Aue, die

[466] Die Aue, plur. die -n. 1) * Ein fließendes Wasser, welche Bedeutung aber im Hochdeutschen nicht mehr üblich ist. Indessen führen in ganz Niedersachsen noch viele Flüsse den Nahmen der Auen, und im Holsteinischen ist dieses Wort in dieser Bedeutung noch häufiger. 2) Eine an einem solchen Wasser gelegene Gegend, eine von Flüssen durchschnittene und folglich fruchtbare Gegend, dergleichen in dem nördlichen Thüringen die goldene Aue ist. 3) In weiterer Bedeutung, ein gutes Weideland, ein Feld, wo gute Weide ist, weil Gegenden, die an Flüssen liegen, vorzüglich gute Weide zu haben pflegen.


Sit das der winter hat die bluomen in getan

Der kleinen vogelin sussen sank

In walde und auch in ouwen,

König Wenzel.


Er weidet mich auf grüner Auen, (Aue) Ps. 23, 3. Ich will sie in ihr Land führen, und will sie weiden auf den Bergen Israel, und in allen Auen, und auf allen Angern des Landes, Jerem. 34, 13. Diese Bedeutung ist heut zu Tage im gemeinen Leben nur noch an einigen Orten üblich, in der höhern und poetischen Schreibart aber kommt sie desto häufiger vor.


Sängerinn der schönsten Aue,

Gleim.


4) In noch weiterer Bedeutung, ein jeder grüner oder mit Gras bewachsener Platz, ein Anger. In diesem Verstande bedeutet Aue in Oberdeutschland und besonders in Schlesien einen mitten im Dorfe gelegenen grünen Platz. S. Aurecht.

Anm. Aue, bey dem Ottfried ouu, bey den Schwäbischen Dichtern owe, gehöret ohne Zweifel zu Ach, so ferne es Wasser, und besonders ein fließendes Wasser bedeutet, welches auch Aha, Auha, Aucha und Acha geschrieben wurde; S. Ach. Luther gebraucht es oft für Weide, decliniret es aber nach Oberdeutscher Art, Genit. der Auen u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 466.
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