Begeben

[797] Begêben, verb. irreg. recipr. S. Geben. Sich begeben.

1) Sich an einen Ort verfügen, mit verschiedenen Präpositionen. Sich nach Berlin, nach Paris begeben. Ich werde mich bald nach Hause, nach Hofe begeben. Sich in einen Ort, in eine andere Stadt, in ein Kloster, in den Krieg, in sein Zimmer, ins Bett, in eines Schutz begeben. Er begab sich in Gefahr. Sich aus dem Lande, aus der Stadt begeben. Sich in das Elend, in einen neuen Stand begeben. Sich wieder auf den Weg begeben. Sich zur Ruhe, sich zu Schiffe begeben. Die Armee begab sich auf die Flucht. Sich auf Reisen begeben. Sich weg begeben.


Lucinde kömmt, begib dich gleich von hier,

Gell.


2) Wirklich werden, geschehen. Wenn es sich ja begeben sollte, daß u.s.f. So oft sich der Fall begibt. Nach Verlauf der Zeit begab es sich, daß ein gefährlicher Streit entstand. Es hat sich seit dem gar viel begeben. Ehedem war auch das einfache geben in dieser Bedeutung üblich, denn im Theuerd. Kap. 55 heißt es: Es gab sich auf ein annder zeit, für es begab sich.

3) Von etwas abstehen, sein Verlangen darnach fahren lassen, mit der zweyten Endung der Sache. Sich seines Rechtes begeben. Ich begebe mich dessen, lasse alle Gedanken und Hoffnung darauf fahren. Ich habe mich dieser Hoffnung längst begeben. Ich han der welte mich begeben, sang schon Winsbeck.

Daher die Begebung, doch nur in der ersten und dritten Bedeutung, indem für die zweyte Begebenheit das Hauptwort ist.

Anm. Folgende Bedeutungen sind im Hochdeutschen veraltet. 1) Ergeben, als ein Activum. Auch begebet nicht der Sünde eure Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit, sondern begebet euch selbst Gott, Röm. 6, 13. Gleichwie ihr eure Glieder begeben habt zum Dienst der Ungerechigkeit, u.s.f. V. 19. 2) Verlassen, gleichfalls als ein Activum. Begib dina heizmuoti, verlaß deinen Zorn, Notker. Ich will si nicht begeben, Christian von Hamle. Bey dem Opitz kommt diese Bedeutung noch sehr oft vor. Z.B.


Wenn das Glück uns plötzlich hat begeben.


Ingleichen:


Dein Gebot ist mir

Tief eingepflanzt, ich will es nicht begeben.


3) Ausgeben, vom Gelde, welche Bedeutung noch das Niedersächsische begeven hat. 4) Heirathen, welcher Gebrauch gleichfalls nur in der Niedersächsischen Mundart vorhanden ist. Übrigens ist[797] noch dieses zu bemerken, daß dieses Verbum, so wie die meisten Reciproca kein Participium der vergangenen Zeit leidet; daß man also auch nicht sagen kann, die Nachricht von einem daselbst begebenen Unglücke.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 797-798.
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