14. Überwindung des Zweifels

[262] Zum Aufsetzen des Fußes braucht man nur eine kleine Stelle, aber man muß freien Raum vor den Füßen haben, dann erst kommt man tüchtig vorwärts. Was der Mensch erkennen kann, ist nur weniges, aber er bedarf des Unerkennbaren, um zu erkennen die Gedanken des Himmels. Ihn erkennen als das große Eine, ihn erkennen als das große Geheimnis, ihn erkennen als die große Unterschiedenheit, ihn erkennen als die große Übereinstimmung, ihn erkennen als die große Möglichkeit, ihn erkennen als die große Wahrheit, ihn erkennen als die große Bestimmtheit: das ist das Höchste. Als die große Einheit durchdringt er alles, als das große Geheimnis entfaltet er alles, als die große Unterschiedenheit schaut er alles, als die große Übereinstimmung verursacht er alles, als die große Wirklichkeit verkörpert er alles, als die große Wahrheit erforscht er alles, als die große Bestimmtheit hält er alles fest.

Der Himmel ist das Absolute. Ihm folgt das Licht. Er ist die Achse, um die sich das Urgeheimnis dreht. Er ist das andere, das im Anfang ist. Darum ist seine Entfaltung gleichsam[262] Nicht-Entfaltung, seine Erkenntnis gleichsam Nicht-Erkenntnis. Durch Verzicht auf Erkenntnis erst kann man ihn erkennen. Forscht man nach ihm, so darf man ihn nicht in der Endlichkeit suchen, aber man darf ihn auch nicht in der Unendlichkeit suchen. Im Undurchdringlichen ist doch eine Wirklichkeit. Sie wird nicht beeinflußt durch die Zeit und läßt sich nicht erschöpfen. Man darf ihn wohl als den bezeichnen, der alles trägt und leitet. Warum sollten wir uns nicht damit zufrieden geben, nach ihm zu fragen? Warum wollen wir uns mit Zweifeln plagen? Durch das Unbezweifelbare die Zweifel zu lösen und so zurückzukehren in den Zustand des Nicht-Zweifelns, so erreichen wir die große Freiheit in allem Zweifel.

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Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 262-263.
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