Fluß, der

[232] Der Flúß, des -sses, plur. die Flüsse, von dem Zeitworte fließen. 1. Der Zustand, da ein Körper fließet; ohne Plural. 1) Von eigentlich flüssigen Körpern. Den Fluß eines Baches, eines Körpers befördern. Indessen ist es hier in den Zusammensetzungen Abfluß, Ausfluß, Einfluß u.s.f. am üblichsten. 2) Ein besonders widernatürlicher Zu- oder Abfluß der Säfte in den thierischen Körpern; Fluxio, Profluvium. Der Blutfluß, Samenfluß, Bauchfluß, Steckfluß, Speichelfluß u.s.f. Siehe diese Wörter. Der weiße Fluß, eine widernatürliche Absonderung einer wässerigen Feuchtigkeit durch die heimlichen Theile des andern Geschlechtes; der Mutterfluß, im gemeinen Leben das Weiße, Fluor albus, Gonorrhoea mulierum. Der weibliche Fluß, die monathliche Reinigung; Nieders. Flete, Franz. Fleurs, im mittlern Lat. Flores, von fluere und nicht von Flos, eine Blume. Fluß schlechthin wird so wohl im gemeinen Leben, als bey den Ärzten von einer jeden Stockung der zugeflossenen salzigen Feuchtigkeiten gebraucht; wo mehrere Arten, ingleichen mehrere Zufälle zu verschiedenen Zeiten auch im Plural Flüsse genannt werden. Der warme Fluß der Alten, der scharfe Fluß der Neuern, im gemeinen Leben nur schlechthin der Fluß, eine schmerzhafte Empfindung in einem der Muskeln von einer in dem zelligen Gewebe stockenden Feuchtigkeit; Rheuma, Rheumatismus. Einen Fluß am Arme haben, bekommen. Mit Flüssen behaftet seyn. Der Fluß auf der Brust, die Stockung der zugeflossenen Feuchtigkeiten auf der Brust, der kalte Fluß der Alten, der schleimige der Neuern, Catarrhus; der, wenn die Feuchtigkeiten sich zertheilen und sichtbarlich abfließen, auch der Schnupfen, Coryza, genannt wird. Die Pferdeärzte nennen alle geringe Zufälle am Auge eines Pferdes, wenn sie von innerlichen Ursachen entstanden sind, Flüsse, weil die Augen gemeiniglich dabey zu fließen pflegen. 3) Von festen Körpern, wenn sie durch die Hitze flüssig werden, d.i. schmelzen. Ein Metall in den Fluß bringen. Das Gold ist im Flusse. Der Spath geht mit strengflüssigen Materien leicht in den Fluß, schmilzt leicht mit ihnen. Den Fluß eines Minerals befördern. 4) Der Fluß der Rede, ohne Plural, diejenige Eigenschaft derselben, da sie fließend ist, d.i. wenn alle ihre Theile eine gleichförmige sanfte Bewegung haben, ohne das Ohr und den Verstand des Lesers irgend wo anstoßen zu lassen; zum Unterschiede von der holperigen oder höckerigen Schreibart.

2. Derjenige Körper, welcher fließet. 1) Ein jedes fließendes Wasser; in welcher allgemeinen Bedeutung es nur in einigen Zusammensetzungen üblich ist, z.B. Flußkrebs, Flußmuschel, Flußsand, Flußstein, Flußwasser, u.s.f. In engerm und dem gewöhnlichsten Verstande ist Fluß ein fließendes Wasser, welches einen breiten Kanal hat, und langsam fließet; zum Unterschiede von einem Bache, einem kleinen fließenden Wasser, und von einem Strome, einem breiten und sehr schnell fließenden Wasser. Diminut. das Flúßchen, Oberd. das Flüßlein. Ein starker, schiffbarer, fischreicher Fluß. Der Fluß fließt durch die Stadt. Der Fluß fällt in das Meer. Einen Fluß abgraben, ableiten. Über einen Fluß setzen. Dänisch Flod, Schwed. Flod, Holländ. Vliet, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno Vluz, im Lat. Flumen und Fluvius. 2) Geschmolzenes[232] oder flüssiges Metall, im Hüttenbaue, besonders flüssig gemachtes Eisen. Den Fluß (das geschmolzene Eisen) durch den Stich in den Vorherd lassen. Den Fluß zerschlagen, d.i. das geschmelzte und erkaltete Eisen. 3) Figürlich, im Deutschen Kartenspiele, besonders im Piquet, alle auf einander folgende Blätter in Einer Farbe. Ein Fluß in Herzen, in Schellen u.s.f.

3. Im Hüttenbaue und der Chymie, ein Körper, welcher entweder selbst leicht fließet, d.i. schmilzet, oder doch strengflüssige Mineralien in den Fluß bringet. In diesem Verstande werden alle Körper, welche die Schmelzung der Erde befördern, als Kalk, Glasspath, Quarz, Sand, Hornstein, Schlacken, Kies, Bleyglas, Salpeter, Weinstein, Holzasche u.s.f. Flüsse genannt. Der rohe Fluß, eine Mischung, wo ein Theil Salpeter mit zwey oder drey Theilen Weinstein vermischet, aber nicht verpuffet worden. Wird die Mischung verpufft, so heißt sie schwarzer Fluß. Der weiße Fluß, ist eine Vermischung aus gleichen Theilen Salpeter und Weinstein, welche nicht verpufft worden. Werden sie verpufft, so entstehet daraus der schnelle Fluß. Im engern Verstande wird der Flußspath auch nur schlechthin Fluß genannt, weil er mit strengflüssigen Materien in einen dünnen Fluß geht. Ja alle gefärbte, so wohl undurchsichtige, als auch durchsichtige und glasartige Spatharten erhalten den Nahmen der Flüsse. Im letztern Falle bekommen sie den Nahmen des Edelsteines, dem sie an Farbe ähnlich sind, z.B. Rubinfluß, Amethistfluß u.s.f.

4. In einigen Fällen werden auch Körper, welche durch die Flüssigmachung, d.i. Schmelzung, entstanden sind, Flüsse genannt. Dahin gehören die falschen durch die Kunst nachgemachten Edelsteine, welche so, wie die gefärbten glasartigen Spatharten den Nahmen von den ihnen ähnlichen echten Edelsteinen annehmen. Der Rubinfluß, eine Composition, welche dem Rubin gleicht, Smaragdfluß, Hyacinthenfluß u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 232-233.
Lizenz:
Faksimiles:
232 | 233
Kategorien: