Fast

[55] Fast, adv. welches in zwey einander ziemlich entgegen gesetzten Bedeutungen gefunden wird. 1) * Für sehr, in welchem Verstande schon vaste bey dem Stryker vorkommt. Sie war fast schön, 1 Mos. 12, 14. Ihre Sünden sind fast schwer, Kap. 18, 20. Ein fast großes Heer, Kap. 50, 9. Ich will dich fast sehr mehren, überaus sehr, Kap. 17, 2. Ihrer Sünden wurden fast viel, sehr viel, Sir. 47, 29. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung völlig veraltet, ungeachtet selbige noch bey dem Opitz vorkommt. Ehedem war es auch ein Beywort, welches viel bedeutete; vaste Volks, viel Volkes. 2) Für beynahe. Wir waren fast bis an das Thor, als wir wieder zurück gerufen wurden. Es ist fast acht Uhr. Er ist fast funfzig Jahr alt. Er wäre fast gestorben. Das ist mir fast unbegreiflich. So sind sie fast alle. Ich hätte es fast errathen. Fast dürfte ich es nicht thun, oder ich dürfte es fast nicht thun. Fast kann ich es nicht glauben. Er verdienet es fast nicht, daß ich mich um ihn bekümmere, oder fast verdienet er nicht u.s.f. Ich habe es fast von allen gehöret; wo es unrichtig seyn würde, das Nebenwort hinter das Vorwort zu setzen, von fast allen, obgleich solches im gemeinen Leben nicht ungewöhnlich ist.

Anm. In der ersten veralteten Bedeutung scheinet dieses Wort zu fest zu gehören, so fern dasselbe zuweilen auch sehr bedeutet. Im Niedersächsischen ist vüste, oft, viel, manch, sogleich, beynahe. Das Isländ. fus bedeutet bereit, fertig, das Engl. und Franz. foison eine Menge, Überfluß, das Wallis. ffest, eilfertig, geschwinde, das Engl. vaft und Lat. vastus aber sehr, groß, breit. Merkwürdig ist, daß fest ehedem für fertig üblich war; wenigstens gebraucht Tatian rehtsestin für rechtfertigen. Für fast in der zweyten Bedeutung kommt in den alten Oberdeutschen Mundarten auch vilbi, vielbey, vor.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 55.
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