er das doppelte des bedungenen lohnes zahlen.

198. Wer bei der abreise zurücktritt, soll den siebenten theil zahlen, den vierten theil, wer dies auf dem wege thut; den ganzen lohn auf der hälfte des weges, und eben so der herr welcher den diener zurückweist.

199. Der herr des spielhauses soll von dem spieler, welcher im spiele hundert panas oder mehr gewinnt, fünf vom hundert nehmen, von einem anderen zehn vom hundert.

200. Er, der gehörig beschützt wird, soll dem könige den verabredeten theil geben. Er sorge dafür, dass das gewonnene dem gewinner gegeben werde, und rede wahre worte, nachsicht übend.

201. Was jemand gewonnen hat in einem spielhause, welches einen herrn hat, von dem der könig seinen theil bekommt, in einem bekannten spielerkreise, für dessen bezahlung soll der könig sorgen; sonst aber nicht.

202. Führer dieser prozesse und zeugen sollen ebenfalls spieler sein. Diejenigen welche mit falschen würfeln oder betrug spielen, soll der könig gebrandmarkt verbannen.

[73] 203. Ueber das spiel ist ein aufseher zu setzen, damit er die diebe kennen lerne. Eben dieselbe vorschrift gilt auch für wetten bei thierspielen96.

204. Wer leute denen ein glied oder ein sinn fehlt oder kranke durch wahre97 oder unwahre worte oder durch falsches lob schimpft, der soll 131/2 pańas strafe zahlen.

205. Wer einen anderen schimpft, indem er sagt: »ich werde deine schwester oder deine mutter besuchen,« den soll der könig 25 pańas strafe zahlen lassen.

206. Die hälfte, wenn er niedrigere schimpft, das doppelte, wenn die frau eines anderen, oder höhere. Die bestimmung der strafe ist zu treffen nach dem höheren oder niederen range der kaste oder der klasse98.

207. Bei beschimpfung durch einen mann niederer kaste soll die zweifache und dreifache strafe sein; bei solcher durch einen mann höherer kaste soll jedesmal die hälfte abgezogen werden.

208. Wer mit worten einem anderen arme, nacken, auge, hüften zu verletzen droht, der soll 100 pańas strafe zahlen; die hälfte davon, wenn er füsse, nase, ohren, hand u.s.w. bedroht.

209. Wenn einer, der nicht im stande ist, es auszuführen, so spricht, so soll er zehn pańas strafe zahlen; einer der im stande ist es auszuführen, soll noch einen bürgen stellen zur sicherheit des bedrohten.

210. Wer einen anderen eines verbrechens beschuldigt, welches ausstossung aus der kaste zur folge haben würde, soll die mittlere geldstrafe zahlen; beschuldigt er ihn eines geringeren verbrechens, so zahlt er die erste strafe.

[74] 211. Wer einen der drei Vedas kundigen mann, den könig oder die götter schimpft, soll die höchste strafe zahlen; die mittlere, wer kasten oder gilden schimpft; die erste, wer das dorf oder das land schimpft.

212. Wenn jemand ohne zeugen geschlagen worden, so ist die verhandlung anzustellen nach den zeichen, den umständen und dem gerüchte, mit der voraussetzung, dass er sich fälschlich die zeichen gemacht haben könne.

213. Für berührung mit asche, koth oder staub ist eine strafe von 10 pańas festgesetzt; für berührung mit unreinem, mit der ferse oder mit speichel das doppelte davon.

214. So bei leuten gleicher kaste; bei fremden frauen und leuten höherer kaste das doppelte; bei leuten niederer kaste die hälfte; geschieht es in verrücktheit, trunkenheit oder ähnlichen zuständen, so findet keine strafe statt.

215. Wenn aber ein nicht – Brâhmańa einen Brâhmańa mit irgend einem gliede beleidigt, so soll ihm das glied abgeschnitten werden; hebt er eine waffe gegen ihn auf, so soll er die erste strafe zahlen; berührt er ihn, so soll er die hälfte der ersten strafe zahlen99.

216. Wer die hand oder den fuss aufhebt, soll 10 oder 20 pańas zahlen; leute aller kasten, welche gegen einander waffen aufheben, zahlen die mittlere strafe.

217. Wer einen anderen beim fusse, den haaren, den kleidern oder der hand zieht, zahlt 10 pańas; wenn er ihm schmerzen macht, schleppt, mit den kleidern würgt, oder den fuss auf ihn setzt, zahlt er 100 pańas.

[75] 218. Wer einem anderen mit einem stocke oder der gleichen schmerzen zufügt, ohne dass blut fliesst, soll um 32 pańas bestraft werden; um das doppelte, wenn blut kommt100.

219. Für das zerbrechen von hand, fuss oder zahn, und das spalten von ohr und nase, gilt die mittlere strafe; eben so für das aufreissen einer wunde101, so wie wenn jemand einen anderen halbtodt schlägt (d.h. so dass er besinnungslos wird).

220. Wer einen anderen unfähig macht sich zu bewegen, zu essen oder zu sprechen, oder ihm das auge und dergleichen spaltet, oder ihm nacken, arm oder hüfte zerbricht, zahlt die mittlere strafe.

221. Wenn mehrere einen einzigen schlagen, zahlen sie das doppelte der erwähnten strafe. Was im streite weggenommen ist, soll erstattet werden, und das doppelte desselben ist als strafe zu zahlen.

222. Wer einem anderen schmerzen verursacht, der soll die heilkosten bezahlen102, und die strafe, welche für den streit festgesetzt ist.

223. Wer eine wand schlägt, zerkratzt, spaltet oder umwirft, der soll 5 oder 10 oder 20 pańas, oder was die wand gekostet hat zahlen.

224. Wer schmerzen verursachende dinge oder lebensgefährliche in ein haus wirft, soll der erste 16 pańas, der zweite die mittlere geldstrafe zahlen.

225. Wer kleinem vieh schmerz verursacht, sie blutig schlägt oder ihnen ein glied abschneidet, dessen strafe ist von zwei pańas an und so höher.

[76] 226. Wer ihnen das zeugungsglied abschneidet oder sie tödtet103, zahlt die mittlere geldstrafe und den werth des thieres. Bei grossen thieren findet in denselben fällen die doppelte strafe statt.

227. Für abhauen der zweige, des stammes, und gänzliche vertilgung von bäumen104, deren zweige wieder wachsen, oder von solchen, welche den lebensunterhalt gewähren, gilt eine von 20 pańas an sich verdoppelnde strafe.

228. Für bäume, welche auf einem grabmal, einem kirchhofe, einer grenze, einem geweiheten platze oder bei einem tempel stehen, gilt die doppelte strafe, und so auch für berühmte bäume.

229. Für das abschneiden von kleinen pflanzen, sträuchern, gewachsen, kräutern u.s.w. an den genannten orten gilt die hälfte der oben erwähnten strafe.

230. Das gewaltsame ergreifen von öffentlichem oder privateigenthum heisst gewalt105; der doppelte werth des gutes ist die strafe dafür, beim läugnen aber der vierfache.

231. Wer einen anderen veranlasst, gewalt auszuüben, der soll mit doppelter geldstrafe belegt werden; wer einen anderen veranlasst, indem er sagt: »ich werde dir dies geben,« der soll vierfache geldstrafe zahlen.

232. Wer einen ehrwürdigen schimpft oder ihm ungehorsam ist, wer seinen bruder oder seine frau schlägt, wer etwas versprochenes nicht giebt, wer ein versiegeltes haus erbricht,

233. Wer nachbaren, verwandten oder dergleichen schaden zufügt, deren strafe sind 50 pańas; so ist es festgesetzt.

[77] 234. Wer aus eigenem antriebe zu einer wittwe geht, wer auf einen hülferuf nicht hinzuläuft, wer ohne ursache schimpft, ein čańdâla, welcher einen höheren berührt;

235. Wer Śûdras oder fromme bettler bei einem opfer an die götter oder väter speist, wer einen unpassenden schwur thut; wer etwas thut, wozu er nicht befugt ist;

236. Wer einen stier oder kleines vieh der männlichkeit beraubt, wer ein öffentliches gut verbirgt, wer einer sklavin die leibesfrucht tödtet,

237. Ein vater und sohn, schwester und bruder, mann und frau, lehrer und schüler, welcher den anderen verslässt, ohne dass derselbe aus der kaste gestossen106, diese sollen 100 pańas strafe zahlen.

238. Ein wäscher, welcher das kleid eines fremden anzieht107, soll 3 pańas strafe zahlen, wenn er es verkauft oder vermiethet oder verpfändet oder es auf anderer bitten weggiebt, 10 pańas.

239. Wer als zeuge auftritt in einem streite zwischen vater und sohn, soll 3 pańas strafe zahlen, wer gar als bürge zwischen beiden auftritt, soll die achtfache strafe zahlen.

240. Wer eine wage, einen königlichen befehl108, ein maass verfälscht oder eine münze, und wer diese anwendet, der soll die höchste strafe zahlen.

241. Der prüfer von münzen, welcher eine richtige münze für falsch erklärt, oder eine falsche für richtig, soll die höchste strafe zahlen.

242. Ein arzt, welcher unrichtig verfährt, soll bei thieren die erste strafe zahlen, bei einem menschen die mittlere109, bei königlichen beamten die höchste.

[78] 243. Wer einen menschen, der kein gefängniss verdient, gefangen setzt, oder wer einen, der gefängniss verdient, frei lässt, oder einen dessen prozess nicht beendigt ist, der soll die höchste strafe zahlen.

244. Wer durch maass oder gewicht um den achten theil betrügt, der soll 200 pańas strafe zahlen, und in verhältniss wenn er um mehr oder weniger betrügt.

245. Wer zu verkäuflichen arzeneien, öl, salz, wohlgerüchen, getreide, zucker und dergleichen schlechte waare mischt110, der soll 16 pańas zahlen.

246. Wer bei erde, leder, edelsteinen, garn, eisen, holz, rinde oder kleidern schlechter waare das ansehen von guter giebt, den trifft das achtfache des verkaufes als strafe.

247. Wer eine umgetauschte waare unter siegel oder verfälschte waare in einer hülle zum unterpfande oder verkauf bringt, für den ist diese strafbestimmung:

248. Für weniger als 1 pańa 50 pańas, für 2 pańas 200 pańas strafe, und für höheren werth auch höhere strafe.

249. Für leute, welche sich vereinigen und den preis bestimmen zum nachtheil von arbeitern und künstlern, obwohl sie das steigen oder fallen des preises kennen, gilt die höchste geldstrafe.

250. Für kaufleute, welche sich verbinden und eine waare durch unrichtigen preis ausschliessen oder sie dazu verkaufen, ist die höchste geldstrafe festgesetzt.

251. Welcher preis von dem könige festgesetzt wird111, nach diesem ist täglich der verkauf und der einkauf zu machen; der überschuss davon soll der gewinn der kaufleute sein.

[79] 252. An einer waare des eigenen landes soll der kaufmann fünf vom hundert verdienen, an einer ausländischen zehn vom hundert, wenn er sie sogleich wieder verkauft112.

253. Zu der waare soll er die kosten hinzurechnen, welche sie verursacht hat, und einen preis setzen, welcher dem käufer und verkäufer genehm ist.

254. Wer eine waare, für welche er schon den werth empfangen hat, dem käufer nicht abliefert, der soll gezwungen werden, sie ihm mit zinsen zu geben, und mit dem gewinne in einem anderen lande, wenn der käufer aus dem andern lande kam, um die waare zu holen.

255. Eine schon verkaufte waare darf nochmal verkauft werden, wenn der erste käufer sie nicht annimmt; wenn durch schuld des käufers ein verlust entsteht, so soll derselben nur dem verkäufer zur last fallen.

256. Wenn eine waare schaden leidet durch den könig oder das schicksal, so soll der verlust nur dem verkäufer zur last fallen, wenn er sie nicht abgeliefert hat, obwohl er aufgefordert wurde.

257. Wenn er etwas schon verkauftes in die hand eines anderen verkauft, oder etwas verdorbenes für unverdorbenes, so soll die strafe das doppelte des werthes sein.

258. Ein kaufmann, welcher einen kauf abgeschlossen, ohne zu wissen, dass der preis der waare gefallen oder gestiegen war, darf den kauf nicht rückgängig machen; wenn er es thut, soll er den sechsten theil als strafe zahlen.

259. Wenn kaufleute des gewinnes wegen in gemeinschaft geschäfte unternehmen113, so sollen gewinn und verlust nach verhältniss des von jedem hergegebenen vermögens oder nach der übereinkunft vertheilt werden.

[80] 260. Wenn einer von ihnen einen verlust verursacht, indem er etwas von den anderen verbotenes oder nicht bewilligtes unternimmt, oder durch unachtsamkeit, so soll er den verlust ersetzen; wenn er etwas vor verlust schützt, so soll er den zehnten theil davon bekommen.

261. Für das festsetzen des preises soll der könig den zwanzigsten theil als steuer nehmen114; wenn etwas verkauft ist, dessen verkauf verboten oder dem könige vorbehalten ist, so fällt es ganz dem könige zu115.

262. Wer das maass falsch angiebt, wer den steuerplatz umgeht, soll das achtfache als strafe zahlen, sowie auch wer mit betrug kauft oder verkauft116.

263. Ein fährmann, welcher eine landsteuer nimmt, soll 10 pańas strafe zahlen, dieselbe strafe gilt für den, welcher bei einem Srâddha die benachbarten Brâhmańas nicht einladet117.

264. Wenn einer von vereinigten kaufleuten in ein anderes land gegangen und gestorben ist, so sollen seine erben oder verwandten oder angehörigen kommen und seinen antheil nehmen; wenn keine da sind, der könig.

265. Einen unehrlichen theilnehmer sollen die anderen ohne gewinn ausschliessen; ein unfähiger soll das geschäft durch einen anderen führen lassen; hiermit ist auch das gesetz erklärt für priester118, ackerbauer und gewerbtreibende, welche in gemeinschaft handeln.

266. Von den häschern wird ein dieb ergriffen nach dem gestohlenen gute, oder nach der spur, oder wer schon früher das verbrechen begangen, oder wer in einem verrufenen hause wohnt.

[81] 267. Auch andere sind nach der vermuthung festzunehmen, welche ihre kaste oder ihren namen u.s.w. verleugnen, welche dem spiel, den frauen und dem trunk ergeben sind, und welche mit trockenem munde und stotternder stimme antworten;

268. Welche sich nach dem vermögen und der wohnung anderer erkundigen, oder welche in verkleidung einhergehen, welche, ohne einkünfte zu haben, viel ausgeben und welche gebrauchte sachen verkaufen.

269. Wenn der unter vermuthung des diebstahls ergriffene sich nicht reinigt, so soll man ihn die genommene sache zurückgeben lassen, und ihn als dieb bestrafen.

270. Einen dieb soll der könig zwingen das gestohlene zurückzugeben, und ihn mit verschiedenen körperlichen strafen belegen; wenn er ein Brâhmańa ist, so soll er ihn brandmarken und aus dem lande jagen.

271. Wenn ein todtschlag oder ein diebstahl stattgefunden, so fällt die schuld auf den aufseher des ortes, wenn nicht die spur aus dem orte herausführt; geschieht dergleichen auf der landstrasse, so fällt die schuld auf den aufseher des ortsgebietes, auf den diebeswächter aber wenn es anderswo als auf dem gebiete eines ortes geschieht.

272. Der ort soll es ersetzen in dessen grenze es geschehen, oder wohin die spur geht; oder fünf örter, wenn es einen Krośa ausserhalb derselben geschehen ist, oder auch zehn örter.

273. Männer, welche in häuser einbrechen119, solche welche pferde oder elephanten stehlen120, und solche welche andere gewaltsam tödten, soll der könig auf spiesse121 stecken lassen.

[82] 274. Kleiderdieben soll er die hand, beutelschneidern122 den daumen und zeigefinger abschneiden lassen, beim zweiten verbrechen aber eine hand und einen fuss.

275. Beim diebstahl kleiner, mittlerer und grosser gegenstände, soll eine strafe nach dem werthe derselben eintreten; bei ertheilung der strafe sind ort, zeit, alter und vermögen zu erwägen123.

276. Wer wissentlich einem diebe oder mörder essen, wohnung, feuer, wasser, rath, hülfsmittel oder geld gewährt124, soll die höchste geldstrafe zahlen.

277. Für verletzung mit waffen und für abtreibung der leibesfrucht tritt die höchste geldstrafe ein; die höchste oder die niedrigste aber für tödtung eines mannes oder einer frau.

278. Eine sehr boshafte frau, eine solche die ihren mann getödtet, oder welche einen damm durchbrochen hat125, soll er, wenn sie nicht schwanger ist, ins wasser werfen lassen, nachdem ihr ein stein an den hals gebunden ist.

279. Einer frau, welche einen mord begangen durch gift oder feuer, oder an ihrem manne, Guru oder kinde, soll er ohren, hand, nase und lippen abschneiden und sie durch stiere tödten lassen.

280. Wenn jemand getödtet worden, und man weiss nicht von wem, so sollen seine söhne, verwandte und seine frauen und solche frauen, welche mit anderen männern umgang haben, schnell einzeln befragt werden, ob er mit jemandem streit gehabt habe;

281. Ob er frauen, kostbarkeiten und erwerb geliebt, oder mit wem er fortgegangen war, oder man soll die leute aus der nähe des ortes, wo er getödtet, milde prüfen.

[83] 282. Wer ein feld, ein haus, einen wald, ein dorf, einen weideplatz oder eine scheuer anzündet, so wie wer zu der gemahlin des königs geht, der soll mit strohfeuer verbrannt werden.

283. Ein mann ist wegen unzucht festzusetzen, wenn er in naher umarmung mit der frau eines anderen getroffen wird, oder mit frischen wunden welche bei liebeshändeln entstehen, oder wenn beide es bekennen.

284. Oder wenn er ihr gürtel, busen, oberkleid, hüfte oder haar berührt, an unpassendem orte und zeit mit ihr spricht oder allein mit ihr steht126.

285. Die frau soll, wenn es ihr verboten worden 100 pańas zahlen, der mann127 aber 200 pańas strafe; wenn es beiden verboten ist, soll ihre strafe wie bei unzucht sein.

286. Bei unzucht eines mannes mit einer frau derselben kaste trifft den mann die höchste geldstrafe, mit einer frau niederer kaste die mittlere geldstrafe, mit einer frau höherer kaste der tod (vadha); die frau abschneiden der ohren u.s.w.128.

287. Wenn ein mann eine jungfrau entführt, welche zur verheirathung mit einem andern geschmückt ist, soll er die höchste geldstrafe zahlen, wenn eine andere jungfrau, die niedrigste. Die geldstrafe findet statt, wenn die jungfrau zu derselben kaste gehört, bei jungfrauen höherer kaste ist der tod festgesetzt.

288. Bei jungfrauen niederer kaste findet keine strafe statt, wenn sie eingewilligt haben, sonst die geldstrafe; entehrt er sie gegen ihren willen, so soll ihm die hand abgehauen werden; bei jungfrauen der höchste kaste trifft ihn der tod129.

[84] 289. Wer einer frau schlechtes nachsagt, soll 100 pańas zahlen, 200 aber, wenn er sie fälschlich verleumdet. Wer sich mit einem vieh vermischt, soll 100 pańas zahlen, wer mit einer frau der niedrigsten kaste oder einer kuh, die mittlere geldstrafe.

290. Bei eingeschlossenen sklavinnen und dienerinnen und bei öffentlichen mädchen soll der mann 50 pańas strafe zahlen.

291. Bei erzwungenem umgang mit einer sklavin sind 10 pańas strafe festgesetzt; wenn mehrere es thun gegen den willen derselben, soll jeder 24 pańas zahlen.

292. Ein öffentliches mädchen, welches schon den lohn empfangen, und dann das versprechen nicht erfüllen will, soll das doppelte des lohnes zahlen; hat sie den lohn noch nicht empfangen, so soll der mann denselben zahlen, wenn er sie nicht begehrt.

293. Wer unnatürlichen umgang mit einer frau hat oder gegen einen mann sein wasser lässt, der soll 24 pańas strafe zahlen; eben so viel wer mit einer frommen bettlerin zu thun hat.

294. Einen mann, der zu einer niedrigsten frau geht130, soll er mit schimpflichem zeichen brandmarken und verbannen; ein Śûdra, welcher dies thut, soll ein niedrigster werden, einem niedrigsten, der zu einer höheren frau geht, ist der tod bestimmt.

295. Wer ein vom könige ausgestelltes schenkungsedikt131 auf weniger schreibt, so wie wer den räuber der frau frei lässt, soll die höchste geldstrafe zahlen.

[85] 296. Wer durch vorsetzung von unessbaren sachen einen Brâhmańa beschimpft, der soll die höchste geldstrafe zahlen; die mittlere wer einen Kshatriya; wer einen Vaiśya, die erste, einen Śûdra, die hälfte der ersten.

297. Wer mit verfälschtem golde geschäfte macht132, oder wer schlechtes fleisch verkauft, dem sollen drei glieder abgeschnitten werden, und er soll die höchste geldstrafe zahlen.

298. Der schaden, welchen vierfüssige thiere anrichten, fällt dem herrn derselben nicht zur last, wenn er gerufen hat: »gehe fort«133; eben so der schaden, welcher durch holz, erde, pfeile, steine, durch den arm oder ein jochthier verursacht ist.

299. Wenn durch einen wagen, an dem die zügel reissen oder das joch oder dergleichen bricht und welcher zurückläuft, eine tödtung geschieht, so ist der herr schuldlos134.

300. Wenn der herr von beissenden oder gehörnten thieren einen menschen, der von ihnen angefallen wird, nicht befreiet, obwohl er es konnte, so soll er die erste geldstrafe zahlen; hat der mensch aber um hülfe geschrien, das doppelte.

301. Wer einen ehebrecher dieb schilt, der soll 500 pańas strafe zahlen; wer geld von ihm nimmt und ihn dann freilässt, soll das achtfache des geldes als strafe zahlen.

302. Wer reden führt, welche dem könige unangenehm sind135, oder wer ihn tadelt, oder wer des königs rathschläge ausschwatzt, dem soll er die zunge ausschneiden und ihn verbannen.

[86] 303. Wer die bekleidung von leichnamen verkauft, wer seinen Guru schlägt, wer des königs thier oder thron besteigt, soll die höchste geldstrafe zahlen.

304. Wer einem andern beide augen ausschlägt, wer dem könige unangenehmes verkündigt, ein Śûdra welcher sich für einen Brâhmańa ausgiebt136, soll 300 pańas strafe zahlen.

305. Ungerecht entschiedene prozesse soll der könig noch einmal prüfen, und die richter so wie die partei welche gewonnen hatte, sollen das doppelte der in dem prozesse festgesetzten strafe zahlen.

306. Wenn einer, der logisch überführt worden, sich rühmt: ich bin nicht überführt, und wieder kommt, so soll man ihn noch einmal überführen und ihm die doppelte strafe auflegen.

307. Wenn der könig unrechtmässig eine geldstrafe erhoben hat, so soll er selbst das dreissigfache derselben, indem er es dem Varuńa weihet, den Brâhmańas geben137.

1

Mn. 8, 1.

2

Mn. 8, 9.

3

Mn. 8, 59.

4

Mn. 8, 25. 26.

5

Mn. 8, 55. 56.

6

Mn. 8, 147.

7

Mn. 8, 148. 149.

8

Mn. 8, 200.

9

Mn. 8, 163.

10

Mn. 8, 30–32.

11

Mn. 8, 37. 38.

12

Mn. 8, 33–36.

13

Mn. 8, 40.

14

Mn. 8, 140–143.

15

Mn. 8, 157.

16

Mn. 8, 151.

17

Mn. 8, 50. 176.

18

Mn. 8, 139.

19

Mn. 8, 177. 9. 229.

20

Mn. 8, 166.

21

Mn. 8, 159.

22

Mn. 8, 158. 159.

23

Mn. 8, 160.

24

Mn. 8, 145. 146.

25

Mn. 8, 144.

26

Mn. 8, 180.

27

Mn. 8, 189.

28

Mn. 8, 62. 63.

29

Mn. 8, 60.

30

Mn. 8, 60.

31

Mn. 8, 64–67.

32

Mn. 8, 77. 72.

33

Mn. 8, 89.

34

Mn. 8, 90.

35

Mn. 8, 107.

36

Mn. 8, 73.

37

Mn. 8, 119–123.

38

Mn. 8, 104. 105.

39

Mn. 8, 168.

40

Mn. 8, 114–116.

41

Mn. 9, 112 u.f.

42

Mn. 9, 207.

43

Mn. 9, 104.

44

Mn. 9, 192 u.f.

45

Mn. 9, 208.

46

Mn. 9, 206.

47

Mn. 9, 209.

48

Mn. 9, 206.

49

Mn. 9, 215.

50

Mn. 9, 216.

51

Mn. 9, 118.

52

Mn. 9, 152. 153.

53

Mn. 9, 218.

54

Mn. 9, 145. 190.

55

Mn. 9, 166.

56

Mn. 9, 127.

57

Mn. 9, 167.

58

Mn. 9, 170.

59

Mn. 9, 172.

60

Mn. 9, 175.

61

Mn. 9, 168.

62

Mn. 9, 174.

63

Mn. 8, 169.

64

Mn. 9, 173.

65

Mn. 9, 171.

66

Mn. 9, 158–165. 180.

67

Mn. 9, 179.

68

Mn. 9, 185–187.

69

Mn. 9, 211. 212.

70

Mn. 9, 201. 202.

71

Mn. 9, 203.

72

Mn. 9, 194.

73

Mn. 9, 195.

74

Mn. 9, 196.

75

Mn. 9, 197.

76

Mn. 8, 258–260.

77

Mn. 8, 246–254.

78

Mn. 9, 256.

79

Mn. 9, 263.

80

Mn. 8, 265.

81

Mn. 8, 262.

82

Mn. 8, 264. 9, 291.

83

Mn. 8, 241.

84

Mn. 8, 240.

85

Mn. 8, 242.

86

Mn. 8, 230.

87

Mn. 8, 232.

88

Mn. 8, 339.

89

Mn. 8, 237.

90

Mn. 8, 199.

91

Mn. 8, 222.

92

Mn. 8, 397.

93

Mn. 8, 410–415.

94

Mn. 8, 41. 219–221.

95

Mn. 8, 215–217.

96

Mn. 9, 221–223.

97

Mn. 8, 274.

98

Mn. 8, 267–270.

99

Mn. 8, 279. 280.

100

Mn. 8, 284.

101

Mn. 8, 287.

102

Mn. 8, 287.

103

Mn. 8, 297.

104

Mn. 8, 285.

105

Mn. 8, 332.

106

Mn. 8, 389.

107

Mn. 8, 396.

108

Mn. 9, 232.

109

Mn. 9, 284.

110

Mn. 8, 203. 9, 286. 291.

111

Mn. 8, 402.

112

Mn. 8, 401.

113

Mn. 8, 211.

114

Mn. 8, 398.

115

Mn. 8, 399.

116

Mn. 8, 400.

117

Mn. 8, 392.

118

Mn. 8, 206–210.

119

Mn. 9, 276.

120

Mn. 9, 280.

121

Mn. 9, 276.

122

Mn. 9, 277.

123

Mn. 8, 126.

124

Mn. 9, 278.

125

Mn. 9, 279.

126

Mn. 8, 354–358.

127

Mn. 8, 361.

128

Mn. 8, 374–385.

129

Mn. 8, 365–368.

130

Mn. 8, 385.

131

Mn. 9, 232.

132

Mn. 9, 292.

133

Mn. 8, 292.

134

Mn. 8, 291. 292.

135

Mn. 9, 275.

136

Mn. 9, 224.

137

Mn. 9, 244.

Quelle:
Yâjnavalkya's Gesetzbuch. Osnabrück 1970 [Neudruck der Ausgabe 1849], S. 46-87.
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