4. Der [43] Sinn und die Welt

Mit Hilfe (des Begriffs) eines Fingers nachweisen zu wollen, daß ein (als) Finger (bezeichnetes Ding) kein Finger ist, kommt der Methode nicht gleich, die mit Hilfe (des Begriffs) des Nicht-Fingers nachweist, daß ein (als) Finger (bezeichnetes Ding) kein Finger ist. Mit Hilfe (des Begriffs) eines Pferdes nachweisen zu wollen, daß ein (als) Pferd (bezeichnetes Ding) kein Pferd ist, kommt der Methode nicht gleich, die mit Hilfe (des Begriffs) des Nicht-Pferdes nachweist, daß ein (als) Pferd (bezeichnetes Ding) kein Pferd ist. Mit der ganzen Welt verhält es sich ebenso wie mit dem einen Finger; mit[43] allen Dingen verhält es sich ebenso wie mit dem einen Pferd. Was möglich ist, ist möglich; was unmöglich ist, ist unmöglich. Ein Weg bildet sich dadurch, daß er begangen wird; die Dinge erhalten ihr So-Sein dadurch, daß sie genannt werden. Worin besteht das So-Sein? Das So-Sein besteht eben im So-Sein. Worin besteht das Nicht-So-Sein? Das Nicht-So-Sein besteht eben im Nicht-So-Sein. Die Dinge haben notwendig ihr So-Sein; die Dinge haben notwendig ihre Möglichkeit. Kein Ding ist ohne So-Sein; kein Ding ist ohne Möglichkeit. Darum, was vom Standpunkt des Ichs aus ein Querbalken ist oder ein Längsbalken, Häßlichkeit oder Schönheit, Größe oder Gemeinheit, Übereinstimmung oder Abweichung: im SINN sind diese Gegensätze aufgehoben in der Einheit. In ihrer Geschiedenheit haben sie ihr Bestehen; durch ihr Bestehen kommen sie zum Vergehen. Alle Dinge, die jenseits sind vom Bestehen und Vergehen, kehren zurück zur Aufhebung in der Einheit. Aber nur der Schauende kennt diese Aufhebung in der Einheit. Er entfaltet keine Tätigkeit vom Standpunkt seines Ichs aus, sondern beruhigt sich beim allgemein Anerkannten. Das allgemein Anerkannte ermöglicht (ungehinderte Tätigkeit), diese Tätigkeit ermöglicht Fortschritt ohne Haften, dieser Fortschritt führt zur Erlangung des LEBENS; wer das LEBEN erlangt hat, der ist am Ziel. Zu Ende ist für ihn die subjektive Bedingtheit. Er ist zu Ende und weiß nichts mehr vom So-Sein; das ist der SINN. Wer seinen Geist abmüht, um die Einheit (aller Dinge) zu erklären, ohne ihre Gemeinsamkeit zu erkennen, dem geht's, wie es in der Geschichte heißt: »Morgens drei«. Was bedeutet dieses »Morgens drei«? Es heißt: Ein Affenvater brachte (seinen Affen) Stroh und sprach: »Morgens drei und abends vier«. Da wurden die Affen alle böse. Da sprach er: »Dann also morgens vier und abends drei«. Da freuten sich die Affen alle. Ohne daß sich begrifflich oder sachlich etwas geändert hätte, äußerte sich Freude oder Zorn bei ihnen. Die Affen waren eben auch in subjektiver Bedingtheit befangen. Also macht es der Berufene in seinem Verkehr mit den Menschen. Er befriedigt sie mit Ja und Nein, während er innerlich ruht im Ausgleich des Himmels: das heißt beides gelten lassen.

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 43-44.
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