8. Muße

[281] Dschuang Dsï sprach: »Wer fähig ist, in Muße zu leben, der kann nicht anders als in Muße sein; wer nicht fähig ist, in Muße zu leben, der vermag die Muße nicht zu ertragen. Die Menschen, die unbeirrt ihr Ziel verfolgen, und ebenso die, die sich entschlossen vor der Welt verbergen, ach, sie sind den Anforderungen höchster Weisheit und reichsten LEBENS nicht gewachsen. Sie sinken und fallen unwiederbringlich. Das Feuer rast, ohne Rücksicht zu nehmen. Da ist wohl einer Herr, ein andrer Knecht; aber es ist nur für eine kurze Spanne. Die Zeiten ändern sich, und keiner kann mehr auf den andern heruntersehen. Darum heißt es: Der höchste Mensch haftet an nichts in seinem Wandel. Das Altertum hochzuhalten und[281] die Gegenwart zu verachten, das ist die Art der Gelehrten. Aber selbst die, die den Standpunkt höchsten Altertums in unsrer Zeit zu vertreten meinen: wer von ihnen vermag sich den Einflüssen dieser Zeit zu entziehen? Nur der höchste Mensch vermag es, in der Welt zu wandeln, ohne sich ablenken zu lassen, den Menschen sich anzupassen, ohne sein Selbst zu verlieren. Er schließt sich nicht an irgendeine Schule an, und doch weist er keinen Gedanken zurück, weil er von einem andern stammt.«

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 281-282.
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