Begegnen der Züge

[107] Begegnen der Züge, die Vorbeifahrt eines Zuges an einem Zuge der entgegengesetzten Fahrrichtung auf zwei- oder mehrgleisiger Bahn, im Gegensatz zum »Kreuzen« oder »Ausweichen von Zügen« bei eingleisigem Betrieb (s. Zugkreuzung). Wenn die Fahrwege beim B. auch getrennt voneinander verlaufen, so sind doch auch hier gewisse Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. So darf die Durchfahrt eines Zuges durch den Bahnhof einer zweigleisigen Bahn entweder überhaupt nicht oder nur unter Anwendung besonderer Vorsichtsmaßregeln zugelassen werden, wenn das Fahrgleis des Zuges von Reisenden eines ihm begegnenden, im Bahnhof haltenden Zuges überschritten werden muß. Durch Herstellung schienenfreier Zugänge zu den Bahnsteigen sucht man diese Betriebserschwerung zu beseitigen. – Bei Beförderung explosionsgefährlicher Gegenstände müssen diese gegen den Funkenauswurf der Lokomotiven des eigenen und der begegnenden Züge möglichst geschützt werden. – Nach § 31 der Technischen Vereinbarungen des VDEV. genügt für die freie Strecke einer zweigleisigen Bahn ein Gleisabstand von 3∙5 m. Da aber der nach § 30 für die Hauptgleise frei zu haltende Raum eine größere Breite als 3∙5 m, nämlich eine solche von 4∙0 m hat, so ist die Sicherheit gegen das Berühren etwa überragender Teile bei der Begegnung zweier Züge geringer als bei der Fahrt eines Zuges auf eingleisiger Bahn und innerhalb der Bahnhöfe, wo infolge größeren Gleisabstandes die Umgrenzung des lichten Raumes auch durch Fahrzeuge im Nachbargleise nicht beschränkt wird. Die Breite der Wagen darf nach § 116 der Technischen Vereinbarungen 3∙15 m betragen. Zwischen zwei sich begegnenden Zügen bleibt hiernach ein Spielraum bei 3∙5 m Gleisabstand von 3∙50 – 3∙15 = 0∙35 m, während der Spielraum zwischen der Umgrenzung der Wagen und der Umgrenzung des lichten Raumes 2∙0 – 1∙575 = 0∙425 m beträgt. Da beim Begegnen der Züge mit der Möglichkeit des Vorkommens von Unregelmäßigkeiten bei beiden Zügen gerechnet werden muß und für beide Züge zusammen nur ein Spielraum von 0∙35 m zur Verfügung steht, so nehmen die Gefahren, die aus dem Öffnen von Wagentüren, Begehen der Laufbretter, ferner durch Hinauslehnen des Körpers aus dem Wagen, aus Überschreitungen des vorgeschriebenen Lademaßes u.s.w. entstehen können, bei dem Begegnen von Zügen einen erheblich höheren Grad an, als bei der Vorüberfahrt an den neben den Gleisen befindlichen festen Gegenständen. – Diesem Umstände muß besonders auch dann Rechnung getragen werden, wenn es sich um[107] Entscheidung darüber handelt, ob ausnahmsweise Gegenstände zur Beförderung zugelassen werden können, die das Lademaß um ein geringes überschreiten.

Breusing.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 107-108.
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