Begegnen

[798] Begêgnen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, auf dem Wege antreffen, unvermuthet entgegen kommen. 1. Eigentlich. Einem begegnen. Er ist mir begegnet. Ich bin ihm begegnet. Wir begegneten ihm auf dem Wege, unterweges, auf der Reise. 2. Figürlich. 1) Als eine Veränderung von außen erfahren; unpersönlich, oder doch in der dritten Person. Es ist mir ein großes Unglück begegnet. Die Übel, die uns begegnen. Was ist ihnen begegnet? Dergleichen ist mir noch nie begegnet. Es ist uns auf der Reise nichts Widriges begegnet. Es ist mir wohl öfters begegnet, daß u.s.f. Es muß ihnen etwas Großes begegnet seyn, Gell. 2) Sich gegen jemanden betragen, wenn die Art und Weise des Betragens zugleich mit ausgedruckt wird. Einem wohl, übel, schlecht, hart, freundlich, grob, höflich begegnen. Ist man jemahls einem Frauenzimmer so begegnet? So kaltsinnig ist sie mir noch nie begegnet. Man begegnet mir wie einem Freunde.


Er

Weiß Groß und Kleinen zu begegnen,

Günth.


sich gegen einen jeden auf die gehörige Art zu betragen. 3) Widerstand leisten, einer Sache abzuhelfen suchen. Einem Zufalle, einem Unglücke begegnen. Der Gefahr durch Klugheit, der Krankheit durch Arzeneymittel begegnen. Den Regungen seines Herzens durch Überlegung begegnen. Wie muß man dem Dinge begegnen? Dieß ist das sicherste Mittel, der Furcht zu begegnen, wenn sie sich unserer Herzen bemeistert.

Daher die Begêgnung, welches für die Handlung des Begegnens in allen obigen Bedeutungen, die erste figürliche ausgenommen, gebraucht wird.

Anm. Begegnen, Niedersächs. bejegenen, Dän. beglägne, kommt von dem Vorworte gegen, her. Ehedem gebrauchte man für das zusammen gesetzte Zeitwort das einfache gegnen, bey dem Kero kagannan, bey dem Ottfried gagan, welches im Theuerdanke noch oft vorkommt. Thar imo Martha gaganta, da ihm Martha begegnete, Ottfr. B. 3 Kap. 24. Thaz im hiar al gaganta, was ihm hier begegnete, B. 4 Kap. 18. Abentheuer gegnet in manchfaldt, Theuerd. Euch wird auch gegnen groß sachen, ebend. Bey den Schweden ist noch gina oder gena, für begegnen üblich, von gen, gegen. Indessen kommt doch schon bey dem Notker begagenen und bey dem Ottfried ingagen, für begegnen, so wohl in der eigentlichen, als auch in der ersten und zweyten figürlichen Bedeutung vor. Viele Niedersachsen gebrauchen, wenn sie Hochdeutsch schreiben, dieses Zeitwort, ihrer Mundart zu Folge, mit dem Hülfsworte haben, welches aber keine Ausnahme von der Regel machen kann. Da es nichts ungewöhnliches ist, Neutra zuweilen im Passivo, aber nur impersonaliter zu gebrauchen: so läßt es sich immer noch vertheidigen, wenn einige sagen: es ist ihm wohl, oder übel begegnet worden, es ist der Krankheit mit den gehörigen Mitteln begegnet worden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 798.
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