Erechtheum

[191] Erechtheum (Gr. M.), ein berühmter, länglich viereckiger Tempel auf der Burg von Athen, nördlich vom Parthenon (oder vielmehr zwei Tempel unter einem Dach) dessen östliche Hälfte der Minerva Polias, der Stadtbeschützerin, die westliche aber der Pandrosos, Tochter des Cecrops, geweihet war. Vor dem Tempel der Minerva Polias befand sich eine Vorhalle von sechs jonischen Säulen, die, so wie der Tempel selbst, auf einem 8 Fuss hohen Unterbau ruhten. Innerhalb der Säulen standen Altäre des Neptun und Vulcan, und auf der Mauer der Cella waren Gemälde der Priester-Familie der Butaden angebracht. In der Cella befand sich der Salzbrunnen des Erechtheus, der in Wallung gerieth, wenn die See schäumte, die älteste und heiligste Bildsäule der Minerva, aus Holz geschnitzt, mit einer von Callimachus verfertigten, goldenen Lampe und einem ehernen Palmbaum, dessen Zweige den von der Lampe aufsteigenden Rauch zerstreuten, ein Altar der Vergessenheit zum Andenken der gütlichen Beilegung des Streites zwischen Minerva und Neptun, eine heilige Schlange, ein hölzernes Bild des Mercur, der künstliche, zusammenlegbare Stuhl des Dädalus, nebst Waffenbeute aus dem Perserkriege. Der Tempel der Pandrosos hatte an beiden Seiten eine offene Halle, die nördliche von sechs jonischen Säulen gebildet, die südliche von sechs Caryatiden umgeben, lang gekleideten, weiblichen Gestalten, welche anstatt der Säulen das Gebälke trugen. In dieser, wahrscheinlich unbedeckten, Halle grünte der heilige Oelbaum der Minerva. Aus dem beide Hallen verbindenden, durch vier Fenster erleuchteten Gange gelangte man in das Cecropium, oder das Heiligthum, worin Cecrops begraben lag. Das Unregelmässige und Seltsame in dem Plane des E. mag daher rühren, dass man, etwa 400 v. Ohr., auf dem alten heiligen Fundamente ein erneuertes Gebäude aufführte.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 191.
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