[419] Árbeiten, verb. reg. I. Neutrum, mit haben, seine Kräfte anstrengen, lebhaften Gebrauch von seinen Kräften machen. 1. In eigentlicher Bedeutung, die Kräfte seines Körpers zur Erwerbung zeitlichen Vermögens anstrengen. Fleißig, nachlässig faul arbeiten. Im Felde, im Weinberge, im Garten arbeiten. Bey Lichte arbeiten. Besonders von den Beschäftigungen der Handwerker. Bey einem Meister arbeiten. Auf den Kauf arbeiten. Welcher Schneider arbeitet ihnen? oder bey welchem Schneider lassen sie arbeiten? Welcher Schuster arbeitet dir, oder für dich? Der körperliche Gegenstand der Arbeit bekömmt hier meisten Theils die Präposition an. An etwas arbeiten. Er hat schon lange daran gearbeitet. Dessen Materie aber die Präposition in. In Gold, in Wachs, in Seide, in Marmor, in Gyps arbeiten. Auf Wildbret arbeiten, bey den Jägern, Wildbret mit dem Leithunde suchen, und bestätigen. Die Bienen arbeiten, wenn sie ihre Zellen bauen, und selbige mit Honig füllen. 2. In weiterer Bedeutung, die Kräfte seiner Seele zu Erreichung eines gewissen Endzweckes anstrengen. In einer Sache arbeiten. Er hat viel in dieser Sache gearbeitet, viel mit derselben zu thun gehabt. An etwas arbeiten. An einer Schrift, an einem Gedichte, an einem Aufsatze arbeiten. Man darf nie aufhören, an sich selbst zu arbeiten, sich vollkommener zu machen. Ich arbeite für ihr Glück und für ihre Beruhigung, Gell. Geben sie mir Muße, mich aus diesem Wirbel aufrührischer Leidenschaften heraus zu arbeiten, v. Brawe. Wie sich die rasende Jugend in ihr Elend hinein arbeitet, Dusch. 3. In figürlicher Bedeutung. (a) In einer heftigen Bewegung seyn. Der Kranke arbeitet, sagt man von demselben, wenn er sich in einem starken Paroxismo befindet. Das Bier, der Wein arbeitet, gähret. Das Feldgestänge arbeitet, wenn es in der gehörigen Bewegung ist. In dieser Bedeutung findet arbeiten vorzüglich in der höhern Schreibart Platz. Mein Herz arbeitet und blutet. Verschiedene mächtige Leidenschaften schienen in ihrem Herzen zu kämpfen, ihre Brust arbeitete, Dusch. (b) Von leblosen Dingen, so fern sie Werkzeuge zu Erreichung einer Absicht sind. Regenwolken und Gewitter arbeiten an der Verschönerung der Natur, indem sie sie entstellen, Dusch. Wo die Natur nicht die beste Lehrmeisterinn ist,[419] da arbeitet die Kunst umsonst, Weiße. Der Gedanke arbeitete sich wie die Flamme unter dem Schutte empor, Dusch.
II. Als ein Activum, folglich mit dem Accusativo. 1. Für bearbeiten. Den Acker arbeiten. Das Zinn läßt sich nicht allein arbeiten, daher wird es stets mit Bley und Wißmuth versetzet. Das läßt sich gut arbeiten. 2. Für verarbeiten. Gearbeitetes Silber. Ungearbeitetes Silber. 3. Für abrichten. In dieser Bedeutung kommt es nur noch bey den Jägern vor, wo, einen Hund arbeiten, so viel bedeutet, als ihn abrichten. Ein rein gearbeiteter Hund, der nur zu einerley Wildbret gearbeitet, oder gewöhnt ist. Die ehemahlige Bedeutung, da arbeiten für plagen gebraucht wurde, z.B. die mih arabeitent, qui tribulant me, Notker Ps. 3, 1. ist hiermit genau verwandt. 4. Ein Pferd, einen Menschen zu Tode arbeiten, durch unmäßige Arbeit dessen Tod verursachen. Sich zu Tode arbeiten. So auch, sich krank, sich gesund, sich reich arbeiten.
Anm. Arbeiten, Goth. arbaidjan, Isländ. erfida, bey den ältern Schweden arfwoda, bey den heutigen arbeta, bey dem Kero, Notker u.s.f. arabeitan. Dän. arbeyde, kommt von Arbeit her, man müßte denn mit Herrn Ihre annehmen, daß dieses Verbum von dem alten Arf oder Erf, labor, und idja, operor, exerceo, zusammen gesetzet wäre. Übrigens ist es, so wie Arbeit, ursprünglich nur auf die Ackerarbeit eingeschränket gewesen, daher es denn auch in den meisten Fällen den Nebenbegriff der Anstrengung seiner Kräfte hat. In dem 1534 gedruckten Deutschen Tacitus heißt es daher noch: Getreyd und andere frücht bawen und arbeyten si vleissiger. Indessen kommt es doch schon sehr frühe, so wohl für arbeiten überhaupt, als auch für plagen, verfolgen vor. Das Hauptwort, die Arbeitung, ist für sich allein nicht üblich, wohl aber in den Zusammensetzungen, Abarbeitung, Ausarbeitung, Bearbeitung, Verarbeitung u.s.f. Handarbeit überhaupt verrichten, heißt im Schwabenspiegel auch werken, und bey den Niedersachsen schippwarken. Nachlässig und obenhin arbeiten, drucken die Hoch- und Niederdeutschen durch schludern und schleudern, die Niedersachsen durch suddeln, driseln, und nußeln aus. Schwere Arbeit verrichten und sich es dabey sauer werden lassen, heißt in Schwaben fretten, in Niedersachsen sich fälen, woolbargen, woolbraken, drillen, Isländ. thraela. Mühsam arbeiten, wird in Niedersachsen poseln, in Preußen puscheln, und in Schweden pussla genannt, u.s.f. Ein kleines Beyspiel unter tausend andern, wie geschickt die gemeinen Mundarten sind, einen Begriff mit allen seinen Schattirungen und Abänderungen auszudrucken, wo ein Hochdeutscher sich nicht anders als mit Umschweifen helfen kann.