Entwerfen

[1840] Entwêrfen, verb. irreg. act. S. Werfen. 1) Die wesentlichen Theile eines künftigen Ganzen ordnen, oder abbilden. So entwirft der Mahler ein Gemählde, der Baumeister ein Gebäude, wenn er dessen Theile nicht nur in seinen Gedanken ordnet, sondern sie so geordnet auch abbildet. Und er nahm sie von ihren Händen, und entwarfs mit einem Griffel und machte ein gegossen Kalb, 2 Mos. 32, 4. Das Gemählde ist nur noch entworfen. Einen Brief, eine Rede, die Friedens-Artikel entwerfen, die Theile, aus welchen sie bestehen sollen, wählen und ordnen. S. Entwurf. 2) In weiterer Bedeutung auch flüchtig abbilden.


Guot wib in eines jungen mannes muote

Diu entwirfet dem sinne vil tugendliche bilde,

Burkh. von Hohenfels.


Mit gedanken sie in entwerfen kan

Wunneklich in sime sinne,

Burkh. von Hohenfels.


Nimm einen Ziegel, den lege vor dich, und entwirf darauf die Stadt Jerusalem, Ezech. 4, 1. So oft mir meine Sinnen dein Angesicht entwerfen, Opitz. Ingleichen, schriftlich aufsetzen, flüchtig zu Papiere bringen. Seine Gedanken entwerfen.

[1840] Anm. Das Zeitwort werfen, jacere, scheinet von beyden Bedeutungen zu weit entfernet zu seyn, als daß sie sich ohne eine harte und ungewöhnliche Figur von demselben sollten herleiten lassen. Wachter behauptete daher, daß werfen ehedem auch anfangen bedeutet haben müsse, konnte aber sein Vorgeben mit nichts beweisen. Wahrscheinlicher wäre es geworden, wenn er sich auf das veraltete Werb, ein Geschäft, Werk, und werben, welches ehedem auch thun, verrichten überhaupt bedeutete, und mehrmahls werfen geschrieben wurde, besonnen hätte, S. Bewerben und Gewerbe. Im Nieders. bedeutet Warf noch ein jedes Geschäft, und verwarven besonders auch einen Vortrag machen, etwas vortragen. Entwerfen könnte also bedeuten, anfangen etwas zu thun oder zu verrichten. Wem diese Ableitung nicht gefällt, dem könnte das noch übliche Werft, der Aufzug eines Gewebes, ein bequemes Bild an die Hand geben; zumahl da mehrere figürliche Ausdrücke von dieser Beschäftigung entlehnet sind, z.B. anspinnen, entspinnen, anzetteln, einfädeln u.s.f. Bey dem allen wäre doch noch zu untersuchen, ob unser entwerfen und Entwurf nach dem Franz. Projet und projetter, und den mittlern Latein. Projestum, ein Vorsatz, Anschlag, oder diese nach jenem gebildet worden. Das mittlere Latein. Projestum kommt schon in einer Urkunde Carls des Großen von 805 vor. In dem erstern Falle würde entwerfen anfänglich einen Vorsatz fassen, und entwurf einen Vorsatz, propositum, bedeutet haben, welche Ausdrücke ein ähnliches Bild enthalten. Vor den Schwäbischen Kaisern finden sich die Wörter entwerfen. Entwurf in unsern alten Denkmählern nicht; wohl aber gebraucht Ottfried intuuerfen eigentlich für wegwerfen, abjicere.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1840-1841.
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