Bestürzen

[934] Bestürzen, verb. reg. act. 1) Stürzend mit etwas bedecken, eine Sache über die andere stürzen. So bestürzt man in den Schmelzhütten den Ofen, wenn man die gehörigen Erze und Kohlen in denselben schüttet. Ingleichen voll schütten; in welchem Vestande sich bestürzen, ehedem so viel bedeutete, als sich mit Essen und Trinken überladen. 2) Figürlich, durch einen unvermutheten Schrecken in den Stand dunkeler Empfindungen versetzen.


Nu hat mir de sin bestiurzet

Das ir lob noch stet gekiurzet,

Bruder Eberhard von Sar.


Alle Fragen bestürzen, deren wir nicht gewärtig sind,

Less.


Laß dich auch dieses nicht bestürzen,

Gryph.


Bestürzt die Nachricht dich die Phöbus dir entdecket,

Cron.


In welcher Bedeutung aber das Mittelwort bestürzt, in einen solchen Zustand versetzt, am üblichsten ist. Bestürzt werden, bestürzt machen, bestürzt seyn. Ein bestürztes Gemüth. Er stand ganz bestürzt und beschämt da. Der Antrag machte ihn sehr bestürzt. Daher die Bestürzung, vornehmlich von[934] demjenigen Zustande des Gemüthes, da es wegen eines gehabten Schreckens nur dunkele Empfindungen hat.

Anm. In der ersten eigentlichen Bedeutung sagt schon Ottfried B. 2, Kap. 17 Mit muttu bisturze, mit einem Schäffel bedecke. Es scheinet, daß die zweyte Bedeutung eine bloße Figur von dieser sey; ob es gleich an andern Wörtern nicht mangelt, die hier auch mit in Anschlag kommen können. Denn so bedeutet das Isländ. stirdr starr, unbeweglich, und das Angels. styrian beunruhigen. Doch beyde sind vermuthlich mit stürzen aus Einer Quelle hergeflossen. S. dieses Wort. Bestürzt heißt im Schwed. bestört, im Ital. stordito, und im Franz. étourdi. Die Niedersachsen sagen zwar auch bestürt; sie haben aber noch eine Menge anderer Wörter, eben denselben Begriff auszudrucken, dahin ihr bedonnert, bedönnert, bestorven, beruckt, berückt, bedutzt, bedudt, bedust u.s.f. gehören. In der Deutschen Bibel kommt für bestürzt mehrmahls verstürzt vor, wie Ef. 29, 9; Jer. 4, 9; 3 Maccab. 5, 24; Marc. 9, 6; Apostelg. 2, 6, welches das Nieders. verstürt ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 934-935.
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