Ehrlich

[1657] Ehrlich, -er, -ste, adj. et adv. der Ehre gemäß, doch nach dem verschiedenen Gebrauche dieses Hauptwortes auch mit verschiedenen Nebenbegriffen und Einschränkungen.

[1657] 1. Äußeres Ansehen, äußere Vorzüge habend, vornehm. Rathsherren und ehrliche Leute, 4 Mos. 16, 2. Hauptleute über funfzig und ehrliche Leute, Es. 3, 3. Ein ehrlicher Mann und am königlichen Hofe wohl gehalten, Esth. 6, 1. Daß nicht etwa ein ehrlicher denn du von ihm geladen sey, Luc. 14, 8. Die ehrliche Pracht des Königreiches, Ps. 145, 12. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung, wenigstens in der edlern Schreibart, veraltet. Allein im gemeinen Leben wird ehrlich noch oft für ansehnlich, in der figürlichen Bedeutung dieses Wortes, gebraucht. Meine Blüthe brachte ehrliche und reiche Frucht, Sir. 24, 24. Ein ehrliches, beträchtliches, ansehnliches, Heirathsgut. Das hat mich ein Ehrliches gekostet. Ja es scheinet, daß dieses Wort, wenigstens in einigen Gegenden für gut gebraucht worden; denn in den alten Niedersächsischen Urkunden findet man mehrmahls des de erliker für desto besser.

2. Der öffentlichen Achtung, dem guten Nahmen gemäß; obgleich wiederum mit mancherley Einschränkungen. 1) In Ansehung der durch die äußere Ordnung eingeführten Begriffe von Ehre und Schande. Er ist ehrlichen Herkommens, er ist von ehrlichen Ältern geboren. Ein ehrliches Begräbniß. Ein ehrlicher Ort. Eine ehrliche Hantierung. Sich ehrlich nähren. S. Unehrlich. 2) Der äußern Gerechtigkeit, den Pflichten der bürgerlichen Gesellschaft gemäß. Ein ehrlicher Mann, der diese Pflichten erfüllet. Der ehrliche Nahme, der allgemeine Ruf, daß man solche erfülle. Ich schwöre es als ein ehrlicher Mann. Besonders so fern die Haltung der Treue und des Glaubens, und die Beobachtung der natürlichen Billigkeit eine dieser Pflichten ist. Ein ehrlicher Mann hält sein Wort. Ehrlich währet am längsten. Eine Sache ehrlich bezahlen. Ich habe es ja mit ehrlichen Leuten zu thun. Ehrlich und redlich mit jemanden umgehen. Ich habe ihm ehrlich gedienet. 3) Seit der Verfeinerung und mit derselben erfolgten Verschlimmerung der Sitten bedeutet der Ausdruck, ein guter ehrlicher Mann, oft nur einen Mann, der weiter nichts als diese bürgerliche Tugend besitzet, übrigens aber Mangel an derjenigen Klugheit leidet, welche die feine Lebensart eingeführet hat, und die mit der bürgerlichen Ehrlichkeit freylich nicht alle Mahl bestehen kann. In der engsten Bedeutung ist ein ehrlicher Mann oft so viel als ein geduldiger Hahnrey.

3. Besonders, dem äußern Wohlstande, der Reinigkeit der Sitten gemäß, im gemeinen Leben. Die Ehe soll ehrlich gehalten werden, Ebr. 13, 4. Lasset alles ehrlich und ordentlich zugehen, 2 Cor. 14, 40. Ein ehrliches Mädchen, das nicht wider die äußere Ehrbarkeit handelt. Sie ist ehrlich, handelt nicht wider die guten Sitten.

4. Rühmlich, löblich, was Ehre oder Ruhm verdienet. Menigklich nam groß frewd ab der erlichen tat, Theuerd. Kap. 82. Tilgte die alten ehrlichen (löblichen) Gesetze ab, 2 Macc. 4, 11. Ehrlich (löblich) regieren, in einem 1514 gedruckten Deutschen Livius. Und ist ihm ehrlich (rühmlich), daß er Untugend überhören kann, Sprichw. 19, 11. Doch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet.

Anm. Schon bey dem Ottfried und Willeram bedeutet erlicho, eerlich, anständig, decorus, honestus, ingleichen ehrerbiethig, reverenter. Das Schwed. årlich und Dän. ärlig kommen mit dem Deutschen in der Bedeutung überein.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1657-1658.
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