4. Dilemma

[287] Zu Meister Ki von Ostweiler sprach einst ein Schüler: »Nachdem ich Eure Worte gehört ein Jahr lang, da kam ich zur Einfalt; zwei Jahre lang, da kam ich zur Demut; drei Jahre lang, da gewann ich den Anschluß; vier Jahre lang, da verlor ich mein Ich; fünf Jahre lang, da kam es über mich; sechs Jahre lang, da kam ich in Verkehr mit Geistern; sieben Jahre[287] lang, da kam mein himmliches Wesen zur Vollendung; acht Jahre lang, da wußte ich nichts mehr von Leben und Tod; neun Jahre lang, da verstand ich das große Geheimnis.«

Das Leben braucht seine Kraft durch Handlungen auf und endet im Tod. Das ist die allgemeine Ansicht. Man nimmt an, daß der Tod eine Ursache hat; das Leben erklärt man für eine Äußerung der lichten Kraft, die keine besondere Ursache habe. Ist das aber wirklich so? Wie kommt es dann, daß es an einem Ort auftritt, am andern Orte nicht auftritt? Der Himmel hat seine bestimmten Zahlenverhältnisse, die Erde wird vom Menschen beherrscht, und dennoch vermögen wir ihre Geheimnisse nicht zu verstehen. Niemand vermag ihr Ende zu erkennen; wie will man da behaupten, daß keine letzte Notwendigkeit vorhanden ist? Niemand vermag zu sagen, wie sie entstanden sind; wie will man da behaupten, daß eine letzte Notwendigkeit vorhanden ist? Es gibt Fälle, da die Ereignisse einander entsprechen; wie will man da behaupten, daß es keine geistigen Kräfte gebe? Es gibt Fälle, da die Ereignisse einander nicht entsprechen; wie will man da behaupten, daß es geistige Kräfte gebe?

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Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 287-288.
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