5. Der unnütze Baum

[33] Hui Dsï redete zu Dschuang Dsï und sprach: »Ich habe einen großen Baum. Die Leute nennen ihn Götterbaum. Der hat einen Stamm so knorrig und verwachsen, daß man ihn nicht nach der Richtschnur zersägen kann. Seine Zweige sind so krumm und gewunden, daß man sie nicht nach Zirkel und Winkelmaß verarbeiten kann. Da steht er am Weg, aber kein Zimmermann sieht ihn an. So sind Eure Worte, o Herr, groß und unbrauchbar, und alle wenden sich einmütig von ihnen ab.«

Dschuang Dsï sprach: »Habt Ihr noch nie einen Marder gesehen, der geduckten Leibes lauert und wartet, ob etwas vorüber kommt? Hin und her springt er über die Balken und scheut sich nicht vor hohem Sprunge, bis er einmal in eine Falle gerät oder in einer Schlinge zugrunde geht. Nun gibt es aber auch den Grunzochsen. Der ist groß wie eine Gewitterwolke; mächtig steht er da. Aber Mäuse fangen kann er freilich nicht. Nun habt Ihr so einen großen Baum und bedauert, daß er zu nichts nütze ist. Warum pflanzt Ihr ihn nicht auf eine öde Heide oder auf ein weites leeres Feld? Da könntet Ihr untätig in seiner Nähe umherstreifen und in Muße unter seinen Zweigen schlafen. Nicht Beil noch Axt bereitet ihm ein vorzeitiges Ende, und niemand kann ihm schaden. Daß etwas keinen Nutzen hat: was braucht man sich darüber zu bekümmern!«

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 33-34.
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