Dionysia

[169] Dionysia (Gr. Festbrauch.), die Bacchus-Feste der Griechen, vornehmlich in den Herbst, Winter und Frühling fallend, indem im Herbst die Gabe des Gottes dankbar genossen, im Winter der Schmerz um seine in Todesschlummer versunkene Kraft, im Frühling die Hoffnung auf ihre Wiederbelebung ausgesprochen wird. Die bekanntesten dieser Feste sind:

1) Die attischen, und unter diesen: a) die kleinen oder ländlichen D., im Monat Posideon, der um die Mitte unseres Decembers begann, auf dem Lande zur Zeit der Weinlese gefeiert. Hieher gehören die Ascolien. Hiebei war vor alten Zeiten Thespis mit seinem Theater-Karren aufgetreten, daher dramatische Aufführungen immer zu diesem Feste gehörten. Den Schluss bildete das Fest der Haloën, wobei der Ceres und dem Bacchus gemeinschaftlich für den Segen des Jahres gedankt wurde. b) Die Lenäen im Monat Gamelion, der in der Mitte unseres Januar begann, ein der Stadt Athen eigenthümliches Fest (dem Namen nach das Kelter-Fest). c) Die Anthesterien, im Monat Anthesterion, um die Zeit der wieder sprossenden ersten Blumen. d) Die grossen oder städtischen D., im Monat Elaphebolion, um den Anfang unseres April. Das ganze Land vereinigte sich bei diesem Feste in Athen, das zugleich von vielen Fremden besucht war; selbst Gefangenen gönnte man die Theilnahme. In einer Procession trug man ein Bild des Gottes durch die Stadt, unter Chören von Männern und Knaben, welche Festlieder, Dithyramben genannt, sangen.

2) Das trieterische Bacchus-Fest, die Feste der Mänaden, welche um die Zeit des kürzesten Tages alle zwei Jahre bei Nacht auf Bergen mit dem wildesten Orgiasmus begangen wurden, aus Thracien nach Griechenland übergetragen. Am ältesten war dieser Dienst in Theben; er verbreitete sich aber über ganz Griechenland, und einer seiner Hauptsitze war der Parnass bei Delphi. Nur Frauen und Mädchen nahmen daran Theil. In Hirschkalbfelle gekleidet, den Thyrsus schwingend, Handpauken schlagend, mit fliegenden Haaren, versammelten sie sich auf den Bergen und verweilten mehrere Tage, in verrenkten Stellungen tanzend und schwärmend, und bedeutungsvolle Opfer darbringend; sie zerrissen z.B. einen Bock oder Stier mit den Zähnen und verzehrten sein rohes Fleisch, gewiss eine Spur ehemaliger Menschen - Opfer.

3) Bacchanalien der Römer, noch plumpere, weil prosaischere Ausartungen der heiteren Verehrung des Freude spendenden Gottes.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 169.
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