3. Herrscher und Pferdejunge

[252] Der Herr der gelben Erde ging aus, um den großen Erhabenen zu suchen auf dem Berg der Vollkommenheit. Gesicht war sein Wagenlenker, Gehör war der dritte im Wagen, Geruch und Geschmack waren die Vorreiter, Gefühl und Verstand bildeten die Nachhut. Als sie an die Steppen am Ende der Welt kamen, da verirrten sie sich und wußten nicht, wen sie nach dem Wege fragen sollten. Zufällig begegneten sie einem Knaben, der Pferde hütete. Sie fragten ihn nach dem Weg und sprachen: »Kennst du den Berg der Vollkommenheit?«

Er sagte: »Ja.«

»Kennst du den Aufenthalt des großen Erhabenen?«

Er sagte: »Ja.«

Der Herr der gelben Erde sprach: »Seltsamer Knabe! Du[252] kennst nicht nur den Berg der Vollkommenheit, sondern kennst auch noch den Aufenthaltsort des großen Erhabenen. Darf ich fragen, wie man die Welt regiert?«

Der kleine Knabe sprach: »Die die Welt regieren, machen's ebenso wie ich. Was ist da weiter dabei? Als ich noch jünger war, da trieb ich mich umher in der Welt des Raumes. Da erkrankte ich an Schwachsichtigkeit. Da lehrte mich ein Älterer und sprach: ›Du mußt den Wagen der Sonne besteigen und dich umhertreiben in den Steppen am Ende der Welt.‹ Nun ist meine Krankheit wieder ein wenig besser, und ich wandle wieder wie ehedem jenseits der Welt des Raumes. Die Welt regieren ist genau das gleiche. Doch was habe ich damit zu schaffen!«

Der Herr der gelben Erde sprach: »Die Regierung der Welt ist allerdings nicht dein Geschäft, mein Sohn, und dennoch möchte ich dich fragen, wie man die Welt regiert.«

Der kleine Knabe lehnte die Antwort ab.

Als der Herr der gelben Erde abermals fragte, da sprach der kleine Knabe: »Die Regierung der Welt unterscheidet sich in nichts vom Pferdehüten. Man muß einfach fernhalten, was den Pferden schaden kann. Nichts weiter.«

Da verneigte sich der Herr der gelben Erde zweimal bis zum Boden, nannte ihn seinen himmlischen Meister und zog sich zurück.

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 252-253.
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