Üppig

[954] Üppig, -er, -ste, adj. et adv. ein sehr altes Wort, welches aber ehedem in verschiedenen, jetzt nicht mehr gangbaren Bedeutungen gebraucht wurde. Es bedeutete, 1. * Stolz, hoffärtig, eitel, und nach einer sehr nahe verwandten Figur, auch prächtig. Diese Bedeutung, welche allem Ansehen nach eine der ersten ist, ist[954] noch im Schwedischen üblich, wo yppig, sowohl stolz, als auch prächtig, und zwar letzteres in gutem Verstand bedeutet; Dän. hyppig. 2. * Träge, müßig; vermuthlich eine Figur der vorigen Bedeutung, so fern die Trägheit sehr oft eine Folge des Stolzes und der Neigung zur Pracht ist. In dieser Bedeutung kommen uppig, ubig und das Hauptwort Uppigi schon bey dem Kero vor, der es durch otiosus und Otiositas erklärt. 3. * Eitel, d.i. weder Werth noch Dauer habend, ingleichen geneigt, solchen Dingen einen ungebührlichen Vorzug zu geben; eine eben so alte Bedeutung, welche nach eben der Figur von der ersten gebildet ist, nach welcher auch eitel in beyden Bedeutungen gebraucht wird. Iro herza ist uppig, Notker, eitel, vanus. Nicht wolt euch neigen nach den üppigen Dingen – man sy sein üppig, Sam. 12, 21, in einer alten Bibel von 1483. In einer andern Augsburgischen Bibel von ungefähr 1477 heißt es 1 Mos. 17, 8. sie hat gemachet üppig mein Gelübd.


Ich mag wol sin von gouches art

Vnd iage ein uppekliche vart,

Reinmar der Alte;


ich jage eine eitle, vergebliche Fahrt. In ähnlicher Bedeutung wurde es ehedem auch für unheilig, profanus, gebraucht, und alsdann dem heiligen entgegen gesetzt, wovon Frisch ein Beyspiel aus einer alten handschriftlichen Bibel-Übersetzung anführet. Doch in allen diesen und andern ähnlichen Bedeutungen ist es veraltet, und üppig bedeutet jetzt nur noch, 4. dem feinern Grade des sinnlichen Vergnügens zum Nachtheil des vernünftigen (in der engern Bedeutung) ergeben, und darin gegründet, da denn dieses Wort von dem ungebührlichen oder unmäßigen Hange zu solchen sinnlichen Vergnügungen aller Art gebraucht wird. Üppig in Kleidern, in Essen und Trinken, im Genuß des andern Geschlechtes u.s.f. seyn. Ein üppiges Leben führen. Ein üppiges Gastmahl, wo ein Überfluß ausgesuchter Speisen herrscht. Eine üppige Person, welche ihren Hang zur feinern Sinnlichkeit in der Kleidung u.s.f. äußert. 5. In engerer Bedeutung wird es in manchen Gegenden auch für wollüstig gebraucht, so fern es ein glimpflicher Ausdruck für unzüchtig ist. Ein üppiges Weibesbild. Üppige Worte, Geberden. Sich üppig kleiden, auf eine zur Wollust reitzende Art. In welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird.

Anm. Die meisten Wortforscher haben bey Ableitung dieses Wortes auf das Vorwort auf, Nieders. up, gerathen, welche Form auch in den Ableitungen über, übrig und oben befindlich ist, nur in der Erklärungsart sind sie nicht alle gleich glücklich gewesen. Das nächste Stammwort ist noch im Schwedischen übrig, wo yppa, erheben, heben, ist; im Isländ. ist yppa, anfangen, eigentlich anheben. Davon bedeutet ypper, figürlich, vortrefflich, und nach einer andern nahe verwandten Figur ist yppig, stolz, prächtig, wovon sich die folgenden Bedeutungen sehr leicht herleiten lassen. Stolz, Hoffarth, Superbus, u.s.f. gründen sich auf ähnliche Figuren. Um deßwillen bedeutet auch üppig nicht bloß den Hang zu den sinnlichen Vergnügungen überhaupt, sondern nur zu den feinern, ausgesuchtern, kostbaren, wie ein Stolzer oder Prächtiger sie zu wählen pflegt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 954-955.
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