Daumen, der

[1420] Der Daumen, des -s, plur. ut nom. sing. Diminutiv. das Däumchen, Oberdeutsch das Däumlein. 1) Der erste und dickste Finger an der Hand, welcher ein wenig außer der Ordnung der übrigen stehet. Einem die Daumen schrauben, eine Art der Tortur, da die Daumen in einen Schraubestock eingeschroben werden; im Oberdeutschen däumeln, dameln. Einem den Daumen auf das Auge setzen oder halten, ihn in seinen gehörigen Schranken erhalten, einem den Daumen drehen, ihm schmeicheln, nach dem Munde reden, und einem den Daumen halten, ihm mit Rath und That beystehen, gehören in die figürliche Art zu reden des großen Haufens. Die letzte Redensart ist vermuthlich aus dem abergläubigen Vertrauen entstanden, welches die Unwissenheit in den Daumen eines Gehenkten setzet, dem man eine große Kraft Glück zu bringen zuschreibet; S. Diebesdaumen. 2) Die Breite eines Daumens, ein Zoll. Sechs Daumen, sechs Zoll. Eines Daumens breit. 3) In den Wassermühlen, werden die Hebearme, welche die Stampfen, Hämmer oder andere Körper aufheben, auch Daumen, und die Welle, woran sie befestiget sind, die Daumenwelle genannt, S. Däumling; entweder[1420] wegen einiger Ähnlichkeit mit dem Daumen an der Hand, oder auch als ein Überbleibsel der ersten eigentlichen Bedeutung dieses Wortes.

Anm. In dem Salischen Gesetze lautet dieses Wort Tam, wenigstens rechnet man die letzte Hälfte von Alachtam hierher; im Schwabensp. Dumen, im Oberdeutschen Taumen, im Nieders. Duum, im Holländ. Duym, im Angels. Thuma, Duma, im Engl. Thumb, im Schwed. Tumme. Vermuthlich ist mit dieser Benennung auf die kurze dicke Gestalt dieses Fingers gesehen worden, und alsdann würde dieses Wort das Stammwort von Stamm, Stampf, Stumpf seyn, welche sich bloß durch den vorgesetzten Zischlaut von jenem unterscheiden; S. diese Wörter. Im Isländ. bedeutet Thuma die Hand; der Daumen aber heißt in dieser Sprache Tumling, so wie die alten Schweden ihn Thumul, Thumal, gleichsam die kleine Hand, nannten. Auch in dieser Bedeutung lässet sich das Wort bequem auf Stamm oder Stumpf zurück führen.

In der Declination dieses Wortes weichen die Deutschen Mundarten sehr von einander ab. Die oben angezeigte ist im Hoch- und Oberdeutschen die üblichste. Andere, besonders die aus einer Mischung von Hochdeutschen und Niedersachsen bestehen, decliniren es, der Daum, des -s, plur. die Däume, andere, der Daum, des -en, plur. die -en, nach andere der Daum, des -ens, plur. die -en. Diese Verschiedenheit, erstrecket sich auch auf die Zusammensetzungen, indem daselbst dieses Wort bald Daumen – bald nur Daum – lautet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1420-1421.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: